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So klappts mit dem Schlaf trotz Sorgen

Guter Schlaf gilt als entscheidender Faktor für körperliche und mentale Gesundheit. Diese Ansätze und mentalen Strategien helfen, damit Probleme nicht die Nacht zum Tag machen.

Von Michael Stief

Mit Grauen schaue ich auf meinen Kalender, sehe die Masse von anstehenden Terminen. Wie soll ich das alles schaffen? Ich seufze verzweifelt auf, da verblasst das Bild plötzlich. Ich spüre das weiche Kopfkissen und die warme Decke über mir. Wieder einmal haben sich Arbeitssorgen in meine Träume gedrängt und mich aus dem Schlaf gerissen. Es war eine neue Arbeitsstelle, die mir derart heftig zeigte, wie schnell die Arbeit den Schlaf rauben kann. Die Herausforderung einer neuen Branche und eines viel größeren Unternehmens als je zuvor, verbunden mit großen Hoffnungen für die Zukunft, waren zu viel, um es im Wachen zu verarbeiten. So ging es mit mir im Schlaf um, bis es mich weckte und wach hielt.

Natürlich können Termindruck, Auftragsfülle uns schon um den Schlaf bringen, wenn wir bis in die Puppen arbeiten und einfach vor lauter Tun nicht ins Bett kommen. Gerade in der Rushhour des Lebens, wenn Familiengründung und erste Führungsaufgaben womöglich mit einem Hausbau zusammentreffen. Dann beginnen die Tage früher als sonst. Vielfältige Störungen und Unterbrechungen unter Tage lassen keinen rechten Arbeitsfluss aufkommen, bis nach Dienstschluss noch ein oder mehrere Stunden bleiben, um die liegengebliebene Arbeit wegzuschaffen. Dann hetzen wir zu einer längst wartenden Familie zurück. Verbringen ein bisschen Zeit zusammen, um dann vielleicht noch am Küchentisch weiterzuarbeiten. Viel zu spät gehen wir ins Bett, liegen vor lauter Überanstrengung wach oder fallen nach ein paar Folgen Netflix auf der Couch in einen traumlosen Schlaf. In der Nacht schrecken wir dann auf und stellen fest: Unser Hirn arbeitet längst schon wieder.

Epidemie der Schlaflosigkeit breitet sich aus

Kurzer Nachtschlaf wurde manchen als besonders tugendhaft und männlich gepriesen. Napoleon etwa erklärte „Vier Stunden schläft der Mann, fünf die Frau, sechs ein Idiot“, soll aber dafür öfter auf dem Pferd eingeschlafen sein. Doch Schlaf ist nicht nur etwas für Weicheier, sondern neben Ernährung, Bewegung und geistiger Hygiene ein entscheidender Faktor für körperliche und mentale Gesundheit. Das beschreibt der Schlafforscher Matthew Walker eindrucksvoll in seinem TED-Talk „Sleep is your superpower“.

Doch in unserer modernen Gesellschaft scheint sich eine Epidemie der Schlaflosigkeit auszubreiten. Sie hat wegen unregelmäßigerer Lebensführung und Bewegungsmangel als „Coronasomnia“ in der Pandemie sogar an Fahrt aufgenommen. Schon Shakespeare hat bereits in Macbeth die Ursachen der Schlaflosigkeit verewigt, diesen „Seelenbalsam, der Hauptgang der Natur, / im Lebensmahl ein Hauptfest …“ (Akt 2, Szene 2, Vers 38-39). Dort waren es ein Mord und das schlechte Gewissen, die Macbeth um den Schlaf brachten. Im heutigen Alltag sind es eher elektrisches Licht, speziell das blaue der Computerbildschirme, die ständige Erreichbarkeit am Handy als Folge globaler Zusammenarbeit über Zeitzonen hinweg oder aus schlechter Gewohnheit.

Jüngst titelte die New York Times, dass Melatonin, ein schlafförderndes Hormon, in den USA zwischenzeitlich so häufig gegen Schlafprobleme eingenommen wird, dass nun einige davon psychisch abhängig seien. Aber ist Medikation wirklich die Lösung? Sicher nicht, dafür gibt es bessere Wege. Vorab eine wichtige Warnung: Schlaflosigkeit kann die Folge einer ernsthaften körperlichen oder psychischen Erkrankung sein. Sofern sie eine längere Zeit fortbesteht, sollte anstelle einer Selbstmedikation oder alternativer Methoden unbedingt ein Besuch beim Mediziner erfolgen.

Warum Sie nicht schlafen können

Wir Menschen verfügen über einen komplexen 24-Stunden-Zyklus, der Wachen und Schlafen durch ein komplexes Zusammenspiel von eigener Aktivität, Sinnesreizen, Gehirn, Nerven und Hormonen regelt. Dieser ist in der vormodernen Zeit entstanden und anfällig für die „unnatürlichen“ Reize in unserem gegenwärtigen Leben, wie künstliches Licht und bis in die Abendstunden hineinreichende Aktivität oder gar konzentrierte Arbeit. Verbunden mit der selbstauferlegten ständigen Erreichbarkeit im Privaten wie im Beruflichen durch Mobiltelefone und Messenger oder auch regelmäßige Teamarbeit über Zeitzonen hinweg gerät dieser Zyklus, der uns eigentlich nach Einbruch der Dunkelheit langsam in den Schlaf schaukeln sollte, ins Holpern.

Speziell das schon erwähnte Melatonin, das natürliche Schlafmittel unseres Gehirns, wird durch helles Licht direkt unterdrückt. Zusätzlich lösen Termindruck, dem Arbeitstag nachlaufende Sorgen, negative Stimmungen oder Ängste ebenfalls eine biologisch verankerte Stressreaktion aus, die sich negativ auf den Schlaf auswirkt. Ganz zu schweigen von dem Gedankenkarussell, auf dem wir manchmal wie festgebunden scheinen.

Was aber hilft gegen berufsbedingte Schlaflosigkeit? Zunächst ein maßvoller Lebensstil mit ausreichenden Auszeiten, gesunder Ernährung und Bewegung. Denn unser Körper ist kein Formel-1-Wagen, der sich nach Belieben zu höchsten Drehzahlen antreiben und augenblicklich wieder abbremsen lässt. Wo dies nicht immer gelingt, helfen gute Gewohnheiten.

Gute Gewohnheiten sind der halbe Schlaf

Zum Beispiel ein bewusstes Zeitmanagement. Das muss nicht perfekt sein, sodass wir zu jedem Zeitpunkt Druck oder Versagensängste ausschließen könnten. Wichtig ist lediglich eine klare Orientierung, was es zu tun gibt, was wir geschafft haben und was noch zu tun oder was liegengeblieben ist. Daher empfehlen Zeitmanagement-Experten wie Lothar Seiwert, den zurückliegenden Tag abzuschließen und den folgenden zu planen. Und zwar am Abend, nicht erst am folgenden Morgen. Denn das gibt uns noch vor dem Schlafengehen eine gute Orientierung für den nächsten Tag und kann so helfen, loszulassen.

Auch ein kurzes Workout unterstützt dabei, die vom Tagesstress bedingte körperliche und nervliche Aktivierung auszuagieren und zurückzufahren. Dazu braucht es keinen Weg ins Fitnessstudio. Ein einfaches Bodyweight-Training oder eine kurze Laufrunde bauen die körperlichen Folgen eines stressigen Arbeitstages ab. Zusätzlich lässt sich mit Yoga-Übungen das Entspannungssystem des Körpers aktivieren: Der Parasympathikus-Nerv, der einmal aktiv ein Anti-Stress-Programm aktiviert. Auch ein Abendspaziergang im Dunkeln fördert Entspannung und Schlafbereitschaft: Im Dunkeln springt die Melatonin-Produktion an und das Gehen agiert den Stress aus.

Notfallmaßnahme für den Fall der Fälle

Christen können zusätzlich die Praxis des Abendgebetes kultivieren: Ob in Form eines freien Gebetes oder als „Komplet“, als abendliches Stundengebet, wie es etwa die Benediktiner praktizieren (und auch ins Internet übertragen; https://erzabtei.de/live). Dabei schließen wir den Tag vor uns selbst und vor Gott ab und bitten um Schutz und Geborgenheit. Ähnlich hilft regelmäßiges Journaling, den Geist von den Alltagssorgen zu entlasten. Regelmäßiges Niederschreiben der Tagesereignisse, getrennt nach Dingen, die gut gelaufen sind, die belasten oder Hoffnungen wecken, stärken nachweislich das mentale Wohlbefinden und bereiten damit einem gesunden Schlaf die Basis.

Für die Fälle, in denen alle guten Gewohnheiten zusammenbrechen, die beruflichen Sorgen überhandnehmen und uns aus dem Schlaf reißen, hilft folgende Notfallmaßnahme. Die Wirksamkeit ist durch die Forschungen der Psychologen Pennebaker (Expressives Schreiben) und Neff (Selbst-Empathie) nachgewiesen und auch mir hat sie in solchen nächtlichen Gedankenstürmen Ruhe verschafft: Wenn du nicht in den Schlaf findest, steh – sozialverträglich – auf (laut Matthew Walker spätestens nach 25 Minuten). Finde einen ruhigen Platz, Papier und einen angenehmen Stift. Schreib dann fünfzehn Minuten lang alles auf, was dir durch den Kopf geht, ohne groß zu formulieren oder zu korrigieren.

Nächtliches Sorgen löst selten Probleme

Wenn dir die Worte fehlen, schreib einfach auch das auf. Ist die Gedankenfülle groß, schreib einfach weiter, bis du das Gefühl hast, jetzt sei alles aufgeschrieben. Dann lege Stift und Papier weg und geh direkt (allenfalls mit einem Umweg zu Toilette und Wasserhahn) ins Bett. Am nächsten Tag kannst du dann dein Geschriebenes noch ruhen lassen oder gleich reflektieren und so aus deinen Nachtgedanken noch einen Nutzen ziehen. So habe ich es damals gemacht, als mir Sorgen und Arbeitsdruck den Schlaf raubten. Es brauchte eine Dreiviertelstunde, um mir alles von der Seele zu schreiben. Dann aber war es gut, ich konnte noch drei Stunden ruhig schlafen und war am Morgen handlungsfähig.

Zu guter Letzt dürfen wir uns auch sagen: Die Arbeit ist nicht das Entscheidende im Leben und nächtliches Sorgen löst selten Probleme. Eher hilft die heilsame Erkenntnis des Psalmisten: „Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein du, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne.“ (Psalm 4,9) In diesem Sinne: angenehme Ruhe!

Michael Stief (58) ist Experte für Positive Kommunikation, Teamwork und Führung und Gründer des Beratungsnetzwerks POSITIVE HR. MANAGEMENT (positive-hr.de).

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Neues Jahr, neues Glück: So erreichen Sie Ihre Ziele

Viele gute Vorsätze scheitern an Zeitmangel. Coach Michael Stief erklärt, warum Sie aber weniger in Zeit und mehr in Beziehungen denken sollten.

„Zeit ist eine Illusion, die Mittagszeit erst recht“ heißt es in der Science-Fiction-Satire „Per Anhalter durch die Galaxis“. Eine ebenso skurrile wie zutreffende Beobachtung. Es liegt nie an der Zeit selbst, wenn wir keine Zeit haben: Zeit ist immer verfügbar. An jedem Tag 24 Stunden, 168 Stunden pro Woche, in jedem Monat 720 Stunden, 8.760 in einem Jahr, 613.200 in 70 oder 700.000 in 80 Jahren.

Es sind unsere vielfältigen Beziehungen und Verpflichtungen, die unsere Zeit knapp werden lassen. Aufgaben, die wir übernehmen und Terminzusagen, die wir machen. Unser persönliches „soziales Netzwerk“ ist riesig und mit jeder Beziehung gehen wir auch eine „Verpflichtung“ ein, in Kontakt zu bleiben. Jede Stunde, die wir mit diesen Menschen verbringen, füllt unseren Terminkalender. Es ist wichtig, aktiv zu entscheiden, in welche Beziehungen wir investieren. Damit diese Entscheidung leichter fällt, hilft es in „Beziehungsdimensionen“ zu denken, statt in Zeit und Work-Life-Balance.

