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Sitzen ist das neue Rauchen: Drei Strategien gegen die Sitz-Krankheit

Regelmäßiges, zu langes Sitzen schadet dem Körper mindestens genauso viel wie Rauchen. Im Büro lässt es sich aber schlecht vermeiden. Was hilft?

Von Michael Stief

„Use it or loose it“, frei übersetzt: Wer‘s nicht benutzt, verliert‘s. So lautet das vielleicht wichtigste Gesetz in der Biologie des Menschen.

Gehirne von Säuglingen werden zunächst mit einer Überzahl an Hirnzellen geboren. Von denen sterben mit der Zeit all jene, die wir nicht benutzen. So ergeht es im weiteren Leben auch vielen anderen Körperfunktionen.

Am deutlichsten wird das bei den Muskeln: Hier werden diejenigen abgebaut, die wir nicht gebrauchen; und diejenigen werden stärker, die wir ständig nutzen. Wir sehen es auch an einmal Gelerntem. Je seltener wir eine Fremdsprache benutzen, umso weniger wissen wir von dem, was wir vielleicht in der Schule einmal mehr oder weniger gerne gelernt haben.

Ja, sogar unser Immunsystem vergisst, wenn es nicht mehr mit bestimmten Umgebungsreizen und Erregung konfrontiert wird. Dies erklärt zum Beispiel den überraschenden Anstieg an gewöhnlichen Erkältungskrankheiten nach dem Ende der Corona-Pandemie. Nachdem wir uns so lange durch Maskentragen alle Erreger ferngehalten hatten, erkannte unser Immunsystem auch die häufigeren Erkältungsviren nicht mehr schnell genug als Gefahr.

Was aber hat das damit zu tun, dass das Sitzen das neue Rauchen sein soll?

Sitzen = Rauchen: Übertreibung oder Fakt

Rauchen schadet. Wir nehmen dabei das Nervengift Nikotin, Teer und viele weitere teils krebserregende Stoffe auf. Diese legen die Reinigungsfunktion unserer Lungen lahm und nehmen dabei viele weitere Schadstoffe aus der Umgebung auf. Zudem wird unser Blut mit Kohlenmonoxid übersättigt. Bei einem Brand können wir von zu viel Rauch eine „Rauchvergiftung“ bekommen. Diese Tatsache macht intuitiv klar, dass Rauchen ungesund ist. Auch wenn es aktive Raucher gerne verdrängen.

Was aber sollte am Sitzen schlecht oder schädlich sein? Wenn wir uns nach ausgedehnter körperlicher Arbeit oder nach intensivem Sport hinsetzen und ausruhen, tut uns das gut. Doch eben nur dieser Wechsel von Anstrengung und Entspannung ist das eigentlich Wohltuende und Gesunde. Für das Sitzen selbst gilt der Satz: „Die Menge macht das Gift!“ Was in der Wechselbelastung Erholung bewirkt, verursacht auf Dauer Erschlaffung und Fehlbelastungen.

Born to run

Der menschliche Körper ist für den aufrechten Gang und das Laufen ausgelegt. Anders als unsere nächsten Verwandten die Menschenaffen gehen wir jenseits des Krabbelalters in aller Regel nicht auf allen Vieren. Im Gegenteil: Völker wie die afrikanischen Massai oder die mittelamerikanischen Tarahumara laufen ganz alltäglich Strecken, wie sie in Europa nur für Langstreckenathleten im Training üblich sind.

Wir Menschen sind für langes beständiges Laufen gebaut. Vergleichbar mit einem Rallyewagen mit Turbodiesel. Statt 10 oder 20 Kilometer am Tag zu laufen, sitzen wir jedoch zehn oder zwölf Stunden – am Frühstückstisch, im Bürostuhl und auf dem Sofa. Das ist, als würden wir unsere Turbodiesel-Rallyemaschine in die Garage stellen. Dort versottet der Motor, werden die Leitungen brüchig und frisst sich der Flugrost in die Karosserie.

Entsprechend finden Mediziner bei sitzenden Büro-Bewohnern häufig folgende „Mängel“:

  1. Muskelschwäche
  2. Verschlechterte Körperhaltung
  3. Schlechte Durchblutung
  4. Erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten
  5. Mentale Auswirkungen

Kurz gesagt: Regelmäßiges, zu langes Sitzen schadet Körper, Geist und Seele.

