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Vermögen aufbauen: „Man sollte wenigstens zehn Prozent der Einkünfte zurücklegen“

Menschen geben mehr aus, als sie einnehmen, kritisiert Finanzberater Duc Pham. Er verrät, wie Geldanlage richtig geht und was Kaffee mit Sparen zu tun hat.

Duc, was ist deine Mission?
Duc Pham: Ich möchte, dass meine Mitmenschen ein selbstbestimmtes Leben führen, in dem sie sich nicht von Konsum und Werbung manipulieren und in finanzielle Abhängigkeit bringen lassen. Denn viele leben von der Hand in den Mund und kommen finanziell auf keinen grünen Zweig. Im schlimmsten Fall sind sie verschuldet. Das macht sie unfrei und sie arbeiten oft nur dafür, ihren finanziellen Verpflichtungen irgendwie nachzukommen.

Du zeichnest ein sehr düsteres Bild.
Findest du? Der Coffee to go, der schnelle Snack auf die Hand oder die witzige App zum kostenpflichtigen Download sind allgegenwärtig und gelten als Ausdruck von Lifestyle. Dabei zerrinnt den Leuten ihr versteuertes Nettoeinkommen, das überhaupt noch übrig bleibt nach Abzug von Miete und anderen Fixkosten, zwischen den Händen.

Und nebenbei vermüllen unsere Straßen und Landschaften mit den Resten von Starbucks, McDonald’s, Red Bull & Co. Die geschickte Werbung ist allgegenwärtig, die Verpackungen produzieren eine Unmenge an CO2 und Müll, die Konsumenten werden dick – und es fehlt ihnen das Geld, fürs Alter vorzusorgen.

Pham: Kreislauf aus Enttäuschung und Konsum durchbrechen

Was schlägst du stattdessen vor?
Den Zusammenhang zwischen Enttäuschung im Alltag und vermeintlicher Belohnung durch Konsum zu durchbrechen. Die Alternative ist Persönlichkeitsentwicklung, um mir solche Abhängigkeiten bewusst zu machen – und sie aufzulösen. Das kann durch eine veränderte innere Einstellung geschehen, dass ich anders auf meine Umwelt reagiere; indem ich meine Umwelt verändere oder mir eine andere suche, die besser zu mir passt.

Hast du das so gemacht?
Ja. Ich bin als Kind vietnamesischer Eltern, die kein Deutsch sprachen, hier zur Welt gekommen. Mein Vater hat meine Mutter sehr früh verlassen und wir haben in meiner Kindheit von Sozialhilfe gelebt. Sparen war kulturell wie auch aus unserem Mangel heraus oberste Prämisse.

Meine Mutter hat mich regelrecht zu einem Sparfuchs erzogen und zugleich habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich all das nicht brauchte, was andere an Spielzeug, Urlaub und vermeintlichen Annehmlichkeiten oft sogar im Überfluss hatten. Das hat mich konsumresistent und gesellschaftskritisch gemacht.

Mit 25 Jahren zum Filialleiter einer Bank geschafft

Und wie ging es weiter?
Weil ich Deutsch erst allmählich im Kindergarten gelernt habe, hat es für das Gymnasium und Abitur nicht gereicht. Nach der Mittleren Reife habe ich eine Banklehre gemacht, weil dieser Beruf in Vietnam sehr hohes Ansehen genießt. Und weil ich aus dem Mangel meiner Kindheit herauswollte, habe ich mich mächtig reingehängt, nebenbei noch an der Fern-Uni studiert und war mit 25 Jahren bereits Filialleiter.

Heute arbeitest du aber als freiberuflicher Finanzcoach in Berlin.
Ja, ich habe gemerkt, dass mir die Strukturen einer Bank zu eng sind, ich ein Faible fürs Unterrichten und Coachen habe und ich andere Menschen befähigen möchte, ihren eigenen Weg zu gehen.

„Der Engpass beim Vermögensaufbau ist, dass man mehr ausgibt als man einnimmt“

Seit 2018 gibst du Online-Seminare. Was lernen die Leute bei dir?
Wie erwähnt, das eigene Konsumverhalten kritisch zu durchschauen; die eigenen Einnahmen auf Verschwendungspotenziale hin zu durchleuchten und die eigenen Glaubenssätze zum Thema Geld, die meist schon von den Eltern geprägt sind, kritisch zu hinterfragen, z. B. „Geld macht nicht glücklich“ oder „Aktien taugen nichts“.