Gerade Menschen mit Zeitnöten haben ein eher dickes Adressbuch und so kann es helfen, die unterschiedlichen Beziehungen etwas zu bündeln. Durch eine lange Beschäftigung mit Steuerungs- und Selbstmanagement-Modellen habe ich folgende sechs „Beziehungswelten“ gefunden:

  • die Menschen für die wir arbeiten -> unsere Kunden
  • die Menschen mit denen wir arbeiten -> unsere Teamkollegen
  • die Menschen, die wir mögen und lieben -> unsere besten Freunde & Familie
  • uns selbst mit unseren körperlichen und psychologischen Bedürfnissen
  • unseren Geist, also unsere Lebenseinstellung, Spiritualität oder Gottesbeziehung
  • unsere praktische und mentale „Beziehung“ zu Ressourcen wie Geld, Besitz, Bildung und Finanzen

Wenn Sie zu diesen „Beziehungswelten“ eine Mindmap anfertigen, bekommen Sie schnell einen Überblick, in welche Menschen Sie Zeit investieren wollen. Dadurch vermeiden Sie „Zeitdiebe“. Wenn Sie täglich jeder dieser „Beziehungswelten“ drei Stunden widmen, bringen Sie mühelos acht Stunden Schlaf und acht Stunden Arbeit unter (drei für die Kunden, drei fürs Team und zwei Stunden fürs Selbstmanagement). Auf diese Weise planen Sie von Grund auf ganzheitlich und kein wesentlicher Bereich des Lebens „fällt hinten runter“.

Entwickeln Sie ein Zielbild für Ihr Leben

In der Arbeitswelt sind wir oft mit Zielen konfrontiert, die wir mal weniger, mal mehr auch persönlich bejahen oder als „Karriere“ aktiv verfolgen. Aber auch im Privatleben schwanken wir zwischen unseren Wünschen und den Erwartungen anderer an uns. Es ist dieser Spagat zwischen vorgegebenen, erwarteten und erwünschten Zielvorstellungen, der unser Leben ins „Ungleichgewicht“ bringt, sodass wir nach neuer „Lebensbalance“ hecheln. Nehmen Sie sich deshalb nacheinander jede ihrer sechs „Beziehungswelten“ vor und fragen Sie sich:

  • Was wünsche ich mir für diese Beziehung?
  • Was ist meine Aufgabe und welche persönlichen Werte möchte ich darin verwirklichen?
  • Wie würde es – konkret – aussehen, wenn diese Beziehung blüht und gedeiht?

Dabei ist es gleichgültig, ob dies nun große oder kleine Ziele sind, schöne Einzelaktionen oder regelrechte Lebensziele. Sammeln Sie ungeniert und unzensiert Ideen, Wünsche, Vorhaben, Ziele und Träume.

Vor allem: Halten Sie diese schriftlich fest! Auf losen Blättern, in einem Zielbild-Tagebuch oder in einer Datei auf dem Rechner. So fangen Sie an Ihr Leben zu gestalten, bevor es andere für Sie tun. Sie ersetzen dadurch Vorsätze, die nicht selten durch Unzufriedenheiten getrieben sind, durch positive Ziele und Planung.

Auf diese Weise setzen Sie Ihr Zielbild für Ihr Leben aus den verschiedenen Puzzleteilen von Wünschen, Verpflichtungen und Zielen zusammen. Dadurch entsteht mit der Zeit aus einzelnen unverbundenen und im Moment geborenen Ziele eine viel grundlegendere Lebensvision, die Ihnen und anderen Orientierung, Hoffnung und Kraft geben wird.

Setzen Sie Prioritäten

Je nach Persönlichkeitstyp, Lebensalter oder Ideenreichtum kann dieses Zielbild und seine Bestandteile schnell komplex und umfangreich werden. Mit den folgenden drei Tools lässt sich aber auch in dieses Lebenschaos Ordnung bringen.

Erstens: Priorisieren Sie rigoros Ihre Lebenswelten. Entscheiden Sie sich, was Ihnen am wichtigsten ist: Familie & Freunde, Kunden oder Teamkollegen oder man selbst, Geist oder Ressourcen. Entscheiden Sie sich klar und konsequent für eine Top-Priorität und ordnen Sie die anderen dieser unter.

Zweitens: Schreiben Sie sich ein „Backlog“ nach „Beziehungswelten“ getrennt. In der agilen Führung bezeichnet ein Backlog eine Liste der Aufgaben, um ein komplexes Projekt zum Erfolg zu führen. Dort werden alle Aufgaben an einer Stelle gesammelt und anschließend in Etappen abgearbeitet. Drittens: Priorisieren Sie die sechs Backlogs nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. (Eisenhower-Schema)

Setzen Sie sich smarte Ziele

Möglicherweise habe Sie jetzt sechs schöne Listen mit attraktiven Zielen, von denen manche noch einen „Konstruktionsfehler“ haben. Die Ziele sind noch diffus, zeitlich unbestimmt und unrealistisch. Das macht es schwer, sie wirklich zu erreichen.

Ein Beispiel wäre der Wunsch „Einmal nach Japan zu reisen“. Da ist nicht klar, wann, wie lange und wohin es konkret gehen soll.  So lässt sich auch nicht sagen, ob man je genug Geld für den Trip in der Urlaubskasse haben wird. Eine solche Reise kann alles von 2.000 bis 12.000 Euro kosten.

Abhilfe schafft hier die SMART-Formel. Damit lassen sich Ziele leichter und zuverlässiger erreichen. Es geht dabei um folgende Qualitätskriterien:

  • Spezifisch – Es ist klar, mit wem, wo und wann wir ein Ziel erreichen wollen; in welchem Kontext wir ein Ziel anstreben und in welchem vielleicht nicht.
  • Messbar – Das Ergebnis ist klar und positiv umschrieben, entweder zählbar oder konkret wahrnehmbar.
  • Attraktiv – Ist das Ziel für uns wirklich wichtig und wertvoll, sind wir motiviert es zu erreichen? Auch für die Menschen in unserem Umfeld ist es wenigsten akzeptabel oder gar wünschenswert.
  • Realistisch – Das Ziel liegt im Rahmen unserer Möglichkeiten und wir haben die dazu nötigen Fähigkeiten, Mittel oder Macht. Das Ziel ist in machbaren Etappen erreichbar.
  • Terminiert – Es gibt einen konkreten Termin, zu dem das Ziel erreicht sein soll.

Planen Sie also Ihr Leben mit der gleichen „Präzision“ wie eine Urlaubsreise. Aber nicht nur die Klarheit der Zielbestimmung ist wichtig, um die Ziele auch zu erreichen. Auch die Regelmäßigkeit ist entscheidend. Nicht nur einmal den großen Wurf skizzieren, sondern konstant weiter planen. Idealerweise jeden Abend für den folgenden Tag; sonntags für die kommende Woche, einmal im Monat sowie jährlich.

Und immer mal wieder hilft eine generelle Orientierung. Gönnen Sie sich Auszeiten, bei denen Sie Ihre Pläne auf den Prüfstand stellen. Ein Aufenthalt auf einer Berghütte zum anstehenden Jahreswechsel kann ein passender Rahmen sein. Oder auch eine Inselüberquerung wie ich Sie Anfang 2022 an vier Tagen auf Gran Canaria gemacht haben. Da bleibt viel Zeit zum Reflektieren.

Für Ziele einstehen statt „Nein“ sagen

Vielen Menschen fällt es schwer, „Nein“ zu sagen. Teils aus Angst, dass sich das Gegenüber persönlich abgelehnt fühlen könnte. Teils, weil man vielleicht keine schlüssige Begründung parat hat. Wenn wir aber aus Nettigkeit und mangels klarer Ziele fremden Wünschen nachkommen, dann kann das leicht zu Chaos im Leben führen.

Das wusste schon der biblische König Salomo und stellte fest, „Ohne eine Vision kommen die Menschen um“ (Buch der Sprüche 29:18, frei übersetzt nach King James Bible) Damit meinte er sicher auch die sinnstiftende Qualität von ganzheitlichen Lebenszielen. Vor allem aber geben uns Ziele die Möglichkeit zu sagen, wofür wir unsere Zeit einsetzen möchten. Dann brauchen wir nicht länger andere Offerten peinlich berührt abzulehnen, sondern können selbstbewusst sagen, was wir stattdessen vorhaben.

Auf die Frage „Kannst Du mir am Wochenende beim Umziehen helfen?“ könnten wir dann statt einem platten „Nein, ich habe keine Zeit“ antworten mit einem ehrlichen „Grundsätzlich gerne. Doch an diesem Wochenende werde ich ein Paper fertigschreiben, dass am Montag Termin hat“. Wenn wir unsere Ziele bereits im Vorfeld klar kommunizieren, dann kann sich unser Umfeld auch rechtzeitig darauf einstellen oder Einwände anmelden. Dadurch können wir agieren, bevor es in die „heiße Phase“ geht.

Warnung: Rechnen Sie mit Gegenwind

„Planung ersetzt Zufall durch Irrtum.“ Natürlich wird auch bei generalstabsmäßiger Planung und guter Kommunikation nicht jeder Plan gelingen. Schließlich ist das Leben komplex, sind unser Verstand und unsere Willenskraft begrenzt. 

Gerade zum Jahreswechsel nehmen wir uns oft eingefleischte Gewohnheiten vor, die wir nun plötzlich von einem Tag auf den anderen ändern wollen. Auch hartnäckige Gewohnheiten lassen sich ändern, zum Beispiel mit der WOOP-Methode. Besser ist es jedoch, SMARTe Ziele anzuvisieren. Diese sollten eingebettet sein, in eine zunehmend klare Lebensvision, wie wir mit uns wichtigen Menschen zusammenleben wollen.

Selbst dann werden wir noch erleben, dass uns die Zeit ausgeht. Dafür kann es verschiedene Ursachen geben: Unterschätzte Komplexität.  Unerwarteter und nicht nachvollziehbarer Widerstand. Oder im Extrem: die sprichwörtliche Dummheit der anderen, die ein Projekt scheitern lässt. Doch je konsequenter wir die genannten fünf Strategien umsetzen, umso öfter können wir wie Hannibal Smith aus der TV-Serie „A-Team“ sagen: „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.“

Michael Stief (58) ist Experte für Positive Kommunikation, Teamwork und Führung und Gründer des Beratungsnetzwerks POSITIVE HR. MANAGEMENT (positive-hr.de).

Jackson Kivujirwa unterrichtet am Majengo Institute in Goma, Kongo. (Foto: Nils Laengner)

Bürgerkrieg, Vulkanausbrüche, Überfälle: Jackson Kivujirwa lässt sich nicht unterkriegen

Die Menschen in Goma, Kongo, leiden unter Gewalt, Naturkatastrophen und Arbeitslosigkeit wegen Corona. Der Lehrer Jackson Kivujirwa erzählt im Interview, was ihm hilft, nicht zu verzweifeln.

Deine Schüler/-innen begrüßt du oft mit den Worten: „Seid ihr alle glücklich?“ In meinem Schulleben wurde ich das nie gefragt. Mich hat das sehr beeindruckt. Warum machst du das?

Ich mache das wirklich sehr häufig. Du musst wissen, dass die Lebensumstände unserer Schüler/-innen sehr unterschiedlich sind. Da sind Kinder, die am Vorabend nichts zu essen hatten oder keinen Tee zum Frühstück. Das kommt immer wieder vor. Die wirtschaftlichen Umstände führen oft dazu, dass es in Familien Auseinandersetzungen gibt.

Die sonst nicht da wären?

Möglicherweise. Wir hatten in den letzten 25 Jahren immer wieder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen. Außerdem ist der Vulkan Nyiragongo 2002 und 2021 ausgebrochen und hat Verwüstungen in der Stadt hinterlassen. Das bringt schon Unruhe in Familien.

Lehrer mit Empathie

Davon haben wir in Europa keine blasse Ahnung. Aber erzähl doch bitte weiter.