Auswirkungen auf den Körper

Genau darum werden – nach der biologischen Grundregel Use-it-or-loose-it – unsere Laufmuskeln schwächer. Andere Muskelgruppen überbeanspruchen wir dagegen: Die Hals- und Nackenmuskeln sollen beim Laufen nur einen aufrechten Kopf stabilisieren. Jetzt müssen sie einen vorgebeugten Kopf tatsächlich halten. Dies entspricht etwa einem Gewichtunterschied von 23 kg: 28 kg beim Halten im Vergleich zu 5 kg beim Stabilisieren. Das führt langfristig zum Upper Cross Syndrom mit Verspannungen, Schmerzen, Knorpel- und Knochenschäden bis hin zu Belastungen für die inneren Organe.

Unser Herz, das ja auch ein Muskel ist, bekommt ebenfalls nicht das notwendige Training. Es wird dadurch sowohl für die Wechsel-, Dauer- als auch Spitzenbelastung schwächer. Unsere Blutbahnen werden weniger rhythmisch vom Blut durchgewalkt und damit schwächer; Fettablagerungen werden nicht mehr weggespült. Unsere Venen, die nur passiv durch Muskelbewegungen aktiviert werden, können sich entzünden.

Schadstoffe, die durch ein bewegtes Lymphsystem abtransportiert werden, lagern sich mit „Wasser in den Beinen“ ab.  Ja, sogar unser Verdauungssystem wird nicht mehr naturgemäß beansprucht, was zu Verdauungsbeschwerden und schlimmstenfalls zu Diabetes führen kann.

Psychische und körperliche Schäden

Und nicht zuletzt ist unser Körper mit einem Belohnungssystem ausgestattet. Dieses belohnt uns für Bewegung und Anstrengung mit Glückshormonen. Nicht nur in Form des Runners High, sondern auch durch ein gutes Gefühl nach jeder positiven Anstrengung. Wo diese Glückshormone dauerhaft zu wenig produziert werden, wird seelischen Verstimmungen bis hin zur Depression der Weg gebahnt.

Noch mehr: Die natürliche Stressreaktion auf erlebte Bedrohungen ist besonders auf eine eilige Flucht hin optimiert. Der mentale Dauerstress von Bürobewohnern hinterlässt sowohl psychisch als auch körperlich Schäden, wenn die stressbedingte Aktivierung des Körpers nicht durch natürliche Bewegung verwertet wird.

All dies ist schon lange bekannt und wurde wiederholt in wissenschaftlichen Studien belegt. Doch trotz Schrittzählern, periodisch auftretenden Lauf-Päpsten und zuletzt auch SmartWatches und Fitness-Trackern gehen und bewegen wir uns kollektiv zu wenig. Was tun? An ausreichend körperlicher Bewegung führt kein Weg vorbei. Doch was ist „ausreichend körperliche Bewegung“?

Der 10.000 Schritte Mythos

Zu Zeiten unserer Großeltern hieß es zum Beispiel: Nach dem Essen sollst Du ruhen oder 1.000 Schritte tun. Diese Alternative mag Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts noch gut funktioniert haben, als große Teile der Bevölkerung einer überwiegend körperlichen Arbeit nachgingen. Heute ist eher die Regel 10.000 Schritte pro Tag eine brauchbare Orientierung, auch wenn sie nicht wissenschaftlich verbürgt ist, sondern auf einen japanischen Marketinggag zurückgeht.

Im Gefolge der Olympische Spiele in Tokio 1964 brachte die Firma Yamasa den ersten kommerziellen Schrittzähler heraus. Der erhielt auf Japanisch den knackigen Namen „manpomeetaa“, also „10.000-Schritte-Zähler“. Das Japanische hat eine zusätzliche Zählschwelle bei 10.000 mit der Bezeichnung „man“. Das klingt viel besser als „nanasengohyaku“. Auf Deutsch 7.500, was laut aktueller Forschung das Optimum wäre, um die Lebenserwartung zu erhalten. „ichinichi ichimanpo“, „jeden Tag 10.000 Schritte“, gab für japanische Hörgewohnheiten jedoch einen unwiderstehlichen Slogan ab.

Die US-Gesundheitswissenschaftlerin Catrine Tudor-Locke pushte in den 2000er Jahren die Praxis des 10.000-Schritte-Zählens mit einem sehr kleinen, sehr dünnen und sehr reißerischen Buch. Heute ist dieses Schrittziel in vielen Fitness-Trackern und SmartWatches als Default-Einstellung vorgegeben.

Dennoch: Als Tagesziel sind die 10.000 Schritte brauchbar. So erreichen wir auch dann einen gesunden Bewegungsdurchschnitt, wenn uns Sitzungs-Marathons, Schulungen oder die gelegentliche eigene Trägheit aufs Sofa zwingen.

