Das hilft gegen Schlaflosigkeit
In Zeiten der Selbstoptimierung wird selbst der Schlaf zum Leistungssport. Doch das ist genau der falsche Weg.
Haben Sie gut geschlafen, Herr Bednarz?
Dieter Bednarz: Nein. (lacht) Ich habe gestern Abend noch einen großen Eisbecher gegessen und zudem bauen wir ein kleines Haus um. In meinem Kopf fuhren die Gedanken noch Achterbahn. So ist das, wenn man nachts nicht loslassen kann.
Sie sind Autor der Lektüre „Augen zu und schlaf!“. Was war der Auslöser, um dieses Buch zu schreiben?
Bednarz: Ich war eingeladen zu einer Lesereise auf einem Kreuzfahrtschiff. Trotz dieser paradiesischen Umgebung schwitzte und wälzte ich mich mal wieder durch die Nacht. In der Kabine nebenan schlief Katja, eine Yogalehrerin. Am nächsten Morgen erzählte sie mir von ihrer himmlischen Nacht. Und da dachte ich mir: „Jetzt reicht’s! Jetzt mache ich mich auf und versuche herauszufinden: Was ist Schlaf eigentlich? Was kann ich gegen die Schlaflosigkeit und für guten Schlaf tun?“
Warum ist guter Schlaf wichtig?
Bednarz: Schlaf ist ungeheuer wichtig fürs Gehirn, fürs Lernen, fürs Gedächtnis. Er ist entscheidend fürs Verarbeiten und Einsortieren. Der Schlaf ist ein Spiegel unserer Seele und der Gesellschaft. In einer Zeit, in der alles optimiert wird, sind wir hier allerdings in der Gefahr, den Schlaf zu überhöhen, aus ihm einen Leistungssport zu machen – aber genau das sollte er nicht sein.
„Schlaf ist keine quantitative, sondern eine qualitative Frage“
Sie machen sich auf den Weg mit Ihren Durchschlafstörungen. In der Begegnung mit Medizinern, Forschern, im Schlaflabor stellen Sie fest …
Bednarz: Ich bin eine Lerche, ein Frühaufsteher, wie ich bei Professor Roenneberg gelernt habe. Ich kann einfach nicht mit meinen Girls bis kurz vor Mitternacht schauen, wer Deutschlands nächstes Flop-Model wird; die Mädels schlafen danach nämlich bis in die Puppen oder der Wecker reißt sie um sieben Uhr aus dem Tiefschlaf. Mich jedoch weckt meine innere Uhr unerbittlich zwischen vier und fünf. Will ich als Frühaufsteher halbwegs ausgeschlafen in den Tag starten, muss ich spätestens um halb zehn ins Bett. Wichtig ist, dass man zu seinem Schlaftyp und zu seinem ganz eigenen Schlafrhythmus findet.
Brauchen wir keine acht Stunden Schlaf?
Bednarz: Schlaf ist keine quantitative, sondern eine qualitative Frage. Es geht schlicht darum: Wie wache ich am nächsten Morgen auf? Ich kann um 5:15 Uhr aufwachen und erfrischt sein – wenn ich mir den Schlaf früh genug vor Mitternacht hole.
Sie notieren: „Wer wirklich seine Nachtruhe finden will, der muss sich aufmachen auf einen langen Weg zur Kenntnis und auch Erkenntnis.“ Was sind Ihre fundamentalen Wegeinsichten?
Bednarz: Statt Pillen zu schlucken, müssen wir Bettflüchtigen lernen, unsere eigene Schlaftablette zu werden. Ich bin kein Superschläfer geworden. Meine Vorstellung, auch ich könnte auf Kommando ins kleine Koma fallen, war Wunschdenken und Selbsttäuschung. Inzwischen habe ich kapiert: Schlaf ist eine grandiose Projektionsfläche unserer Seele, unserer Wünsche und Ängste. Wie ich bin, so schlafe ich: sehnsüchtig, ehrgeizig, ängstlich, mich verzehrend; oder zufrieden, zuversichtlich, mit mir im Reinen. Der bekannte Hamburger Medizinhistoriker Prof. Osten hat mir mit auf den Weg gegeben: Im Schlaf spiegelt sich unsere seelische Verfassung.