An den Reaktionen der Klasse sehe ich, wem es aktuell nicht gut geht. Diese Person bekommt dann mehr Aufmerksamkeit. Nach dem Unterricht spreche ich dann mit den Betreffenden. Gegebenenfalls bringe ich sie zum Büro der Schulseelsorge.

Ich finde das sehr empathisch und beeindruckend. Nun ist das Majengo Institute ja nicht nur eine der besten Schulen der Region, weil die Lehrkräfte mitfühlend sind. Einer der erfolgreichen Absolventen der Schule ist Djimi Muhindo. Er ist aktuell einer der erfolgreichsten Radsportler des Landes. In einem Gespräch ließ er durchblicken, dass er sich gerne an dich als Lehrer erinnert. Warum wohl?

(lacht) Das hättest du ihn wahrscheinlich selbst fragen müssen! Allerdings kann ich dir von einer Begegnung mit unserem langjährigen Schulsprecher erzählen. Er schätzte es sehr an mir, dass ich bescheiden auftreten würde. Selbst wenn es mal drunter und drüber ginge, wäre ich bereit, mit den Leuten zu reden und ihnen zuzuhören. Weiter sagte er, dass er nie gehört habe, dass ich meine Macht missbraucht hätte. Er habe mich nicht rechthaberisch erlebt, sondern als Moderator oder Vermittler.

Unterschiede im Familienbild zwischen Afrika und Europa

Nun bist du ja nicht nur eine Vaterfigur für deine Schüler/-innen. Du hast selbst auch vier Kinder. In Europa schrecken immer mehr Männer davor zurück, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Sie befürchten den Verlust von Geld, Freiheit und Unabhängigkeit.

(lacht laut auf): Du veräppelst mich!

Das kommt in der Tat vor.

Da gibt es wohl doch gravierende Unterschiede zwischen unseren Kontinenten. Generell haben Familien in Afrika mehr Kinder als Paare in Europa und den USA. Ich empfinde es als Ehrenbezeichnung, Vater genannt zu werden. Nicht nur wegen der Verantwortung. Kinder sind für mich wie Früchte meines Lebens.

„Kinder sind die Zukunft“

In unserem Kulturkreis dreht sich sehr viel um mich, meine Ziele, meine Wünsche. Das ist bei dir irgendwie anders.

Es geht doch um die Zukunft einer Gesellschaft und auch einer Familie. Beides gehört doch auch zu mir und meiner Identität. Kinder sind davon ein Teil. Kinder können weitertragen, was sie mit ihren Eltern entwickelt haben. Schließlich sterben Menschen ja auch mal. Das kommt doch auch in deiner Kultur vor.

Das setzt aber voraus, dass du dich als Teil einer Gemeinschaft verstehst. Hier wäre das eine Familie. Nun kenne ich aber viele Leute, die sich selbst genügen und fast ausschließlich danach fragen, wie es ihnen gut gehen kann.

(lacht sich schlapp) Wirklich?

Ja, wirklich!

Oh! (Jackson wirkt sehr betroffen, schweigt einige Sekunden und fährt dann fort) Weißt du, was mir Angst macht?

Du wirst es mir hoffentlich sagen.

Es ist dann doch möglich, dass eine Familie ausstirbt, wenn keine Kinder da sind. Das ist doch furchtbar.

Keine Arbeit, kein Geld

Ein interessanter Aspekt! Die Art und Weise, wie wir in Deutschland leben, führt dazu, dass viele Menschen schnell isoliert sind. Sie haben kaum soziale Netzwerke. Das war insbesondere während der virusbedingten Einschränkungen seit März 2020 zu spüren.

Nun, wir hatten große wirtschaftliche Probleme. Gehälter werden meist nur gezahlt, wenn gearbeitet wird – Lockdown hin oder her. Keine Arbeit, kein Geld. Ich habe beispielsweise Obst und Gemüse aus der Region gekauft, um es auf lokalen Märkten zu verkaufen. Gut war aber, dass viele Familien zu Hause miteinander gebetet haben, als die Kirchen geschlossen waren.

Das war ja trotzdem alles ziemlich heftig. Offensichtlich passieren schlimme Dinge auch guten Menschen. Wie wirst du damit fertig?

Viele Menschen in Goma haben große Mühe, ihr Vertrauen in Gott aufrechtzuerhalten. Ich gehöre nicht dazu und bete aufrichtig weiter. Zum Beispiel: Neulich wurden meine Familie und ich nachts in unserem Haus überfallen. Niemand wurde verletzt. Darin sehe ich ein Eingreifen Gottes. Aber glaube mal nicht, dass das einfach wäre! Gut, wir beten, dass Gottes Wille geschehen möge. Dem ordnen wir uns unter. Aber dann gilt es, das durch unser Handeln sozusagen unter Beweis zu stellen. Alles andere zählt nicht.

Was meinst du damit konkret?

Wir sollten auch in Schwierigkeiten auf Gott vertrauen. Zum Beispiel habe ich immer Geld gespendet. Also außer, wenn ich kein Gehalt bekommen habe. Nach dem Überfall habe ich aus dem Ausland Geld bekommen. Davon habe ich auch abgegeben. Es gibt doch immer Menschen, denen es schlechter geht als einem selbst.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Tom Laengner. Er ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst startete er neu durch als Autor und Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen. Aktuell schreibt er die Kolumne „Out Of The Box“ für das Internetportal Jesus.de. Sein Sohn Nils Laengner schoss die Fotos (nilslaengner.de). Von ihm erschien 2021 das Fotobuch „Orbit 360“.

Zahnarzt Dr. Marcel Cucu (Foto: Tobias Grimm)

Marcel Cucu flüchtet mit drei Jahren aus Rumänien – heute bringt er Menschen als Zahnarzt zum Lachen

Doktor Cucu ist kein normaler Zahnarzt. Seine Praxis ist knallbunt, Humor ist sein Antrieb. Dabei fing sein Leben überhaupt nicht lustig an.

Dr. Cucu kann nicht still sitzen. Er zupft sich sein buntes Hemd zurecht. Lacht herzlich. Ein Blick auf die Uhr. Zeit ist sein wertvollstes Gut. Marcel Cucu ist ein Exot. Denn Cucu heißt sonst niemand in der Schweiz. Aber auch neben der Einzigartigkeit seines rumänischen Nachnamens fällt Cucu auf, hier in Schaffhausen. Er ist Zahnarzt. Nicht für die faulen Zähne, sondern für Zahnspangen. Kieferorthopäde.

Einen Exoten nenne ich ihn an dieser Stelle auch, weil ihm bei einer zufälligen Begegnung wohl kaum jemand den Beruf Zahnarzt zuordnen würde. Und er fällt aus vielen Gründen auf – zum Beispiel mit seiner Zahnarztpraxis, die alles andere als weiß ist.

Lebensfroh heißt farbenfroh

Hellgrün, Orange, Himmelblau – das sind seine Farben. Angefangen beim Brillengestell. Es ist dick. Und knallig. Er habe mehrere davon, sagt er. Heute trägt er die violette. Kunterbunt, so sieht hier alles aus. Lebensfroh heißt hier farbenfroh. Überhaupt erinnert hier kaum etwas an die sonst so sterile Umgebung einer Arzt- oder eben Zahnarztpraxis.

Das Team trägt bunte Shirts, farbige Sneakers und an den Wänden hängen kunterbunte Kuckucksuhren. Jeder Kuckuck schnellt raus aus seinem Häuschen und ruft – zu jeder Stunde, in jedem Raum. Im Hintergrund läuft moderne Kirchenmusik. Eine Praxis voller Gegensätze. „Es gibt in dieser Welt genügend graue Mäuse. Ich will Farbe ins Leben bringen. Die bunten Farben in meiner Praxis sind für mich ein Abbild meiner Haltung zum Leben. Ein Statement für die Lebensfreude.“

Diese Freude zu leben sei für ihn ein lebenslanges Lernfeld. „Bleib so, wie du bist: Dieses Sprichwort ist für mich das schlimmste von allen. Wenn mir das jemand zum Geburtstag wünscht, dann sage ich ihm: Hör auf!“ Marcel Cucu will lernen. Sich entwickeln. Jeden Tag aufs Neue. Dabei lässt er sich gerne vom Leben treiben: „Ich bin ein spontaner Mensch. Dabei gehen manche Türen auf, andere zu. Ich will einfach mal machen, einfach mal losgehen.“

Auf der Flucht

„Ich bin handwerklich nutzlos„, dachte sich Marcel Cucu schon immer. Doch es kommt anders. Heute ist präzises Arbeiten sein Lebenselixier und der Weg dorthin eine Erfolgsgeschichte mit Stolpersteinen. Alles beginnt 1968 in Rumänien. Politische Unruhen plagen zu dieser Zeit das Land. Und so wird aus der Geschichte des kleinen Marcel die Geschichte eines Nomaden.

Seine Eltern müssen flüchten und lassen ihn bei den Großeltern in Rumänien zurück. Via Sowjetunion und Finnland reisen Cucus nach Schweden. Nach einer jahrelangen politischen Odyssee reist Marcel Cucu mit 3,5 Jahren endlich ebenfalls nach Göteborg. Seine Eltern kämpfen sich hoch. Und werden Zahnärzte. Auch Marcel wird Zahnarzt. Trotz Widerstand seiner Eltern.

Nach Südafrika auswandern

Der Arbeitsmarkt in Schweden ist schwierig. Aber Dr. Cucu lässt sich nicht unterkriegen (nicht das letzte Mal in seinem Leben) und sieht diese Herausforderungen als große Chance auf eine bessere Zukunft. So zieht er mit 22 Jahren nach Italien und wandert kurz darauf nach Südafrika aus.

In Pretoria bildet er sich weiter zum Kieferorthopäden. Hier ist er auf sich allein gestellt und die ganz großen Fragen werden laut. Warum bin ich eigentlich auf dieser Welt? Was soll ich tun? Was ist der Sinn des Lebens? Antworten findet er im christlichen Glauben. Das gibt ihm Kraft und Hoffnung.

„Humor hilft immer“

„Humor ist wichtig. Humor hilft immer“, sagt Marcel Cucu. Man müsse lachen können im Leben. Und überhaupt sei Humor der Antrieb in seinem Leben. Er will Menschen zum Lachen bringen. Und ihnen das Lächeln verschönern. An seinem Beruf fasziniere ihn deshalb besonders, dass er Menschen glücklich machen kann. Nach einer zweijährigen Behandlung wird aus einem schrägen Lächeln plötzlich wieder ein gerades.

Im Zentrum: der Mensch, die Begegnung. „Es ist ganz einfach: Mich begeistern Menschen“, sagt Marcel Cucu. „Auch wenn der Alltag in der Praxis mit einer hohen Geschwindigkeit läuft, will ich, dass sich die Patienten gesehen fühlen.“ Auch darum hat er ein fünfköpfiges Team angestellt – das gebe ihm selbst den Raum, sich Zeit für die Menschen zu nehmen. Den Alltag gut zu planen, schafft die Möglichkeit, im Hier und Jetzt zu sein.

Viel zu tun

Cucu ist voller Tatendrang. Rumsitzen ist nicht sein Ding. 7.000 Patientinnen und Patienten hat Dr. Cucu in den letzten 18 Jahren in seiner Praxis behandelt. Zahnärzte haben viel zu tun. Immer mehr. Das sei vor allem der Zahntechnik zu verschulden, die sich in den letzten Jahrzehnten massiv verbessert hat, sagt er. Kieferorthopädische Behandlungen sind heute schmerzfreier und schneller als früher – und günstiger.

Oft kommen Leute in die Praxis mit Rückenbeschwerden oder Migräne. Den Körper müsse man ganzheitlich anschauen. Alles habe einen Zusammenhang, sagt Cucu. Kieferschrägstellungen können chronische Kopfschmerzen auslösen – keine Luxusprobleme. Dabei haben Zähne viel mit Genetik zu tun. Mit einfachen Mitteln könne aber vieles korrigiert werden. Zum Beispiel nach einem Unfall die Zähne wieder in Stellung zu bringen oder eine Lücke mit anderen Zähnen zu schließen.