3 Strategien gegen die Sitz-Krankheit

Es heißt: Die Menge macht das Gift. So ist es auch mit dem Sitzen. Passende Strategien brechen unsere ungesunden Sitzgewohnheiten auf. Diese setzen an drei Stellen an:

  • Dauer
  • Haltung
  • Ausgleich

Weniger lange sitzen, öfter aufstehen

Sitzen Sie weniger und wenn das in Summe nicht geht, dann weniger lange am Stück. Handelsübliche Fitness-Tracker erinnern einen daran, einmal pro Stunde ein paar Schritte zu gehen. Es reicht aber auch schon, sich am Glockenschlag der nächsten Kirchturmuhr zu orientieren.

Das passt auch gut zu anderen förderlichen Gewohnheiten, wie zum Beispiel regelmäßig zu trinken oder die Augen durch entspanntes Sehen auf unterschiedliche Distanzen zu entspannen. Durch ein „Gewohnheiten stapeln“ lassen sich die ohnehin nötigen Bio-Pausen kreativ aufwerten: Beispielsweise durch einfache Bewegungsübungen wie Rumpfdrehen, seitliches Abbeugen in den Hüften, Vorbeugen oder Rückendehnen. Oder durch einen Mini-Spaziergang in Form eines kleinen Umweges zum eigentlichen Ziel, seien es Kaffeemaschine, Wasserspender oder Toilette. Eine gute Orientierung liefert sinngemäß das vom Evangelisten Matthäus überlieferte Jesus-Wort: „Wenn Dich jemand nötigt eine Meile zu gehen, so gehe mit ihm zwei.“

Haltung bewahren

Natürlich lassen sich nicht alle Arbeiten im Gehen oder Stehen erledigen. Wenn wir also schon sitzen, dann kommt es dabei auf drei Dinge an: Bewusste Haltung, einen ergonomischen Arbeitsplatz und die richtige Sicht. Wer sich beim Arbeiten in den Stuhl lümmelt, multipliziert die negativen Auswirkungen des Sitzens. Unser Kopf ist weit schwerer als wir wahrnehmen. Unsere Muskeln sind dafür gebaut, diesen mit wenig Kraft dynamisch zu balancieren, anstatt ihn statisch mit viel Kraft zu halten. Daher also eine aufrechte Haltung bewahren, Füße stabil auf dem Boden, etwas Körperspannung und den Kopf locker balancieren.

Ebenso hilft ein ergonomischer Arbeitsplatz mit den passenden Abständen und Winkeln von Stuhl, Tisch, Tastatur und Monitor sowie für Brillenträger eine aktuelle Bildschirmbrille. Optiker werden bestätigen, dass die meisten Menschen mit Brille dazu neigen, fehlende Sehschärfe auszugleichen, indem sie den Kopf nach vorne beugen. Dann ist es schnell vorbei mit dem lockeren Balancieren unseres Hauptes.

Zum Haltung bewahren gehört auch das passende Mindset. Den Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen muss man wirklich wollen und nicht getrieben von einem falschen Fleiß stundenlang durcharbeiten. Moralische Unterstützung bekommen wir dabei auch von der Psychologie. Die belegt, dass wir auch mental effektiver sind, wenn wir Pausen machen. Erst recht, wenn wir uns in diesen Pausen bewegen.

Ausgleich schaffen

Wenn wir unsere Gewohnheiten unter die Lupe nehmen, finden sich viele Möglichkeiten, unsere Arbeit- oder Freizeitaktivitäten im Stehen oder Gehen zu erledigen. Ein persönliches Brainstorming lässt sich Dank der Diktierfunktion des Smartphones auf einem kurzen Spaziergang erledigen. Im Team finden sich im Stehen am Flipchart oder Whiteboard auch oder gar mehr kreative Ideen. Einzelne Unternehmen haben die Stühle aus ehemaligen Sitzungszimmern verbannt – mit positiven Effekten. Sitzungen wurden dadurch nicht nur kürzer, sondern auch produktiver.

Führungskräften empfehle ich gerne, Mitarbeitergespräche im Gehen zu führen. Dabei bringt die notwendige gemeinsame Perspektive beim Gehen wie auch die taktgleiche Bewegung selbst zusätzliche subtile positive Effekte für die Kommunikation. Gleichzeitig sorgt es für den Wechsel von Sitzen und Bewegung.

