WOOP-Methode: So nutzen Sie Hindernisse, um Ihre Ziele zu erreichen
Der Griff zur Chipstüte fällt häufig viel leichter, als sich für einen Spaziergang aufzuraffen. Mit den vier Schritten der WOOP-Methode machen Sie sich Ihren größten Feind zum Verbündeten.
Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert, heißt es im Volksmund. Aber warum eigentlich? Ein Grund ist, dass solche Vorsätze häufig eingefleischte Gewohnheiten betreffen, die vor heute auf morgen geändert werden sollen. Oder unsere ganz großen Lebensziele, wohl wissend, dass wir diese nie auf einen Schlag erreichen werden. Beides ist also eigentlich ein sicheres Rezept zum Scheitern. Die Psychologin Gabriele Oettingen erklärt, welche Fallstricke es noch für unsere Vorsätze gibt und wie wir auch anspruchsvolle Ziele wuppen.
Warum Veränderung so schwer ist
Häufig packen wir gerade Gewohnheiten an, die wir über Jahre „geübt“ haben, für die wir unsere unbewussten Programme und Routinen haben: Wann, wo und wie der Griff zur Zigarette oder zur Chipstüte passiert oder der Weg zum Sofa viel attraktiver erscheint als der ins Fitness-Studio.
Aber nicht nur dies: Unsere Änderungswünsche sind auch häufig zu diffus, keine klaren Ziele und ohne konkreten Plan. An mögliche Widrigkeiten denken wir erst recht nicht, die bringt das Leben von allein. So ist dann am Anfang die Motivation zwar groß, doch am Ende erlahmt die Willenskraft und alles bleibt beim Alten. Doch das muss nicht so bleiben.
Wie wir Veränderungen doch noch wuppen
An beschriebenen Fallstricken unserer Veränderungsprozesse setzt nun genau das WOOP-Modell von Gabriele Oettingen an. In zwanzigjähriger Forschung hat sie – zusammen mit Ihrem Mann Peter Gollwitzer – das „Mentale Kontrastieren mit Implementierungs-Intentionen“ entwickelt.
Weil dieser Begriff so sperrig und unverständlich klingt, hat sie der Methode den benutzerfreundlichen Zweitnamen WOOP beigelegt. In USA, wo Oettingen arbeitet, ist dieser Ausruf als „verbales Highfive“ üblich, wenn man über den gelungenen Ausgang einer Sache so richtig begeistert ist.
Dieser Name ist nicht nur viel cooler, jeder der vier Buchstaben steht dabei auch noch für einen konkreten Schritt auf dem Weg zur Veränderung:
- W bezeichnet den Wunsch, Englisch wish, den man verwirklichen will.
- Das erste O steht für outcome, das konkrete Ergebnis nach einer geglückten Veränderung.
- Das zweite O sind die Hindernisse, Englisch obstacles, auf dem Weg zum Ziel.
- Und P schließlich meint das Planen des Wegs zum Ziel und dem gewünschten Ergebnis sowie vor allem die Überwindung der Hindernisse.
Warum sollten genau diese vier Schritte die Lösung für all die unzähligen Vorsätze sein, die nach wenigen Wochen schon wieder gescheitert waren? Ein Beispiel soll sowohl den Ablauf als auch seine Wirkung erklären.
Vom Waschbärbauch zum Waschbrettbauch
Im jüngsten Marvelfilm Thor – Love and Thunder kann man den Donnergott erleben, wie er sich seinen Kummerspeck aus Avengers Endgame abtrainiert. Die Transformation vom Dad bod zum God bod, vom Waschbärbauch zum Waschbrettbauch, hat Thor-Darsteller Chris Hemsworth wahrscheinlich durch einen kurzen Gang in die Maske erledigt.
Nicht so bei mir. Meine Corona-bedingten Pfunde (durch die Pandemie und nicht das Bier!) sind nicht so leicht zu verlieren. Doch das unterschwellige Bodyshaming in solchen Superhelden-Filmen und die geringe Fitness machen den Verlust der Pfunde und den Aufbau von Kraft und Fitness durchaus attraktiv – auch wenn der gestählte Waschbrettbauch erst mal noch keine realistische Perspektive darstellt.
Wie das erste Pfund über die Wupper geht
Wie würde nun ein WOOP-Prozess in diesem Fall aussehen?
1. WISH – Den Wunsch konkret und klar formulieren
Der erste Schritt ist, einen konkreten Wunsch auszuwählen. Normalerweise haben wir einige unerfüllte Wünsche, aber eben nur begrenzte Willenskraft für eine Veränderung. Daher ist es wichtig, einen bestimmten auszuwählen. Optimal ist es, wenn dieser Wunsch herausfordernd, aber zum Beispiel in Monatsfrist umsetzbar ist.
Also nur die Pfunde verlieren und die auch nicht alle, sondern das erste binnen vier Wochen. Oder entsprechend für die Fitness: Hier geht es eher um die drei bis zehn Sit-Ups und weniger um eine tägliche Fünf-Kilometer-Laufrunde. Dieser Wunsch wird dann mit einer Frist von drei bis sechs Worten notiert.
