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Warum das 80:20-Prinzip ein Update braucht

Die 80:20-Regel führt nicht automatisch zum Erfolg. Dazu braucht es das 40-20-40-Prinzip als Ergänzung. Wie das Ihre Effektivität maximiert, verrät Coach Michael Stief.

Das 80:20-Prinzip meint die Beobachtung, dass in einer großen Anzahl von Fällen 80 Prozent einer Leistung schon mit 20 Prozent des Aufwandes erreicht werden. Dieses Prinzip ist zu der Faustregel schlechthin für zeitökonomisches Handeln geworden. Die 80:20-Regel hat aber noch eine eher unbekannte Schwester, die 40-20-40-Regel, die die Effizienz durch Effektivität komplettiert.

Von der ungleichen Landverteilung zur Faustregel für Effizienz

Beschrieben hat den 80:20-Effekt der Italiener Vilfriedo Pareto (1848–1923). Daher ist dieser Zusammenhang auch als Pareto-Prinzip bekannt. Pareto war Ökonom und stellte fest, dass im Italien seiner Zeit 80 Prozent der privaten Landfläche im Besitz von 20 Prozent der Bevölkerung waren.

Leider verbreitete sich durch Paretos Entdeckung des 80:20-Prinzips nicht die Frage nach der gerechten Verteilung von Gütern. Stattdessen war es die teils richtige, teils unsinnige Idee, dass sich in allen wirtschaftlichen Zusammenhängen und Prozessen diese magische Formel anwenden ließe.

Einfach machen, statt Perfektion anzustreben

Praktisch gesehen lässt sich das 80:20-Prinzip sinnvoll nutzen, wenn es darum geht, mit begrenzten Mitteln ein Ziel zu erreichen. Beispielsweise beim Erstellen einer Präsentation, die sich in kurzer Zeit in brauchbarer Qualität erstellen lässt. Oder auch beim Schreiben, wo der „shitty first draft“, der „schlechte erste Entwurf“ auch schnell auf dem Papier oder in der Maschine ist. Selbst beim wöchentlichen Hausputz lässt sich eine akzeptable Ordnung und Sauberkeit in 20 Prozent der Zeit herstellen, die für einen kompletten und gründlichen Frühjahrsputz notwendig wäre.

Aber genau da steckt der Teufel im Detail, nämlich genau in den Details, die für ein gutes oder gar „perfektes“ Ergebnis (wenn es denn annähernd so etwas geben kann) nötig sind. Das Pareto-Prinzip prophezeit nämlich gerade, dass für ein ganz bestimmtes Ergebnis eben auch viermal so viel Zeit notwendig ist wie für den ersten Entwurf. Oder auch, dass bei einer Prüfung bei 20 Prozent Zeiteinsatz eben auch nur die Note befriedigend erwartet werden kann. (Was natürlich in dieser Unmittelbarkeit Unsinn ist, aber Sie verstehen die Idee.)

Zusammengenommen ist das Pareto-Prinzip im besten Fall eine Daumenregel, um sich vor Perfektionismus zu hüten und mit wirtschaftlichem Aufwand zu einer brauchbaren Lösung zu gelangen. Im schlechtesten Fall führt es zu Pfusch oder zu einer ungesunden Arbeitsverdichtung in der Annahme, die Zeit jenseits der magischen 20-Prozent-Grenze ließe sich irgendwie einsparen.

Die richtigen Dinge tun

Das Pareto-Prinzip beantwortet die Frage, welchen Aufwand und Zeiteinsatz wir sinnvollerweise in eine Aufgabe stecken sollten. Dabei bleibt offen, was in dieser Zeit zu tun ist. Beim Software-Engineering wird das mit einer einprägsamen Merkformel gesteuert. Hier gibt es die 40-20-40-Formel, die, anders als das Pareto-Prinzip, außerhalb der Industrie leider kaum bekannt ist.

Einfach gesprochen empfiehlt dieses Vorgehen 40 Prozent des Aufwandes in die Zieldefinition zu stecken, 20 Prozent in die Umsetzung und 40 Prozent in den Test, ob die Software fehlerfrei funktioniert. Während also das Pareto-Prinzip die Effizienz steigert, fördert das 40-20-40-Prinzip die Effektivität. Nicht Schnelligkeit oder Begrenzung des Aufwandes stehen im Vordergrund, sondern ein möglichst genaues Verständnis der Lage, des Ziels und der Genauigkeit der Zielerreichung.

Auf andere Bereiche übertragen

Dem liegt die Erfahrung zugrunde, dass bei ungenauer Problemanalyse oder unzulänglicher Ergebniskontrolle erhebliche Fehler auftreten können. Diese können bei entsprechend kritischen Computeranwendungen in medizinischen Geräten etwa fatale Folgen haben. Es lässt sich leicht ahnen, dass sich diese Vorgehensweise ebenfalls sinnvoll auf andere Felder übertragen lässt.

Zum Beispiel auf die Charakterentwicklung: So lässt sich dieses Prinzip etwa in der Beichtpraxis der katholischen Kirche wiederfinden. Die Zehn Gebote definieren konkrete Ziele für eine gesunde menschliche Entwicklung. Zum Beispiel die Wahrheit zu sagen, die eigenen und fremden Grenzen zu achten und so weiter. Im Alltag werden diese Prinzipien umgesetzt – oder auch nicht. In der Beichte erfolgt dann die Fehlerprüfung, das „debugging“, mit dem Vorsatz diese Fehler in Zukunft zu beseitigen. Auch bei mir im Führungskräfte-Coaching hat sich dieses dreigliedrige Struktur in Form von Standortbestimmung/Zielbildung, Umsetzung und Feedback bewährt.

Zweimal messen, einmal schneiden

Die treffendste Beschreibung dieser Effektivitäts-Regel habe ich einmal von einem Schreiner gehört: Zweimal messen, einmal schneiden! Der meinte zwar mit „zweimal Messen“ eher das genaue Maßnehmen, aber beim 40-20-40-Prinzip geht es genau darum:

  • Einmal messen, das heißt: Genau analysieren, was wir erreichen wollen. Wie genau ist die Lage? Wer ist betroffen und wie? Was ist der Kern des Problems?
  • Dann die passenden Maßnahmen durchführen. Hier investieren wir 20 Prozent Ihrer Ressourcen (Zeit/Geld).
  • Zuletzt wieder messen, das heißt: Überprüfen, ob das gewünschte Ergebnis erreicht wurde, was nicht funktioniert hat und warum. Außerdem mögliche nächste Schritte einleiten, um das gewünschte Ergebnis doch noch zielgenau zu erreichen.

Verbinden wir das 80:20 Prinzip für „gesunde Selbstbeschränkung“ und das 40-20-40-Regel für die Zielgenauigkeit und die Effektivität einer Problemlösung, erreichen wir das optimale Ergebnis. Dann werden wir künftig nicht nur die Dinge richtig tun, sondern auch öfter die richtigen Dinge.

Michael Stief  (58) ist Experte für Positive Kommunikation, Teamwork und Führung und Gründer des Beratungsnetzwerks POSITIVE HR. MANAGEMENT (positive-hr.de).