Und natürlich gehört an diese Stelle auch der Sport: Gehen, Laufen, Schwimmen, Radfahren oder auch Krafttraining können uns helfen, die negativen Effekte des „sesshaften“ Lebensstiles zu kompensieren. Hier ist eine hohe Frequenz wichtiger als eine hohe Dosis: Einmal in der Woche in einem Mannschaftstraining im Fußball oder Volleyball durchzupowern, pusht vielleicht den Kreislauf und pustet die Blutgefäße durch. Das ersetzt aber nicht den täglichen Ausgleich.

Beim Putzen die Fitness aufpolieren

Hier mag jeder seinen speziellen Weg finden, doch eine überraschende Erkenntnis aus der Forschung hilft nicht nur öfter zu „trainieren“, sondern auch quasi nebenbei: Mit der entsprechenden Einstellung haben nämlich auch gewöhnliche Hausarbeiten einen sportlichen Effekt.

Die Harvard-Psychologinnen Alia Crum und Ellen Langer fanden vor zehn Jahren in einer Vergleichsstudie mit 84 Zimmermädchen heraus, dass die Kenntnis über die positiven gesundheitlichen Effekte bei Reinigungstätigkeiten konkrete Auswirkungen auf Blutdruck und BMI bzw. Körpergewicht haben.

Also gerne öfter den Staubsauger-Roboter in Urlaub schicken und selbst mit dem Handstaubsauger dynamisch durch die Zimmer wirbeln, den Staublappen schwenken oder beim Müll entsorgen einen Schritt schneller gehen oder gar einen Umweg mache.

Und falls Sie es zwischenzeitlich noch nicht getan haben: Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt aufzustehen und ein paar Dutzend Schritte zu gehen … und in einer Stunde wieder!

Michael Stief (59) ist Experte für Positive Kommunikation, Teamwork und Führung und Gründer des Beratungsnetzwerks POSITIVE HR. MANAGEMENT (positive-hr.de).

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Warum das 80:20-Prinzip ein Update braucht

Die 80:20-Regel führt nicht automatisch zum Erfolg. Dazu braucht es das 40-20-40-Prinzip als Ergänzung. Wie das Ihre Effektivität maximiert, verrät Coach Michael Stief.

Das 80:20-Prinzip meint die Beobachtung, dass in einer großen Anzahl von Fällen 80 Prozent einer Leistung schon mit 20 Prozent des Aufwandes erreicht werden. Dieses Prinzip ist zu der Faustregel schlechthin für zeitökonomisches Handeln geworden. Die 80:20-Regel hat aber noch eine eher unbekannte Schwester, die 40-20-40-Regel, die die Effizienz durch Effektivität komplettiert.

Von der ungleichen Landverteilung zur Faustregel für Effizienz

Beschrieben hat den 80:20-Effekt der Italiener Vilfriedo Pareto (1848–1923). Daher ist dieser Zusammenhang auch als Pareto-Prinzip bekannt. Pareto war Ökonom und stellte fest, dass im Italien seiner Zeit 80 Prozent der privaten Landfläche im Besitz von 20 Prozent der Bevölkerung waren.

Leider verbreitete sich durch Paretos Entdeckung des 80:20-Prinzips nicht die Frage nach der gerechten Verteilung von Gütern. Stattdessen war es die teils richtige, teils unsinnige Idee, dass sich in allen wirtschaftlichen Zusammenhängen und Prozessen diese magische Formel anwenden ließe.

Einfach machen, statt Perfektion anzustreben

Praktisch gesehen lässt sich das 80:20-Prinzip sinnvoll nutzen, wenn es darum geht, mit begrenzten Mitteln ein Ziel zu erreichen. Beispielsweise beim Erstellen einer Präsentation, die sich in kurzer Zeit in brauchbarer Qualität erstellen lässt. Oder auch beim Schreiben, wo der „shitty first draft“, der „schlechte erste Entwurf“ auch schnell auf dem Papier oder in der Maschine ist. Selbst beim wöchentlichen Hausputz lässt sich eine akzeptable Ordnung und Sauberkeit in 20 Prozent der Zeit herstellen, die für einen kompletten und gründlichen Frühjahrsputz notwendig wäre.

Aber genau da steckt der Teufel im Detail, nämlich genau in den Details, die für ein gutes oder gar „perfektes“ Ergebnis (wenn es denn annähernd so etwas geben kann) nötig sind. Das Pareto-Prinzip prophezeit nämlich gerade, dass für ein ganz bestimmtes Ergebnis eben auch viermal so viel Zeit notwendig ist wie für den ersten Entwurf. Oder auch, dass bei einer Prüfung bei 20 Prozent Zeiteinsatz eben auch nur die Note befriedigend erwartet werden kann. (Was natürlich in dieser Unmittelbarkeit Unsinn ist, aber Sie verstehen die Idee.)