Freitag ist Frei-Tag

Über 50 Patient/-innen sind für Marcel Cucu normal – pro Tag. Diese Geschwindigkeit des Alltags ist Lust und Last zugleich. „Dauermüdigkeit und Unzufriedenheit – Gefahr für Burnout als Zahnarzt steigt“, titelte das deutsche Dental Magazin kürzlich und bezieht sich auf eine aktuelle britische Umfrage über die Burnout-Rate von Zahnärzten. Stress und Zeitdruck – eine Dauerbelastung. Ärzte – ob Zahnärztinnen oder Mediziner – sind Arbeitstiere. Waren es schon immer.

Schon Ende der 1980er-Jahre kamen Forscher zu dem Ergebnis, dass der Zahnarztberuf mehr Stress und stressbezogene Probleme mit sich bringe als die meisten anderen Berufe. Gerade Zahnärzte hätten ein zu 25 Prozent höheres Herzinfarktrisiko als der Durchschnitt der Bevölkerung. Dass er nicht auch ausbrennen will, dafür hat sich der 54-jährige Dr. Cucu bei der Eröffnung seiner Praxis entschieden. Sein Rezept ist so simpel wie bestechend: „Der Freitag ist mein Frei-Tag.“

Dieser Tag heiße ja nicht umsonst so. Also mache er frei. Und auch seine Praxisassistentinnen haben jeden Freitag den bezahlten Frei-Tag. Gas geben und Pause machen. Das gibt Platz für Relevantes im Leben. Luft zum Atmen. Zeit für die Familie, für sich und Freunde. Ein Tag zum Sein, zum Kochen und Biken. Ohne diesen bewussten Frei-Tag hätte er wohl schon lange einen Burnout, sagt er.

Ein Nomade, der sesshaft wurde

Rumänien, Schweden, Italien, Südafrika, Schweiz. Die Liste ist lang. „Ich fühle mich überall wohl“, sagt Marcel Cucu. Er fühle sich da zu Hause, wo er gerade sei. Seit 22 Jahren ist es nun die Schweiz. Wichtig sind ihm dabei die Menschen. Das zeigen auch die kunstvollen Porträtbilder von Menschen aus aller Welt, welche die Wände zwischen den Kuckucksuhren seiner Praxis zieren: „Ein Lächeln sagt so viel über einen Menschen aus.“

Marcel Cucu ist Geschäftsmann, aber auch ein Menschenfreund. Dass dabei das Streben nach einem ausgeglichenen Leben nicht in Vergessenheit gerät, macht Hoffnung für unsere Gesellschaft. Dieses Fragen nach dem Haben oder Sein und dem Ringen nach einer Haltung für ein besseres Leben erinnert an den Philosophen Erich Fromm, der sagte: „Wenn ich bin, der ich bin, und nicht, was ich habe, kann mich niemand berauben oder meine Sicherheit und mein Identitätsgefühl bedrohen. Mein Zentrum ist in mir selbst.“

Tobias Grimm ist selbstständiger Grafiker, Multimedia-Produzent und freier Journalist. Er lebt mit seiner Frau in Bern. Er mag Fragen, Menschen und den Flugmodus. tobiasgrimm.ch

Sven Hannawald springt Ski vor der Kulisse der Zugspitze. (Foto: Christof Stache)

Sven Hannawald: Skisprungheld stürzt vom Siegerpodest in die Depression

Nach seinem Triumph bei der Vierschanzentournee 2002 holt ein Burnout samt Depression den Skispringer Sven Hannawald ein. Wenn er nicht rechtzeitig in eine Klinik gegangen wäre, würde er heute nicht mehr leben, ist Hannawald überzeugt.

Hallo Sven, nach dem Absprung fliegt ein Skispringer etwa drei Sekunden durch die Luft. Beim Skifliegen sind es sogar acht Sekunden. Wie fühlt sich das an?

Beim Fliegen ist das Schwerelose so besonders. Als Skispringer lebt man den Traum des Menschen, fliegen zu können – ohne Motor. Wir spielen mit den Lüften, das ist unheimlich toll und speziell. Ich wollte immer so weit fliegen wie möglich.

Warst du glücklich, nachdem dein Kindheitstraum in Erfüllung ging und du alle vier Springen der Vierschanzentournee 2002 gewonnen hattest? Vor dir war das noch keinem anderen Skispringer gelungen.

Ich habe jahrelang auf das Ziel, die Tournee zu gewinnen, hingearbeitet. Es war erlösend und befreiend, es geschafft zu haben. Als Erster einen Vierfachsieg zu holen, war unglaublich. Schon als kleiner Junge hatte ich den Traum, die Tournee zu gewinnen. Im Nachhinein habe ich aber auch gemerkt, was ich dafür meinem Körper antun musste. Nachträglich würde ich trotzdem nichts ändern. Der Gewinn war mir wichtiger als eventuelle körperliche Probleme.

„Nach dem großen Erfolg war mir alles zu viel“

Zwei Jahre nach dem Gewinn der Vierschanzentournee und einer Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City 2002 hast du die Diagnose Burnout mit mittelschwerer Depression bekommen. Nach einer Behandlung in einer Spezialklinik hast du 2005 deine Karriere als Skispringer beendet. Wie kam es zu deinem Burnout und der Depression?

Ich bin sehr perfektionistisch und ehrgeizig. Nach einem Springen oder dem Krafttraining habe ich meinem Körper zwar physische Pausen gegeben, aber keine psychischen. Ich habe immer ans nächste Springen gedacht. Das war wichtig, um zu gewinnen, aber es gab keine Balance in meinem Leben. Nach dem großen Erfolg war mir alles zu viel und ich habe mich unheimlich schwergetan, weiter dranzubleiben. Mein Körper hatte dem Erfolg zu viel Tribut gezollt.

Mit welchen Symptomen haben sich der Burnout und die Depression geäußert?

Es hat mit Müdigkeit angefangen. Normalerweise schläft man und geht in den Urlaub, um sich zu erholen. Ich habe mich nach zwei Wochen Urlaub aber immer noch so gefühlt, wie zu dem Zeitpunkt, als ich in den Flieger gestiegen und hingeflogen bin.

Früher hatte ich schon zwei Tage nach Saisonende wieder ein inneres Feuer, mit dem Training anzufangen – um mir einen Vorsprung zu erarbeiten. Von Saison zu Saison wurde der Zeitraum immer größer, bis ich wieder das innere grüne Licht bekommen habe. Da war ich dann in einer mir selbst auferlegten Bringschuld: Eigentlich müsste ich mit dem Training anfangen, aber ich hatte noch gar keine Lust.

Mein „Ich muss jetzt trotzdem trainieren“-Anspruch hat eine Unruhe in mich reingebracht. Ich war komplett überfordert, weil die Unruhe und Abgeschlagenheit sich nicht zurückzogen. Wenn ich nach oder vor einem Wettbewerb in meinem gewünschten Einzelzimmer war und eigentlich meine Ruhe hatte, kam ich mit der inneren Unruhe nicht klar.

„Ich habe anderthalb Jahre lang alle möglichen Ärzte aufgesucht“

Wie bist du mit dieser Unruhe umgegangen?

Ich wurde kirre im Kopf, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte, damit es mir endlich besser ging. Egal, was ich gemacht habe, es wurde nicht besser. Ich hatte gar nicht die Ruhe, mich auszuruhen. Stattdessen bin ich der Unruhe gefolgt und habe eher wieder mehr gemacht, um das Gefühl der Unruhe zu übergehen.

Dann habe ich mich einen Moment gut gefühlt, weil ich was gemacht habe. Der Frust war für kurze Zeit weg, aber ich war dann noch müder. Das war ein Kreislauf, der stetig nach unten ging. Ich habe dann anderthalb Jahre lang alle möglichen Ärzte aufgesucht und keiner hat was gefunden.

Nach dem Ärztemarathon bist du in einer Klinik gelandet. Den Komiker Torsten Sträter hat es viel Überwindung gekostet, sich in Therapie zu begeben. Bei dir scheint das nicht der Fall gewesen zu sein. Warum?

Das lag daran, dass ich aus dem Einzelsport komme. Ich wusste dementsprechend, dass ich zu 140 Prozent fit sein muss oder keine Chance auf einen Sieg habe. Meine damalige Verfassung hat nicht mal für den Continental Cup, also die zweite Liga, gereicht. Ich war 30 und mir war klar, dass ich noch maximal bis 33 Skispringen kann und mir somit die Zeit davonläuft. Deshalb wollte ich keine Zeit verschwenden und das Problem direkt lösen.

„Es war tränenreich“

Wie war es in der Klinik?

Viele sagen: „Oh, bloß keine Klinik! Ich hab ja keinen an der Klatsche!“ Aber ich habe das gleich so gesehen, dass die Klinik wirklich eine neutrale Oase ist, wo ich wieder den Boden unter die Füße bekommen kann. Ich hatte dort viele gute Gespräche, wo auch meine Gefühlsebene zur Sprache kam, die ich in meiner Skisprungkarriere lange wegdrücken musste.

In der Klinik konnte ich meinem Körper und meiner Seele das geben, was sie gebraucht haben – ohne Leistungsdenken. Es war tränenreich, aber hat sich unglaublich gut angefühlt. Nach fünf Wochen war ich wieder bereit für die große weite Welt. Ich habe mich wieder gespürt und Lust gehabt, etwas zu unternehmen. Es war neues, frisches Leben in mir.

Welchen Wert misst du Freundschaften im Kampf gegen Depressionen bei?

Es ist unheimlich wichtig, Vertrauenspersonen wie Freunde und Familie zu haben, denen man sich öffnen kann. Man hat oft das Gefühl, ein Verlierer des Lebens zu sein, was aber überhaupt nicht so ist. Dementsprechend sind enge Vertraute wichtig, die einem Rückhalt geben. Meistens ist das Umfeld aber überfordert damit, alles aufzufangen und in die richtige Richtung zu arbeiten. Da gilt es dann, professionelle Hilfe zu suchen.

„Das kann nur jemand nachvollziehen, der eine Depression erlebt hat“

Der Fußball-Torwart Robert Enke nahm sich 2009 das Leben. Er hatte seit 2002 immer wieder Depressionen – hervorgerufen durch Versagensängste und Selbstzweifel. Hätte es bei dir ebenfalls so enden können?

Ja. Definitiv. Wenn ich 2004 noch mal sechs Jahre mit Skispringen weitergemacht hätte, dann wäre ich mit Sicherheit an diesen Punkt gekommen. Das kann nur jemand nachvollziehen, der eine Depression erlebt hat. Man will das ganze Psychische, was in einem rumfliegt, einfach nur loswerden. Bei mir war es nur eine kurze Zeit, wo ich das so extrem gemerkt habe. Ich bin dann zum Glück dem Rat meiner Ärzte gefolgt und in eine Klinik gegangen.

Nachdem du aus der Klinik raus warst, bist du noch einige Jahre in Therapie gegangen. Wann hast du dich wieder gesund gefühlt?

Mir hat es geholfen, mit dem Rennsport wieder eine Aufgabe zu finden. Skispringen konnte ich nicht mehr, weil mein Körper jedes Mal in der Nähe einer Schanze Stresssignale ausgesandt hat. Der Rennsport war das letzte Puzzleteil, um mich wieder glücklich zu fühlen.

Ich habe eine Aufgabe gebraucht. Davor hatte ich nichts, wo ich gemerkt habe, dass ich für etwas geschaffen bin. Ich bin morgens aufgestanden, habe den Tag genossen, gegessen und bin wieder ins Bett. Ohne Aufgabe ist es für einen Menschen einfach schwierig zu leben.

„Zeit mit meiner Familie hat Priorität“

In deinem Buch „Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben“ schreibst du, dass du jetzt auf einem soliden Fundament stehst. Was ist dein Fundament?

Meine Familie. Meine Frau und meine beiden Kinder, die ich als meine Oase ansehe. Darauf baue ich jetzt alles auf. Zeit mit meiner Familie hat Priorität. Wenn Termine mit Familienzeit oder Urlaub kollidieren, sage ich sie ab oder verschiebe sie.