2. OUTCOME – Das erreichte Ziel aufs Schönste ausmalen
Als Zweites geht es darum, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn der Wunsch aufs Schönste in Erfüllung ginge. Dazu versetzen wir uns in die Zukunft und nehmen diese mit allen Sinnen wahr. Dort stehe ich also vor meinem Kleiderschrank und kann meinen Gürtel eine Öse enger schnallen, während mir meine Frau anerkennend sagt, so gut hätte ich schon länger nicht mehr ausgesehen. Auch das wird mit einer Frist von drei bis sechs Worten schriftlich festgehalten.
3. OBSTACLES – Das zentrale innere Hindernis finden
Wenn unser Wunsch formuliert ist und wir uns dessen schönstmögliche Verwirklichung vorgestellt haben, geht es auf die Suche nach dem zentralen inneren Hindernis. Wir vergleichen dazu Gegenwart und Wunschvorstellung und fragen uns selbst nach dem Hindernis, das der Zielerreichung im Wege steht.
In meinem Fall wären dies meine Gewohnheit und das Bedürfnis, mich nach einem langen Tag am Rechner mit etwas Fettigem, Salzigen oder Zuckrigen zu belohnen – anstatt noch etwas Gesundes zu essen und einen strammen Spaziergang zu machen, was auch wieder Energie bringen würde.
Durch dieses mentale Kontrastieren von Zielvorstellung und hinderlicher Gewohnheit machen wir uns klar, dass es eben nicht nur eine lustvolle Gewohnheit ist, sondern das Hindernis schlechthin auf dem Weg zum Ziel.
Ich sehe mich also vor meinem inneren Auge mit Chips auf der Couch, während ich an die attraktive Szene vor dem Kleiderschrank denke. Diese widersprüchliche Vorstellung fordert dann meine Motivation und Entschlossenheit heraus: Will ich wirklich mit dem Kollaps auf dem Sofa meinen schönsten Moment sabotieren?
4. PLAN – Den Weg über das Hindernis hinweg planen
Was aber ist die Alternative zum Sofa? Wer jetzt noch nachdenken muss, hat schon verloren: Die gewohnte lustvolle Vorstellung von Entspannung wird über den Vorsatz siegen, sofern wir kein alternatives Programm parat haben, das wir automatisch abspulen können.
Die Lösung für dieses Dilemma verdanken wir Oettingens Mann Peter Gollwitzer. Er hat die Implementierungs- oder Umsetzungsintentionen erforscht. Was wieder sehr sperrig klingt, ist ganz einfach: Statt einen kompletten Plan für die Verwirklichung unseres Wunsches zu entwickeln, fokussieren wir uns bei WOOP unmittelbar auf die Überwindung eines konkreten Hindernisses.
Konkrete Schritte planen
Dazu überlegen wir uns die Situation, in der das Hindernis auftritt, und denken uns dafür konkrete Schritte aus, wie wir es anders machen können. Diesen neuen Weg halten wir schriftlich mit Sätzen nach dem Schema „Wenn X passiert, dann mache ich Y“ fest.
Konkret wäre das dann: „Wenn ich mit der Arbeit fertig bin, trinke ich erst einmal ein Glas Wasser und gehe eine Runde um den Block.“ Damit überwinde ich diesen Erschöpfungsmoment nach einer langen Arbeitssession, den ich bisher allzu oft mit einem Käsebrot bekämpft habe.
Ein Weg von 1.000 Meilen beginnt mit einem ersten Schritt
Anstatt zu versuchen, viele Wünsche auf einmal anzugehen und damit zu scheitern, fokussiert sich die WOOP-Methode auf eine machbare Veränderung. Nur versuchen gilt nicht. Ganz nach dem Spruch des Yedi-Meisters Yoda: „Do or Do Not. There is no try. – Tu es oder tue nicht. Es gibt kein Versuchen.“
Ist dieser Schritt geschafft, haben wir nicht nur unser Ziel erreicht, sondern auch unser Selbstvertrauen gestärkt. Das wiederum fördert auch unser psychisches Wohlbefinden und unsere Hoffnung auf gelingende Veränderung. Wir fühlen uns dann besser und sind optimistischer.
Probleme nach und nach lösen
So gestärkt können wir dann nicht nur die nächsten Pfunde oder das nächste Fitnesslevel in Angriff nehmen, sondern auch große und ehrgeizige Ziele, die das Leben lebenswerter machen. Aber eben eines nach dem anderen, wie schon der lebenskluge Papst Johannes XXIII. empfohlen hatte: „Nur für heute werde ich versuchen, den Tag zu leben, ohne die Probleme meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.“
Ziele zuverlässig erreichen
Ob es nun um kleine Tweaks zur Selbstoptimierung geht, um wichtige Kurskorrekturen oder das Erreichen großer eigener Lebensziele, mit der WOOP-Methode sind die vielen einzelnen Schritte leichter und zuverlässiger erreichbar.
Wer mehr über WOOP erfahren möchte, der findet in Oettingens Buch „Die Psychologie des Gelingens“ die ganze Story oder kann sich auf ihrer Webseite woopmylife.com Schritt für Schritt durch den Prozess führen lassen. Und welches Ziel werden Sie jetzt WOOPen?
Michael Stief (58) ist Experte für Positive Kommunikation, Teamwork und Führung und Gründer des Beratungsnetzwerks POSITIVE HR. MANAGEMENT (positive-hr.de).