Zusammengenommen ist das Pareto-Prinzip im besten Fall eine Daumenregel, um sich vor Perfektionismus zu hüten und mit wirtschaftlichem Aufwand zu einer brauchbaren Lösung zu gelangen. Im schlechtesten Fall führt es zu Pfusch oder zu einer ungesunden Arbeitsverdichtung in der Annahme, die Zeit jenseits der magischen 20-Prozent-Grenze ließe sich irgendwie einsparen.

Die richtigen Dinge tun

Das Pareto-Prinzip beantwortet die Frage, welchen Aufwand und Zeiteinsatz wir sinnvollerweise in eine Aufgabe stecken sollten. Dabei bleibt offen, was in dieser Zeit zu tun ist. Beim Software-Engineering wird das mit einer einprägsamen Merkformel gesteuert. Hier gibt es die 40-20-40-Formel, die, anders als das Pareto-Prinzip, außerhalb der Industrie leider kaum bekannt ist.

Einfach gesprochen empfiehlt dieses Vorgehen 40 Prozent des Aufwandes in die Zieldefinition zu stecken, 20 Prozent in die Umsetzung und 40 Prozent in den Test, ob die Software fehlerfrei funktioniert. Während also das Pareto-Prinzip die Effizienz steigert, fördert das 40-20-40-Prinzip die Effektivität. Nicht Schnelligkeit oder Begrenzung des Aufwandes stehen im Vordergrund, sondern ein möglichst genaues Verständnis der Lage, des Ziels und der Genauigkeit der Zielerreichung.

Auf andere Bereiche übertragen

Dem liegt die Erfahrung zugrunde, dass bei ungenauer Problemanalyse oder unzulänglicher Ergebniskontrolle erhebliche Fehler auftreten können. Diese können bei entsprechend kritischen Computeranwendungen in medizinischen Geräten etwa fatale Folgen haben. Es lässt sich leicht ahnen, dass sich diese Vorgehensweise ebenfalls sinnvoll auf andere Felder übertragen lässt.

Zum Beispiel auf die Charakterentwicklung: So lässt sich dieses Prinzip etwa in der Beichtpraxis der katholischen Kirche wiederfinden. Die Zehn Gebote definieren konkrete Ziele für eine gesunde menschliche Entwicklung. Zum Beispiel die Wahrheit zu sagen, die eigenen und fremden Grenzen zu achten und so weiter. Im Alltag werden diese Prinzipien umgesetzt – oder auch nicht. In der Beichte erfolgt dann die Fehlerprüfung, das „debugging“, mit dem Vorsatz diese Fehler in Zukunft zu beseitigen. Auch bei mir im Führungskräfte-Coaching hat sich dieses dreigliedrige Struktur in Form von Standortbestimmung/Zielbildung, Umsetzung und Feedback bewährt.

Zweimal messen, einmal schneiden

Die treffendste Beschreibung dieser Effektivitäts-Regel habe ich einmal von einem Schreiner gehört: Zweimal messen, einmal schneiden! Der meinte zwar mit „zweimal Messen“ eher das genaue Maßnehmen, aber beim 40-20-40-Prinzip geht es genau darum:

  • Einmal messen, das heißt: Genau analysieren, was wir erreichen wollen. Wie genau ist die Lage? Wer ist betroffen und wie? Was ist der Kern des Problems?
  • Dann die passenden Maßnahmen durchführen. Hier investieren wir 20 Prozent Ihrer Ressourcen (Zeit/Geld).
  • Zuletzt wieder messen, das heißt: Überprüfen, ob das gewünschte Ergebnis erreicht wurde, was nicht funktioniert hat und warum. Außerdem mögliche nächste Schritte einleiten, um das gewünschte Ergebnis doch noch zielgenau zu erreichen.

Verbinden wir das 80:20 Prinzip für „gesunde Selbstbeschränkung“ und das 40-20-40-Regel für die Zielgenauigkeit und die Effektivität einer Problemlösung, erreichen wir das optimale Ergebnis. Dann werden wir künftig nicht nur die Dinge richtig tun, sondern auch öfter die richtigen Dinge.

Michael Stief  (58) ist Experte für Positive Kommunikation, Teamwork und Führung und Gründer des Beratungsnetzwerks POSITIVE HR. MANAGEMENT (positive-hr.de).