In einem Welt-Interview hast du gesagt, dass du gläubig bist. Welche Rolle hat der Glaube in deinem Heilungsprozess gespielt?

Und wie wichtig ist er für dich heute? Ich bin in Ostdeutschland aufgewachsen, da war Kirche kein großes Thema. Trotzdem glaube ich, dass jemand auf mich aufpasst, mir so ein bisschen auf der Schulter sitzt und gewisse Dinge zulässt oder auch nicht. Das gibt mir das Gefühl, nicht allein zu sein, sondern meinen Weg gemeinsam mit jemand anderem zu gehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte MOVO-Volontär Pascal Alius.

 

Anlaufstellen bei Depressionen:

Grundsätzlich ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner für die Diagnostik und Behandlung von Depressionen. Bei Bedarf überweist er an einen Facharzt bzw. psychologischen Psychotherapeuten. In Notfällen, z. B. bei drängenden und konkreten Suizidgedanken, bitte an die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter der Telefonnummer 112 wenden. Der Sozialpsychiatrische Dienst bietet Beratung und Hilfe für Menschen mit psychischen Erkrankungen und deren Angehörige an.

www.deutsche-depressionshilfe.de
www.143.ch
www.depression.at

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Do-it-yourself: Warum müssen immer noch alle Männer Heimwerker sein?

Zwei linke Hände gleich halbe Portion? Von Männern wird handwerkliches Geschick erwartet. Martin Buchholz meint: Meine Schuhe mache ich doch auch nicht selber.

Sagen wir gleich, wie es ist: Ich bin nicht mit Hammer und Meißel zur Welt gekommen. Ich kann nicht löten und schweißen, kann weder Fliesen noch Parkett verlegen. Und verspürte auch noch nie das Bedürfnis, es mit blutigen Fingern zu lernen. Damit hatte ich selber auch nie ein Problem. Bis ich merkte: Echte Männer müssen so was können.

In unserem Land ist das nämlich so: Du kannst als Mann den Nobelpreis für Physik gewinnen, als Hirnchirurg täglich Leben retten oder Bundeskanzler sein – wenn du daneben nicht auch noch ein gewiefter Hand- und Heimwerker bist, giltst du in den Augen der Gesellschaft als halbe Portion. Das ist statistisch zwar nicht messbar, aber erfahrbar.

Mitleidige Blicke ernten

In dem leisen Schmunzeln und den unverhohlen mitleidigen Blicken, die meine Frau und ich ernten, wenn wir im Freundeskreis eine Geschichte wie diese erzählen: Der billige Plastik-Siphon unter unserer Spüle rutschte immer wieder nach einigen Tagen aus seiner Fassung, weil die Mülleimer, die davor standen, permanent dagegen drückten. Monatelang haben wir das Teil wieder notdürftig reingeschraubt (ja, das habe ich irgendwie selber gemacht), bis es sich wenig später wieder löste. Dann bestellten wir einen Handwerker.

Er hörte sich das Dilemma an, schmunzelte kurz und sägte dann vier Zentimeter von dem Siphon ab. Seitdem hält das Teil. Unsere große Erleichterung konnten unsere Freunde nur bedingt nachvollziehen: „Äh, und für so eine Lappalie lasst ihr extra einen Handwerker kommen?!“

Heimwerken: Sexy, aber nicht ohne Risiko

Ja, sicher! Weil er weiß, wie es geht. Selbermachen gilt zwar als sexy, ist aber nicht ohne Risiken, wie ich leidvoll erfuhr, als ich einmal den Fehler beging, es doch zu versuchen: Ich habe unsere Garderobe im Flur eigenhändig an die Wand gedübelt. Hat sogar gehalten. Drei Tage lang. Dann bröselte mir die Garderobe aus der nassen Wand wieder entgegen. Dass keine zwei Zentimeter unter dem billigen Putz unser Abflussrohr verlief, hatte mir keiner gesagt. Wir taten, was wir gleich hätten tun sollen, und bestellten einen Handwerker.

Warum auch nicht?! Das sind Fachleute, die diesen Beruf gelernt haben. Ich nicht. Meine Schuhe mache ich doch auch nicht selber. Ich verdiene Geld mit Filmemachen, Liedern und Geschichten, damit ich andere für das bezahlen kann, was sie gut beherrschen. Dieses Prinzip der modernen Arbeitsteilung leuchtet doch auch den meisten ein; nur nicht in Sachen Heimwerker. Da hält sich hartnäckig das archaische Klischee, dass „Mann“ so was eben kann.

Handwerklich begabte Freunde fragen

Zum Glück bin ich seit über 30 Jahren mit einer Frau verheiratet, die meine Heimwerker-Phobie geduldig, tapfer und lösungsorientiert erträgt. Der britische Schriftsteller George Bernard Shaw hat gesagt: „Gute Freunde sind Gottes Entschuldigung für schlechte Verwandte.“ Meine Frau pflegt hingegen zu sagen: „Handwerklich begabte Freunde sind Gottes Entschuldigung für meinen Ehemann!“ Womit ich die haushaltsinterne Lösung vieler unserer Baustellen bereits angedeutet habe. Wir wägen einfach jedes Mal ab: Bestellen wir gleich einen Profi – oder fragen wir einen Freund? Letzteres ist natürlich heikel. Wer will schon ständig seinen Freunden mit so was auf die Nerven gehen? Und vor allem: Wie bedanken wir uns hinterher angemessen?

Diese Frage wurde besonders drängend, nachdem meine Frau schon vor über 20 Jahren ihren befreundeten Arbeitskollegen Friedhelm gebeten hatte, uns beim „Ausbau“ unseres neuen Reihenhauses zu helfen. Was Friedhelm gerne und mit – für mich völlig unvorstellbarer – Fachkompetenz dann auch tat. Zum Dank tat ich das, was ich eben besser kann, und schrieb ein Lied für ihn, auf die Melodie des Beatles-Klassikers „Help“. Wer mitsingen möchte, bitteschön:

Friedhelm-„Help“-Song

„Als ich noch jünger war, da dachte ich bei mir: Wenn was kaputtgeht, dass ich das alleine reparier‘. Doch heut‘ weiß meine Frau, dass ich das gar nicht kann. Und immer dann, wenn Not am Mann ist, ruft sie einen an:

Hilf uns, lieber Friedhelm, wir sind down! Bitte hilf den alten Schrank zusamm’nzubau’n. Hilf, bevor mein Mann und ich uns hau’n. Won’t you please, please help me!

Vor Jahren zogen wir in unser Reihenhaus. Wir kannten einen, der kennt sich mit so was bestens aus. Er brachte Lampen an, hat Schalter installiert. Ein echter Mann, der so was kann – und mich damit blamiert.

Hilf uns, lieber Friedhelm, beim Parkett. Komm, verlege unser’n Boden, Brett für Brett! Hilf uns, lieber Friedhelm, sei so nett! Won’t you please, please help me!“

Peinlichkeitsschwelle überwinden

Ja, natürlich gibt es in unserem handwerkerlosen Haushalt jedes Mal auch eine gewisse Peinlichkeitsschwelle zu überwinden, bevor wir dann eben doch um fachkundige Hilfe bitten. Die Folge davon lautet bei uns: Nichts hält länger als ein Provisorium. Unser schönes Holzbett zum Beispiel. Das wurde an den vier Ecken von so kleinen Holzstiften zusammengehalten, die einfach ineinander geschoben waren. Verklebt haben wir sie nie, weil wir dachten, dass wir die Teile dann ja nie wieder getrennt kriegen.

Nun ja, die Konsequenz war, dass auf meinem Nachttisch immer ein Gummihammer lag, mit dem wir alle paar Tage die Holzteile des Bettes wieder zusammengeklopft haben. Als wir dann schließlich doch einen Handwerker kommen ließen und der sich das Ganze ansah, war es um seine Fassung geschehen. Er stammelte nur noch „Entschuldigung!“ und bog sich vor Lachen. Dann verklebte er die Teile („Kein Problem, das Bett kriegen Sie trotzdem später wieder zerlegt“), presste das Ganze mit riesigen Schraubzwingen zusammen und fertig.

Unfallfrei und gesund

Ich höre im Geiste schon, wie sich alle gewieften Heimwerker nun beim Lesen amüsiert auf die Schenkel klopfen. Macht nichts. Damit komme ich klar. Und gebe zu bedenken, was mir aufgrund meines mangelnden Talents alles erspart bleibt: Ich bin noch nie beim Lampen-Fixieren von der Leiter gefallen, habe mir noch nie beim Brettersägen einen Finger amputiert oder beim Reparieren der Waschmaschine den Keller geflutet.

Denn wenn eines beim archetypischen Heimwerker-Mann kein Klischee, sondern Realität ist, dann ist das seine Neigung zur chronischen Selbstüberschätzung mit unabsehbaren Folgen für die Gesundheit. Aus welcher frühen Epoche der Evolution die stammt, mögen die Verhaltensforscher erklären. Jedenfalls ist es wohl kaum genetisch bedingt, wenn Mädchen mit Puppen spielen und kochen lernen, während Jungs irgendwas bauen und basteln. Der Handwerker, der vor Jahren fachkundig unseren Herd reparierte, war übrigens eine Handwerkerin. Wer hätte das gedacht?

Auch Kochen braucht „handwerkliches“ Geschick

Andererseits soll es ja immer noch Männer geben, die zwar hobbymäßig ohne Probleme ein ganzes Dach gedeckt kriegen, aber am Herd schon mit Spiegeleiern vollkommen überfordert sind. Da bin ich jetzt mal aus dem Schneider. Koch ist zwar offiziell kein Handwerksberuf, erfordert aber durchaus „handwerkliche“ Erfahrung.

Ich weiß, wovon ich rede. Ich koche nämlich oft – und gut! Meint zumindest meine Frau. Im post-emanzipatorischen Zeitalter des 21. Jahrhunderts stellt sich darum die Frage: Warum müssen immer noch alle Männer Heimwerker sein und alle Frauen kochen können?

Martin Buchholz ist ein leidenschaftlicher Erzähler. Als Filmemacher in seinen TV-Dokumentationen für ARD und ZDF, als Songpoet und Referent in Konzerten und Gottesdiensten. Der studierte Theologe lebt mit seiner Frau in Rösrath bei Köln. (martinbuchholz.com)

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Geschichtsstunde: Wie ein spanischer Mönch Menschenrechte für Indios erkämpfte

Der Mönch Bartolomé de Las Casas ist Militärgeistlicher der spanischen Eroberer Südamerikas. Als er ein Massaker an den Indios miterlebt, bricht Las Casas mit seinem bisherigen Leben.

„Sie wetteten darauf, wer einen Menschen mit einem einzigen Schwertstreich durchschlagen könne. Die Christen entrissen den Indianern ihre Weiber, bedienten sich ihrer und misshandelten sie. Neugeborene packten sie von den Brüsten ihrer Mütter und schleuderten sie gegen die Felsen. Sie bauten breite Galgen, an die sie zu Ehren des Erlösers und seiner zwölf Apostel immer dreizehn Indianer aufhingen und bei lebendigem Leib verbrannten. Dies habe ich mit eigenen Augen gesehen.“

In Mutters Bäckerei in Sevilla herrscht helle Aufregung, als Papa Pedro und Onkel Francesco im Juni 1496 zurückkehren. Von Christoph Kolumbus‘ zweiter Seereise. Sie waren dabei! In „Hispaniola“, dem heutigen Haiti, hatte Kolumbus 550 versklavte Einheimische an Bord geladen, die Hälfte starb bei der Überfahrt. Jetzt schenkt der berühmte Kapitän der Familie Las Casas einen 14-jährigen „Indianer“. Der Junge ist gleich alt wie Bartolomé. Die beiden freunden sich an.

Zur Strafe Hände abhacken

1502 reist Bartolomé selbst nach Haiti, weil jungen Siedlern dort Landbesitz und Goldfunde versprochen werden. Entsetzt sieht er mit an, wie lokalen Scouts, die ohne Gold aus den Bergen zurückkehren, die Hände abgehackt werden. Statt Bergbau und Landwirtschaft betreibt Bartolomé lieber Theologie und wird 1507 zum Priester geweiht.