Ab 3.000 Euro netto im Monat – das ist untersucht – macht noch mehr Einkommen nicht glücklicher. Der Engpass beim Vermögensaufbau ist, dass man mehr ausgibt als man einnimmt. Schon bei Ausbildungsvergütungen können Lehrlinge 20, 50 oder 80 Euro pro Monat durch ein verändertes Verhalten sparen. Den Kaffee zum Beispiel zu Hause trinken oder ein Vesper mitnehmen.

Was rätst du Interessierten?
Man sollte wenigstens zehn Prozent der Einkünfte zurücklegen – am Monatsanfang. 30 Prozent sind besser. Meine persönliche Sparquote liegt bei 70 Prozent. Allein schon wegen des rasanten Klimawandels sollten wir mehr Second Hand kaufen, Güter gemeinsam nutzen – Stichwort Sharing Economy – und uns generell überlegen, was wir wirklich brauchen. So summiert sich das monatliche Kindergeld von derzeit 204 Euro von der Geburt bis zum 25. Lebensjahr, wenn es immer konsequent angelegt und mit sieben Prozent verzinst wird, auf gut 154.000 Euro.

„Ständige Umschichtungen und Kurswechsel gefährden den linearen Trend“

Und wo bekommt man sieben Prozent Zinsen?
Mit Fonds, Immobilien, Firmenbeteiligungen oder Aktien ist eine solche Verzinsung realistisch, zumal über 25 Jahre hinweg ein Mittelwert. Wichtig ist – besonders zu Beginn –, breit in Branchen und Kontinente zu streuen, um Risiken zu minimieren. Und dann Ruhe zu bewahren und Geduld aufzubringen. Denn ständige Umschichtungen und Kurswechsel gefährden den linearen Trend.

Solche Renditen sind auch möglich mit Investitionen in regenerative Energien, Trinkwasseraufbereitungsanlagen, die Umrüstung von Diesellinienbussen auf Wasserstoff oder ökologische Bauformen mit Holz, Lehm oder Hanf.

Dafür braucht es aber Wissen und Informationen.
Vor der Investition in Sachwerte steht ohnehin die Investition in die eigene Bildung und Persönlichkeitsentwicklung. Deshalb schaden schlecht bezahlte Jobs in der Jugend oder Ehrenämter nicht, um Erfahrungen zu sammeln, etwa in Bereichen wie Disziplin, Vertrauen oder Selbstorganisation. Weniger Wohnfläche, Duschen und Heizen sind Positionen, die Sparpotenzial bergen. Und Berufstätige, die stets die Hälfte jeder Gehaltserhöhung zurücklegen, müssen nicht mal auf etwas verzichten und der Zinseszinseffekt arrangiert den Rest.

„Da beginnt Freiheit, um etwa einen Job zu wechseln“

Du unterscheidest vier Phasen von Wohlstand. Welche?
Am Anfang steht die finanzielle Abhängigkeit, bei der sich Ein- und Ausgaben die Waage halten. Von finanzieller Sicherheit spreche ich, wenn jemand drei Monate ohne Einnahmen seine Ausgaben bestreiten kann. Da beginnt Freiheit, um etwa einen Job zu wechseln.

Finanzielle Unabhängigkeit beginnt demnach, wenn passive Einkünfte reichen, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Finanzielle Selbstverwirklichung ist schließlich erreicht, wenn ein Vermögen über den eigenen Tod hinaus noch wirkt, zum Beispiel in Form einer Stiftung, die dauerhaft bleibt.

Und warum arbeitest du noch 60 Stunden die Woche?
Ich mache nur, was ich auch als Hobby betreiben würde. Meine Leidenschaft ist, Menschen zu befähigen, mündig mit Geld umzugehen. Ob sie es dann selbst verwalten, weil es ihnen Spaß macht, oder an einen Profi delegieren, bleibt ihnen überlassen. Mein Ziel: In meiner Heimatstadt Braunschweig die Volkswagen-Halle mit Menschen zu füllen, die mir als Finanzcoach zuhören.

Die Fragen stellte Leonhard Fromm.

Duc Pham, der 29-jährige Deutsch-Vietnamese, ist ein Vorbild, was Selbstdisziplin und Integration von Migranten anbelangt. Der Ex-Banker, der bereits mit 25 Jahren eine Filiale der Braunschweiger Volksbank leitete, dient Männern und Frauen als Mutmacher. (ducpham.de)