Das klingt nicht so neu …
Bednarz: Richtig. Doch ich musste lernen: Es reicht nicht, eine solche Botschaft zu bekommen. Um wirklich zu begreifen, wie sehr der Schlaf unser Innerstes reflektiert, bedarf es der nachdrücklichen Auseinandersetzung mit uns selbst. Deshalb ist es so wichtig, darüber nicht nur zwei Zeilen zu lesen, sondern sich in einem Buch damit auseinanderzusetzen. Die Einsicht, dass ich eine verzagte, von Ansprüchen an mich und das Leben zernagte Seele mit ins Bett nehme, ist mir sehr schwergefallen.
Wer erkennt im Spiegel schon gern einen unzufriedenen Mann? Wer gesteht sich ein, dass er sich ein eigentlich gutes Leben mit einer wunderbaren Frau und drei tollen Töchtern durch törichte Vergleiche und unerreichbare Vorgaben unnötig schwermacht? Der schlechte Schlaf hat mir den Weg zur Selbsterkenntnis gewiesen. Wenn ich jetzt in der Frühe erwache, bin ich dankbar für eine halbwegs gute Nacht, mache deutlich zufriedener und zuversichtlicher unsere Betten und gehe gestärkter in einen Tag, an dem ich versuche, loszulassen und mich abends mit einem „Lass gut sein, Junge!“ wieder in die Daunen zu kuscheln.
Keine Angst vor dem Schlaflabor
Ab wann ist der Mann mit seinem Schlafproblem ein Fall für den Arzt?
Bednarz: Wenn er permanent gerädert aufwacht. Ich empfehle da den Gang zu einem Facharzt, den Besuch eines Schlaflabors. Davor muss man keine Angst haben. Ich habe dort inmitten der Schläuche prima geschlafen. Der Dieter, der dachte, das machst du für das Buch, musste erkennen: Mann, meine liebe Frau Esther hat recht. Ich schnarche doch ganz schön heftig, gehöre daher ab und zu auf die Couch im Wohnzimmer. Womit ich nicht gerechnet hatte: Auch ich habe eine mittlere Schlafapnoe.
Eine Schlafapnoe entsteht, wenn die Muskulatur in den oberen Atemwegen erschlafft. Warum schnarchen Männer? Sind Schlafmasken der Retter?
Bednarz: Ja, Frauen atmen laut, sie haben ein besseres Gewebe im Hals. Männer schnarchen biologisch bedingt eher. Häufige Ursache dafür ist bei Männern Übergewicht oder Alkohol. Dagegen kann man etwas tun. Der Schlafapnoe kommt man nur mit dem Besuch beim Facharzt auf die Schliche. Und ja, Schlafmasken können dann sehr hilfreich sein.
Wenn ich jetzt doch mal schlecht schlafe?
Bednarz: Machen Sie sich nicht verrückt, setzen Sie sich nicht unter Leistungsdruck in Sachen Schlafzeit. Aber wichtig ist, dass wir medizinische Gründe für schlechten Schlaf ausschließen. Wenden Sie sich an die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung. Scheuen Sie nicht den Gang ins Schlaflabor. Achten Sie auf die Lebensführung.
Guter Schlaf ist für Sie heute …?
Bednarz: Ich musste lernen, es gut sein zu lassen, mir sagen: Ich habe heute genug gemacht. Ich muss jetzt nicht noch im Schlaf etwas leisten. Der Schlaf möchte nicht in irgendein Korsett gestanzt, sondern respektiert und umarmt werden. Der Schlaf ist ein Partner und wie in jeder guten Partnerschaft erwartet er Rücksichtnahme. Wenn wir ihn nicht respektvoll und achtsam behandeln, bekommen wir dafür die Quittung. Nochmals: Der Schlaf ist oft der Spiegel unserer Gesellschaft und der Spiegel unserer Seele.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Rüdiger Jope.
Hilfe finden:
Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung: dgsm.de
Weiterlesen:
„Augen zu und schlaf! Handbuch eines Bettflüchtigen für eine gute Nacht“ (Berlin Verlag) von Dieter Bednarz. Der Journalist, Autor und Referent schläft heute versöhnter. 30 Jahre berichtete er als Korrespondent für den Spiegel aus der arabischen Welt. Er steht u.a. zu Vorträgen zum Thema Schlaf zur Verfügung: dieterbednarz.de