Als Feldkaplan spanischer Truppen nimmt er an der Eroberung Kubas teil und hört 1511, wie ein Missionar dem zum Tode verurteilten Indio-Häuptling Hatuey anbietet, noch auf dem Scheiterhaufen getauft zu werden. „Komme ich dann in den Himmel?“, fragt der Todgeweihte. „Ja.“ „Zu den anderen derartig grausamen Christen? Nein, dann will ich lieber in die Hölle.“

Schlimmes Massaker sorgt für Sinneswandel

Als Bartolomé de Las Casas eins der schlimmsten Massaker am Volk der Taínos miterlebt, hört er am ersten Adventssonntag 1511 den Dominikanermönch Antonio de Montesinos predigen. „Mit welchem Recht haltet ihr die Indios in einer so grausamen Knechtschaft? Mit welcher Befugnis habt ihr dieses Volk in ungezählter Menge gemartert und gemordet?“ Der Militärgeistliche der spanischen Eroberer ist tief getroffen.

Bei der Vorbereitung einer eigenen Predigt zu Pfingsten 1514 liest Bartolomé einen Vers aus dem Buch Jesus Sirach 34,25-27: „Kärgliches Brot ist das Leben der Armen und wer es ihnen raubt, ist ein Blutsauger. Den Nächsten mordet, wer ihm den Lebensunterhalt entzieht und Blut vergießt, wer ihm den Lohn raubt.“ Ab jetzt ist ihm klar: Er wird als Priester niemandem die Beichte abnehmen und die Sündenvergebung zusprechen, der Sklaven hält. Die Konquistadoren und Plantagenbesitzer sind empört.

Für Rechte von Sklaven kämpfen

Las Casas „schenkt“ seine eigenen Sklaven dem Gouverneur von Kuba, reist 1515 nach Spanien zurück und erwirkt in einem Gespräch mit König Ferdinand ein neues Gesetz, das ausreichende Ernährung und medizinische Versorgung für die Indios vorschreibt. Ferdinands Thronfolger Kaiser Karl V. ernennt ihn 1516 zum „Prokurator aller Indios in Westindien“.

Karl V. übereignet Las Casas 1520 per Vertrag „das Festland südlich der Inseln“ – was mangels geografischer Kenntnisse so gut wie ganz Südamerika wäre. Als Bartolomé 1521 an der Küste von „Klein Venedig“ (Venezuela) ankommt, haben aufständische Indios nicht nur viele Siedler und Sklavenfänger, sondern auch alle Mönche ermordet. Sein Plan einer friedlichen Missionierung und Koexistenz der Völker ist gescheitert.

Großen Erfolg feiern

Die einzige Kopie des Bordbuchs von Christoph Kolumbus‘ Seereise 1492 besitzt – Bartolomé de Las Casas! Er beginnt, die verharmlosenden Berichte des gefeierten „Entdeckers“ zu kommentieren und eine „Geschichte der indigenen Völker Neuspaniens“ zu schreiben. 1521 zerstört Hernán Cortés das Aztekenreich, 1532 unterwirft Francisco Pizarro die Inkas in Peru.

Bartolomé kennt beide Völkermörder persönlich, reist nach Tenochtitlan und Machu Picchu und plädiert in seiner Schrift „Kurzgefasster Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder“ für vieles, was wir heute „Menschenrechte“ nennen. Endlich: 1542 erlässt Kaiser Karl V. das gesetzliche Verbot, Einheimische zu versklaven, und ernennt 1543 Las Casas zum „Bischof von Chiapas“ in Mexiko. Damit ist er zwar hochgeehrt, aber auch politisch kaltgestellt.

1546 kehrt er nach Spanien zurück, erwirkt ein gesetzliches Ende aller Eroberungsfeldzüge in Südamerika und stirbt am 18. Juli 1566 in Atocha bei Madrid. Als Chronist des Völkermords und erster Historiker und Theologe, der Sklaverei als Sünde und Verbrechen brandmarkte, wurde der „Apostel der Indios“ noch bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts von spanischen Rechten als „größenwahnsinniger Paranoiker und Beleidigung Spaniens“ bezeichnet.

Andreas Malessa ist Hörfunkjournalist in der ARD, Theologe, Buchautor satirischer Kurzgeschichten, Referent und Moderator auf Veranstaltungen mit religiös-kulturellen, kirchlichen und sozialethischen Themen. Aktuell sind von ihm erhältlich die Titel „111 Bibeltexte, die man kennen muss“ (emons) und „Am Anfang war die Floskel“ (bene!).

Die Gründer von Feuerwear, Martin und Robert Klüsener. (Foto: Feuerwear)

Upcyling von Feuerwehrschläuchen: „Es geht um das Überleben der Menschheit“

Die Brüder Martin und Robert Klüsener vom Kölner Modelabel Feuerwear hauchen gebrauchten Feuerwehrschläuchen neues Leben ein. Für die beiden geht es bei Nachhaltigkeit um Leben und Tod.

Feuer! Blaulicht. Sirenen heulen. Die Rauchwolke ist weithin sichtbar. Feuerwehrleute springen aus dem Löschgruppenfahrzeug. Beißender Rauchgeruch liegt in der Luft. Das Feuer knistert schon lange nicht mehr – es brüllt. Jetzt heißt es: Überblick verschaffen und Wasserversorgung sicherstellen.

Die Feuerwehrleute rollen Feuerwehrschläuche über den Asphalt und setzen ein Standrohr am nächstgelegenen Hydranten. Kein Wasser! Beim nächsten Hydranten: gleiches Problem. Das Wasser aus dem Tanklöschfahrzeug ist schon längst leer. Das Feuer breitet sich weiter aus. Geschafft: Beim dritten Hydranten kommt endlich Wasser. Der Feuerwehrschlauch dehnt sich aus und die Löscharbeiten können beginnen. So erging es der Feuerwache 2 in Bochum beim Dachbrand einer Turnhalle – zum Glück waren Ferien.

Alte Feuerwehrschläuche werden verbrannt

Damit das Wasser sicher vom Hydranten zum Feuer kommt, werden die Schläuche nach jedem Einsatz kontrolliert. Bei undichten Stellen oder wenn die vorgeschriebene Gebrauchszeit überschritten ist, werden sie aussortiert – meist nach acht bis zwölf Jahren. Die Reparatur ist teurer als die Entsorgung, weshalb die Schläuche normalerweise verbrannt werden. Manche haben das Glück, dieser Ironie des Schicksals zu entgehen.

Diese Feuerwehrschläuche landen im Kölner Nordosten beim Modelabel Feuerwear. In einem kleinen, gelben, unscheinbaren Gebäude schenken die Brüder Martin und Robert Klüsener diesen ausgemusterten Feuerwehrschläuchen ein zweites Leben. Aus ihnen entstehen seit 2005 Rucksäcke, Geldbeutel und (Fahrrad-)Taschen. Pro Jahr verarbeitet Feuerwear 15 Tonnen und 30 Kilometer an Schlauch – aneinandergereiht reicht das für die Strecke von Köln bis nach Bonn.

Es ist auf den ersten Blick erkennbar, dass Martin und Robert Brüder sind. Beide haben rötliches Haar sowie einen rötlichen Bart, tragen eine Brille und legere Kleidung. Seit 2008 arbeiten die beiden zusammen und genießen es: „Es ist halt dein Bruder. Der verzeiht dir auch mal, wenn du ‘nen schlechten Tag hast. Der weiß, wie er das einzuordnen hat, weil er dich schon länger kennt“, meint Robert. Er ist fürs Marketing zuständig und Martin für die Produktentwicklung.

„Mir hat Martin immer die Hosen gekürzt“

Martin experimentierte schon als Schüler mit der Nähmaschine seiner Eltern. „Mir hat Martin immer die Hosen gekürzt. Macht er heute nicht mehr!“, sagt sein Bruder Robert lachend. „Heute kostet es zehn Euro beim Änderungsschneider.“ Er sei schon immer mehr Praktiker als Theoretiker gewesen.

In seiner Diplomarbeit beschäftigte Martin sich mit dem Thema Upcycling und Mode. Anfangs dienten alte Windsurfsegel als Material – die waren jedoch schwer zu beschaffen und kamen oft aus aller Welt, was dem CO2-Fußabdruck wenig dienlich war. Schnell wechselte Martin auf ausrangierte Feuerwehrschläuche und fand darin das perfekte Ausgangsmaterial: robust, nachhaltig und einzigartig. Seine Mission: Zeigen, dass umweltbewusste Mode auch stylisch sein kann.

Material von Feuerwehrschläuchen untrennbar miteinander verbunden

Martin und Robert bekommen die alten Feuerwehrschläuche in großen Gitterboxen angeliefert – direkt aus einer der 98 Feuerwachen, mit denen sie zusammenarbeiten. Ein Feuerwehrschlauch besteht aus einem inneren Gummischlauch, Festkleber und einem gewobenen Mantel aus Polyesterfasern. Die Materialien werden untrennbar miteinander verbunden. Der Mantel verhindert, dass der innere Schlauch platzt.

Je nach Größe müssen die Schläuche einen Prüfdruck von 25 bar aushalten. Die meisten schaffen auch einen Wasserdruck von 50 bar, ohne zu platzen – 50 bar Druck herrschen in einer Wassertiefe von 500 Metern. Außerdem ist ein Feuerwehrschlauch 15-mal reißfester als ein Gartenschlauch: Mit ihm kann ein 15 Tonnen schwerer Feuerwehreinsatzwagen abgeschleppt werden.

Probieren geht über Studieren

Ein Jahr vergeht, bis Feuerwear ein neues Produkt ins Sortiment aufnimmt. In dieser Zeit wird „poliert, poliert, poliert“, wie Martin es nennt. Neben ihm ist vor allem Philomena dafür zuständig, Prototypen zu entwickeln. Direkt nach Abschluss ihres Studiums 2017 fing sie an, bei Feuerwear zu arbeiten. Während Philomena erzählt, steht sie an einem großen Holztisch. Darauf verteilt liegen verschieden große Stücke Feuerwehrschlauch sowie eine Fahrradtasche, an der sie gerade arbeitet. Rechts von ihr stehen zwei Nähmaschinen.

Philomena zeichnet kaum Entwürfe am Computer. Sie näht einfach drauflos und probiert aus. Bei einem so besonderen Material wie Feuerwehrschläuchen gehe das nicht anders, meint sie: „Man wird immer wieder überrascht. Sachen klappen nicht, wo man denkt, das sollte funktionieren. Es gibt immer wieder neue Herausforderungen. Langweilig wird es nie.”

„Ich hatte ein bisschen Angst, dass er piept“

Vor Kurzem sollte Philomena eine Meldertasche entwickeln und musste erst mal recherchieren, welche Melder genutzt werden. Melder sind kleine Geräte, die Feuerwehrleute von der Freiwilligen Feuerwehr am Gürtel tragen und über die sie im Brandfall alarmiert werden.

Ein Feuerwehrmann aus der Geräteprüfung der Feuerwache 4 in Köln erklärte ihr die gängigsten Melder: von Tetra Pager über Quattro S. Außerdem lieh er ihr einen Melder für zwei Stunden aus. „Ich hatte ein bisschen Angst, dass er piept. Ist aber nix passiert“, meint Philomena lachend. Anhand des Melders formte sie ein Modell der Meldetasche.

Gewichte scheuern mehrere tausend Mal über Produkte

Steht der Prototyp, kommt er ins Labor. Dort scheuern Gewichte mehrere tausend Male über ihn. „100.000 Scheuertouren nach Martindale halten unsere Produkte aus“, sagt Philomena. Sie nutzt die Produkte von Feuerwear auch selbst im Alltag. „Der Vorteil der Produktentwicklung ist natürlich, dass man die Produkte als Erstes testen muss“, meint sie lachend.

Ihr Lieblingsprodukt ist die Bauchtasche „Ollie“. Die bestehe im Vergleich zu anderen Produkten aus mehr Gewebe und weniger Schlauch. Oder in Martins Worten: Sie ist nicht so komplett „schlauchig“.

Über 500 Gitterboxen mit etwa 15.000 aussortierten Schläuchen

Hat der Prototyp die Testphase erfolgreich bestanden, beginnt die Produktion. Damit aus einem Feuerwehrschlauch ein Rucksack wird, muss er erst einmal in Stücke geschnitten werden. Dafür kommt der Schlauch in die Werkstatt für beeinträchtigte Menschen der Sozial-Betriebe-Köln (SBK). Dort stehen aktuell über 500 Gitterboxen mit etwa 15.000 aussortierten Schläuchen.

Ein Feuerwehrschlauch wird im Laufe seines Lebens durch jede Menge Dreck gezogen, deshalb reinigt die SBK die Schlauchstücke mit umweltverträglichen Waschmitteln aus nachwachsenden Rohstoffen. Die Industriewaschmaschinen sitzen in einem speziellen Betonsockel, der in den Hallenboden eingelassen ist, um die Wucht des Schleuderwaschgangs abfangen zu können.

Ist Upcycling nachhaltig?

In den Anfangszeiten von Feuerwear war noch nicht bekannt, wie nachhaltig Upcycling von Feuerwehrschläuchen wirklich ist. Es gab keinerlei Studien. Deshalb erstellte der TÜV Rheinland 2012 eine Ökobilanz für Feuerwear. „Wir waren ganz erleichtert, als wir gesehen haben, dass die Theorie stimmt und wir sogar ‘ne ganze Menge an CO2 einsparen. Das war gar nicht so klar am Anfang“, sagt Robert. Trotzdem versuchen sie, noch nachhaltiger zu werden.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Der größte Hebel sei die Bausubstanz eines Hauses und die Energie, meint Robert. Demnächst wird die Feuerwear-Zentrale umgebaut, dann besteht dort die Chance auf nachhaltige Veränderung. Strom und Gas bezieht die Firma von Green Energy, einem Greenpeace-Tochterunternehmen.

Produkte sollen noch nachhaltiger werden

Ein weiterer Hebel, um die Ökobilanz von Feuerwear zu verbessern, sind die Zusatzmaterialien des Rucksacks: PVC-Planen, Gurtbänder, Schnallen. „Unser Ziel ist es, möglichst viele Bestandteile unserer Produkte aus nachhaltig gefertigten und recycelten Rohmaterialien herzustellen – angefangen bei den Materialien mit dem größten Einfluss auf die Ökobilanz“, sagt Robert.

Es sei wichtiger, erst mal recycelte PVC-Plane für die Rückseite des Rucksacks zu finden, als nach nachhaltigem Nähgarn Ausschau zu halten. Die PVC-Plane und die Gurtbänder kommen aus der Autoindustrie.

Zu faul zum Autofahren

Die Zusatzmaterialien werden zusammen mit den Schlauchstücken zu den Nähereien nach Serbien geliefert. In Deutschland gibt es keine Nähereien mehr, die mit handgeführten Nähmaschinen arbeiten. Da Feuerwehrschläuche besonders robust sind, ist das aber nötig. CO2-Emissionen, die durch Transport und Versand entstehen, gleicht Feuerwear über Klimaprojekte aus.

Privat setzen Martin und Robert beim Transport ebenfalls voll auf Nachhaltigkeit: Beide fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit. „Ganz ehrlich, ich bin eigentlich nur zu faul, in der Stadt mit dem Auto zu fahren“, erzählt Robert. Den Dienstwagen seines vorherigen Arbeitgebers hat er damals freiwillig zurückgegeben. Auf der Suche nach einem Parkplatz ist Robert zwei Wochen lang jeden Abend eine halbe Stunde um den Block gefahren – und nachher trotzdem im Halteverbot gelandet. Das wurde ihm zu teuer.

Klimaschutz: „An den süßen Robbenbabys, da sind wir schon lang dran vorbeigeschrammt“

Aus den Nähereien in Serbien kommen die fertigen Rucksäcke ins Zentrallager und dann zum Kunden. Ein großer Teil der Käufer hat selbst häufig mit Feuerwehrschläuchen zu tun: Sie sind Mitglieder von Freiwilligen Feuerwehren. „Das ist ein Typ Mensch, der sich echt für andere reinhängt“, sagt Robert.

Reinhängen ist seiner Meinung nach auch beim Klimaschutz nötig. Für Robert ist es eine Frage von Gerechtigkeit, in welchem Zustand er die Welt seinen Kindern hinterlässt. „Das ist das Gleiche, wie wenn ich jemandem meinen Mist in den Vorgarten kippe“, sagt er. Die Politik muss reagieren, findet er. Nachhaltigkeit ist für ihn und seinen Bruder Martin eine Frage von Leben und Tod: „Ganz ehrlich: An den süßen Robbenbabys, da sind wir schon lang dran vorbeigeschrammt. Es geht um das Überleben der Menschheit.“

Roy Gerber mit seinen Hunden. (Foto: Reto Schlatter)

Roy schmeißt sein Millionärs-Dasein hin – und wird Therapiehundeführer

Roy Gerber besitzt einen BMW, eine Yacht und drei Firmen. Durch seine Golden Retriever-Hündin Ziba verliert er alles – und ist glücklicher als zuvor.

Als Inhaber von drei gutgehenden US-Firmen fährt er einen 7er-BMW, wohnt an der südkalifornischen Pazifikküste, lebt aber meist auf seiner Yacht in Huntington Beach. Er hat den Pilotenschein, besucht gern Pferderennen und lässt bei Frauen nichts anbrennen. Seine Chauffeur-Agentur „Private Driver“ ist in Hollywood beliebt und so feiert Roy Gerber bisweilen mit Sandra Bullock, Cameron Diaz oder den Spielerstars der Baseball- und Football-Szene. Bis er zufällig eines Samstagnachmittags einer alten Dame hilft, Heliumgas-Flaschen in ihren Kofferraum zu wuchten.

Im zweiten Anlauf schafft Gerber das Therapiehundeführer-Zertifikat

„Mit dem Helium blasen wir Luftballons auf. Unsere Gemeinde feiert eine Geburtstagsparty für sexuell missbrauchte Kinder. Kommen Sie doch mit“, sagt die Oma. Als Roy dort seine junge Golden Retriever-Hündin Ziba aus dem Auto springen lässt, ist sie bei den Kindern sofort der Star des Nachmittags.

Ein Hundetrainer fragt, ob er das Tier auf seine Eignung als Therapiehund testen dürfe. Roy ist einverstanden, nimmt an der Prüfung teil. Ergebnis: „Ziba könnten wir sofort gebrauchen. Sie nicht.“ Der ehrgeizige Unternehmer und gebürtige Schweizer nimmt das als Kampfansage. Im zweiten Anlauf macht er das Therapiehundeführer-Zertifikat.

Er lernt Leute der „Mariners Church“ kennen, im Gottesdienst singt ein Gospelchor, der Pastor predigt über Ehekrach und Vergebung. Roy Gerber hat eine geplatzte Verlobung hinter sich und wurde vor Kurzem von seiner neuen Freundin verlassen. „Meine Tränen flossen nur so und doch war ich dabei zutiefst glücklich. Der Gesang des Chores ließ eine geistliche Atmosphäre entstehen, die mich ins Herz traf und meine Sehnsucht nach Gott weckte.“

„Versprichst du mir, dass du dich um Kinder wie mich kümmerst?“

Auf einer Sommerfreizeit für sexuell missbrauchte Kinder im Schulalter – organisiert vom Verein „Ministry Dogs“ der „Mariners Church“, die Mitarbeitenden sind Kinderärzte, Traumatherapeutinnen, ein ehemaliger Undercover-Ermittler des FBI und viele Ehrenamtliche – dürfen die Kinder und Teenies „Briefe an Ziba“ schreiben und die Umschläge offen lassen oder zukleben. In zugeklebten Umschlägen liest sie niemand, auch nach der Freizeit nicht.

Die Briefe in den offenen Kuverts darf Roy Ziba „vorlesen“. Was da an Elend und Schmerz, Demütigungen und sexuellem Sadismus angedeutet wird oder zu lesen ist, reißt ihn endgültig heraus „aus dem ganzen Unternehmer-Tralala und Karriere-Bling-Bling“. Am Abfahrtstag des Sommerlagers – keins der Kinder will nach Hause – steckt ein Mädchen eine rote Feder in Zibas Halsband und sagt zu Roy: „Versprichst du mir, dass du dich um Kinder wie mich kümmerst?“ Es ist sein Berufungserlebnis. „I promise, I promise!“, ruft er heulend dem abfahrenden Bus hinterher.

Vom Millionär zum Tellerwäscher

Roy und sein Hund werden bei Überlebenden kalifornischer Waldbrände, in der Notfallseelsorge der Verkehrspolizei, in Altersheimen und Krankenhäusern therapeutisch eingesetzt. Was für ihn mehr Sinn macht, als Luftfilteranlagen und orthopädische Betten zu importieren oder Promis durch L.A. kutschieren zu lassen.

Mister Gerber verschenkt seine Betten-Importfirma und die „Private Driver“-Agentur an seine Mitarbeiter, weil er weiß: Der Verkauf der Luftfilter-Firma wird ihm Millionen bringen. Doch obwohl seine Anwälte und Banker wasserdichte Kaufverträge ausarbeiten, wird „Air Cleaning Solutions“ nach vier Jahren Rechtsstreit ein Raub mexikanischer Wirtschaftskrimineller.

„Ich hatte als 23-Jähriger in der Schweiz manchmal 35.000 Franken im Monat verdient. Jetzt, mit 39, waren die Millionen futsch und ich ganz unten angekommen.“ Er jobbt bei einer Cateringfirma, studiert Theologie, wird zum „Chaplain“ seiner Gemeinde ordiniert – „Krankenbesuche kannte ich ja, aber Trauungen und Beerdigungen musste ich erst lernen“ – und gründet das „Chili Mobile“ für Obdachlose und Drogenabhängige, eine fahrende Essensausgabe.

Zurück in die Heimat

„Gott bläst einem ja nicht mit dem Alphorn ins Ohr. Er bevorzugt leise Töne“, sagt Roy, als er während einer Gebetszeit dem Impuls folgt, für „Pennerpfarrer“ Ernst Sieber in Zürich zu beten. In den 90er-Jahren ist das „Sozialwerk Ernst Sieber“ ein medienpräsent angesehenes Hilfswerk für Obdachlose, Prostituierte und Drogensüchtige in der Schweiz. Roy ruft ihn an. Einfach so. Und Sieber sagt: „Wir suchen einen Stellvertreter für mich. Komm rüber!“

Es wird das Ende einer bewegten US-Karriere, der Anfang eines neuen Lebens im alten Herkunftsland. Vier Jahre arbeitet Roy Gerber in der „Sonnenstube“ Zürich, hat aber in Gesprächen mit Hilfsbedürftigen oft das Gefühl, nur den Symptomen und nicht den Ursachen abzuhelfen. Der eigeninitiative Gründer in ihm, der Start-up-Unternehmer, scharrt innerlich mit den Hufen.

„Jährlich 50.000 Minderjährige in der Schweiz sexuell missbraucht“

Ihn irritiert, warum in der Schweiz das Thema sexueller Missbrauch so oft mit Schweigen belegt wird. Auch und gerade in christlichen Kreisen. „Laut Medicus Mundi-Studie werden hier jährlich rund 50.000 Minderjährige sexuell missbraucht, ins öffentliche Bewusstsein ploppt das erst, wenn wieder mal ein Kinderporno-Ring entdeckt wird. 55 Prozent der bipolaren Störungen, 80 Prozent der Borderline-Störungen, Magersucht, dissoziative Störungen, Lern- und Konzentrationsschwächen sind oft auf Missbrauch zurückzuführen.

Der wird aber erst vermutet, wenn physische Gewalt nachweisbar ist? Dann sollten die Opfer eine geschützte Gelegenheit bekommen, zu reden. Was sie nicht tun, solange ihre Angst bedrohlicher ist als ein Messer. Aber auch die Angst der Mitarbeitenden muss aufhören, in Kitas, Schulen, Vereinen und Kirchen verdächtige Beobachtungen zu melden. Es geht nicht um Generalverdacht, sondern um qualifizierte Hilfe für verstummte Opfer.“

„Wir sind Wegbereiter und Wegbegleiter, keine Ermittler, sondern Vermittler“

Roy Gerber, eine Kinderärztin, ein Staatsanwalt, drei Polizisten, zwei Sozialpädagoginnen, ein Treuhänder und etliche beratende Experten gründen 2012 den Verein „Be unlimited“ und dessen „Kummer-Nummer“, eine schweizweite Telefon-Hotline, anonym und kostenlos, täglich rund um die Uhr mit geschulten Zuhörenden besetzt. „Wir sehen keine Nummer auf unseren Displays, es wird nichts aufgezeichnet, wir geben keine Infos an die Polizei, weil das zunächst die Opfer gefährden könnte.

Wir sagen auch nie ’sexueller Missbrauch‘, sondern fragen nach ‚Kummer‘ und nach ‚Ermutigung‘. Wenn ein Kind oder Jugendlicher es wünscht, fahren wir auch hin. Immer zu zweit, immer mit Therapiehunden. Wir sind Wegbereiter und Wegbegleiter, keine Ermittler, sondern Vermittler. Kommt es zu polizeilicher Strafverfolgung, können wir helfen, Kinder in sicheren Pflegefamilien unterzubringen.“

Golden Retriever-Hündin Ziba stirbt

„Der 17. Dezember 2013 war einer der traurigsten Tage meines Lebens.“ Als Golden Retriever-Hündin Ziba stirbt, ist Roy Gerber todunglücklich. „Sie lag im Helikopter neben mir, wenn wir zu Waldbränden flogen. Sie begleitete mich zu Gefängnisbesuchen und Ferienlagern. Sie tröstete unzählige Kinder in Krankenhäusern und Heimen. Durch Ziba hatte ich meine Berufung gefunden. Jetzt musste ich sie gehen lassen.“ Das Mädchen vom Sommerlager in Kalifornien hat er nie wiedergesehen. Ihre rote Feder aus Zibas Halsband aber, die hat er immer noch.

Andreas Malessa ist Journalist. Aktuell von ihm erhältlich sind die Titel: „111 Bibeltexte, die man kennen muss“ (emons) und „Am Anfang war die Floskel“ (bene!).

Kummer-Nummer: Hast Du Kummer … und bist dir nicht sicher, wohin damit? Und schämst dich, darüber zu sprechen? Weil du unsicher bist, ob etwas, das du erlebt hast, normal ist? Wir können dir weiterhelfen: Tel: 0800 66 99 11; E-Mail: Help@kummernummer.org Anonym, diskret, kompetent, gratis, rund um die Uhr. www.kummernummer.org

Mehr zu Roy Gerber: „Mein Versprechen“ (Fontis)

Symbolbild: Goodboy Picture Company / E+ / Getty Images

Den eigenen Iron Man entdecken: Durchhaltevermögen lässt sich trainieren

Wer im Job erfolgreich sein will, braucht Optimismus und Durchhaltevermögen, meint Coach Michael Stief. Zwei Übungen sollen ausreichen, um die eigenen Ziele zu erreichen.

Helden. Das Wort lässt an Gal Gadot denken, die als Wonder Woman mit der Macht der Liebe den Kriegsgott Ares in den Hades befördert. Oder an ihre Filmliebe Steve Trevor (gespielt von Chris Pine), der sich und eine tödliche Bomberladung in die Luft sprengt.

Doch sind Helden nur solche Halbgöttinnen und opferbereite Heroen? Oder steckt in jedem eine Portion Heldenqualitäten – die in den Krisen des Lebens und im Chaos des Alltags ans Licht kommt?

Was hilft bei Krisen?

Krisen erlebt jeder Mensch. Schon vergeigte Schulaufgaben, verlorene Spiele oder Liebeskummer können das Vorspiel zu größeren Lebenskrisen wie gescheiterten Projekten, Beziehungsdramen, Jobverlust oder Mid-Life-Crisis sein.

Was hilft in solchen Situationen? Nehmerqualitäten, Härte, Vitamin B, Geld? Ein japanisches Sprichwort bringt es auf den Punkt: die Fähigkeit, nach sieben Rückschlägen achtmal aufzustehen.

„Psychologisches Kapital“ hilft

Doch woher die Kraft dazu nehmen? Dazu braucht es nach Ansicht des amerikanischen Psychologen Fred Luthans „Psychologisches Kapital“ oder kurz: PsyCap. Der sperrige Ausdruck erklärt sich analog zum Wirtschafts-Kapital. Den Gütern und Geldmitteln, die wir für unsere Ziele einsetzen können und die uns helfen, auch in Krisenzeiten durchzuhalten.

Das Psychologische Kapital besteht dementsprechend aus inneren Ressourcen – emotionalem und intellektuellem Vermögen und Reserven. Diese helfen, kraftvoll Projekte anzugehen, selbstsicher Aufgaben anzupacken, Rückschläge zu verkraften und an unsere Stärken zu glauben.

„Psychologisches Kapital“ lässt sich trainieren

Diese Qualitäten haben eben nicht nur Superhelden im Film. Luthans und seine Kollegen haben herausgefunden, dass niemand einfach mit diesem „Stoff, aus dem die Helden sind“ geboren wird. Nein, „Psychologisches Kapital“ lässt sich trainieren, so wie man durch beharrliche Geldanlage Kapital aufbauen kann.

Was ist das HERO-Modell?

Luthans & Co. haben diese Heldenqualitäten in einem Modell zusammengefasst und mit dem Akronym HERO, nach dem englischen Wort für Held, benannt:

Hoffnung beschreiben sie als einen Zustand, in dem sowohl ein lohnendes Ziel vor Augen ist als auch ein Plan, dieses – notfalls auf unterschiedlichen Wegen – zu erreichen. Daraus folgt die Willenskraft, dieses Ziel beharrlich zu verfolgen.

Erfolgserwartung oder technisch Selbstwirksamkeiterwartung beschreibt das Selbstvertrauen, dieses Ziel auch erreichen zu können, weil ähnliche Herausforderungen bereits erfolgreich bewältigt wurden.

Resilienz ist die Fähigkeit, Stress und Rückschläge zu bewältigen, abzuschütteln und mit voller Energie neu zu beginnen.

Optimismus beschreibt eine positiv-realistische Sicht, die Erfolge nicht dem Zufall zuschreibt, sondern den eigenen Fähigkeiten und dem persönlichen Einsatz. Auch beim Scheitern zweifelt ein Optimist nicht an seinen Fähigkeiten.

Zwei Übungen, um Heldenqualitäten zu trainieren

Wie aber trainiert man diese vier Heldenfähigkeiten konkret? Luthans und Kollegen schlagen dazu zwei Übungen vor. Sie konzentrieren sich aus wissenschaftlichen Gründen auf die Arbeitswelt. Gerade für Trainingsübungen ist diese günstiger, weil sie meist nicht so stark emotional belastend ist wie herausfordernde private Situationen.

1. Resilienz und Erfolgserwartung

  • Vergegenwärtigen Sie sich Situationen in Ihrem Berufsleben, in denen Sie bislang nicht weitergekommen sind, die also Ihre Resilienz herausfordern.
  • Notieren Sie, welche Aspekte dieser Situationen innerhalb Ihrer persönlichen Kontrolle und welche außerhalb liegen.
  • Überlegen Sie sich nun verschiedene Schritte, die Sie ergreifen könnten und die in Ihrer direkten Kontrolle liegen.
  • Erinnern Sie sich an ähnliche herausfordernde und geglückte Situationen aus Ihrer Vergangenheit.
  • Notieren Sie, welche Gedanken und Gefühle Sie hatten und welche Verhaltensweisen erfolgreich waren. Damit steigern Sie Ihre Erfolgserwartung.
  • Entscheiden Sie zuletzt, welche der gefundenen Schritte Sie in den aktuellen herausfordernden Situationen umsetzen wollen.

2. Hoffnung und Optimismus

  • Notieren Sie, wieder bezogen auf die Arbeit, mehrere Ziele, die realistisch herausfordernd und persönlich wertvoll
  • Realistisch herausfordernd ist ein Ziel, das von Ihnen Entschlossenheit, Planung und Einsatz erfordert. Für eine Aufgabe, die nur abzuarbeiten ist, braucht es keine Hoffnung.
  • Persönlich wertvoll ist ein Ziel, das Ihnen selbst wichtig ist und Ihren Werten entspricht. Also keine fremdbestimmte Zielvorgabe. Sie sollen sich damit identifizieren können, sonst ist es nicht Ihre Hoffnung.
  • Wählen Sie eines dieser Ziele aus.
  • Unterteilen Sie dieses Ziel in kleinere Etappenziele.
  • Überlegen Sie sich Aktionen, mit denen Sie die Etappenziele und das Gesamtziel erreichen können.
  • Überlegen Sie sich auch, welche Hindernisse auftauchen könnten und wie sie diese wiederum bewältigen könnten.
  • Malen Sie sich außerdem die positiven Ergebnisse der erreichten Ziele aus.

Warum funktionieren diese beiden Übungen?

Hoffnung, Erfolgserwartung, Resilienz und Optimismus sind alle vier mit Zielvorstellungen verbunden:

  • Wir hoffen, dass wir ein Ziel erreichen, weil es sich lohnt und erreichbar scheint.
  • Wir glauben an uns, weil wir die Erfahrung gemacht haben, vergleichbare oder ähnlich ambitionierte Ziele bereits erreicht zu haben.
  • Wir halten durch und stehen immer wieder auf, weil es sich lohnt, für dieses Ziel Anstrengungen und Belastungen in Kauf zu nehmen oder nach einem ersten Scheitern neu anzufangen.
  • Wir vertrauen optimistisch auf unsere Fähigkeiten, auch wenn die Umstände widrig sind oder wir einmal wegen zu wenig Einsatz gescheitert sind.
  • Die beiden Übungen helfen in den Problemen des Berufs, die eigenverantwortlich erreichbaren Ziele zu identifizieren. Mit ihnen gelingt es, Wege und Stationen dorthin zu finden und sich an vergangene, erreichte Ziele zu erinnern. Durch klarere Vorstellungen vom Lohn der Mühen fällt es leichter, sich zu motivieren.

Heldenfähigkeiten machen glücklicher

Dabei helfen diese Heldenfähigkeiten nicht nur einem selbst. Luthans und Kollegen haben nachgewiesen, dass sie das gesamte Team voranbringen. Obendrein zahlen die HERO-Qualitäten auch auf das Glücksempfinden und das subjektive Wohlbefinden ein.

Denn nach dem Psychologen Martin Seligman tragen Hoffnung und Optimismus zu mehr positive Emotionen bei. Durch Resilienz werden Menschen stärker und gehen voll in ihren Aufgaben auf. Persönlich wertvolle Ziele stärken das Sinnerleben. Wer beharrlich seine Ziele verfolgt, dem sind auch mehr Erfolgserlebnisse sicher.

Die Wonder Woman in sich stärken

Selbst Beziehungen entwickeln sich positiver mit Hoffnung und Resilienz. Das wusste bereits Paulus von Tarsus, der vor 2.000 Jahren von der Liebe schreibt: Sie „nimmt alles auf sich, sie verliert nie den Glauben oder die Hoffnung und hält durch bis zum Ende.“

Wer also diesen mentalen Workout immer wieder übt, der stärkt die Wonder Woman oder den Iron Man in sich Schritt für Schritt. Das hilft nicht nur, den Alltag besser zu bewältigen, Krisen zu überwinden, sondern am Ende sogar ein Stückchen glücklicher zu werden – in der Arbeit, im Privatleben und vielleicht sogar in der Liebe.

Michael Stief (58) ist Experte für Positive Kommunikation, Teamwork und Führung und Gründer des Beratungsnetzwerks POSITIVE HR. MANAGEMENT (positive-hr.de).