SET KinderOper mit Rainer Mühlbach

Den Taktstock schwingen – so leicht wie es aussieht?

Dirigent Rainer Mühlbach zeigt, dass sein Job mehr ist, als mit den Armen herumzufuchteln. Es ist eine hohe Kunst, harte Arbeit und viel Gespräch.

Von Sven-Erik Tornow

Hand aufs Herz: Wer von uns stand nicht schon mal als Kind vor dem Lautsprecher und hat dirigiert? Die kleinen Ärmchen schwangen im Rhythmus in der Luft. Wir fühlten uns großartig. Aber nur die wenigsten von uns wollten später tatsächlich Dirigent werden. Umgekehrt überlebte der Wunsch, den Takt anzugeben, bei den meisten von uns. Dabei ist der Alltag eines Dirigenten weit mehr als das, wie mich die Begegnung mit Rainer Mühlbach, dem Leiter des Internationalen Opernstudios der Oper Köln sowie dem Musikalischen Leiter der Kinderoper Köln, lehrte.

Pünktlichkeit ist gefragt

Schon einen passenden Termin zu finden für die Stippvisite im Berufsleben des Familienvaters, war nicht so einfach. Spielzeiten, Proben und ein passendes Stück mussten abgestimmt werden. Im Oktober war es endlich so weit. Die Wiederaufnahme der Kinderoper „Die Bremer Stadtmusikanten“ stand auf dem Plan. „Wiederaufnahme heißt, wir haben das Stück bereits im Programm gehabt“, erklärt Rainer. Wir treffen uns auf dem Parkplatz direkt vor dem Bühneneingang des Ausweichquartiers der Kinderoper. Die ist, wie die ausgewachsene Oper, ins Staatenhaus gezogen, da das Gebäude am Offenbachplatz seit Jahren saniert wird. Rainer ist wie immer mit dem Rad unterwegs und kommt kurz vor unserem Termin an. „Pünktlichkeit ist wichtig“, hatte er mir vorher eingebläut. „Wer spätestens 15 Minuten vor Probenbeginn nicht da ist, wird angerufen. Denn schließlich ist man aufeinander angewiesen.“

Brigitta Gillessen, eine Kollegin von Rainer, lotst mich am Pförtner vorbei in den unspektakulären Hinterbühnenbereich. Im Ausweichquartier ist alles provisorisch. Denn man wartet und hofft auf den Umzug ins angestammte Haus in der Kölner Innenstadt. Container reihen sich aneinander, dazwischen breite Gänge. Durch offene Türen erhasche ich einen Blick auf Kostüme, Requisiten und ein Büro. Schon geht es treppauf in den eigentlichen „Bühnenraum“. Noch erhellen die Neonröhren an der Saaldecke die Szene: Bühne und Zuschauerraum sind in die viel größere Halle hineingesetzt. Begrenzt von schwarzen Wänden. Die MusikerInnen des Orchesters stimmen ihre Instrumente, im Hintergrund höre ich das typische Trällern einer sich einsingenden Darstellerin. Das Technikpult am hinteren Ende der tribünenartig ansteigenden Sitzreihen ist besetzt. In der szenischen Probe mit Orchester sollen auch alle Licht- und Bühneneffekte geübt werden.

„Talent ist gut. Übung ist besser. Sein Können auf der Bühne im Zusammenspiel mit dem gesamten Ensemble umzusetzen, ist das Beste“

Rainer Mühlbach

„Bis es zu solchen gemeinsamen Proben kommt, ist schon sehr viel Arbeit getan“, weiht mich Rainer in der späteren Mittagspause ein. „Einzelproben mit den Sängerinnen und Sängern, Orchesterproben ohne Gesang, szenische Proben ohne Orchester.“ Jede Rolle ist mehrfach besetzt. Ein Großteil der DarstellerInnen der Kinderoper ist im Opernstudio unter Vertrag. Das ist gewissermaßen die Talentschmiede der Kölner Oper. Manche haben ihr Studium noch nicht beendet oder setzen es in Köln fort. Andere sind bereits mit ihrer Hochschulausbildung durch. Allen gemeinsam ist, dass sie über das Opernstudio erste Bühnenerfahrung sammeln können. Und dass sie ganz individuell von Rainer betreut und geschult werden. Einige schaffen es später auch ins Ensemble der Kölner Oper. Oder erhalten ein Engagement an einem anderen Haus. „Talent ist gut. Übung ist besser. Sein Können auf der Bühne im Zusammenspiel mit dem gesamten Ensemble umzusetzen, ist das Beste“, macht Rainer deutlich.

Alles hört auf sein Kommando

Einige Musiker bekommen von den Orchesterwarten schnell noch LED-Pultleuchten, damit sie ihre Noten lesen können, nachdem die Neonlichter ausgegangen sind. Die Bühne erstrahlt im Aufführungslicht, der Saal hüllt sich in Schwarz. Rainer steht am Pult, die Partitur vor sich. Eng beschrieben sind die Doppelseiten, alle Stimmen des Orchesters sind hier notiert. Sein Taktstock hat am Griffende eine murmelgroße Korkkugel. Damit liegt er besser in der Hand. Endlich startet die erste Szene, noch ohne Musik. Der Darsteller des Esels spricht mit Rainer, die Grenze zwischen Bühne, Orchester und Publikum wird durchbrochen. Kurz bevor das Orchester einsetzt, hebt Rainer seinen Taktstock. Dann wird der Saal mit Musik erfüllt. Gesang kommt hinzu, das Stück nimmt seinen Lauf.

Plötzlich bricht Rainer ab. Etwas passt nicht. Ich habe nichts Falsches gehört, er schon. Darüber spreche ich später mit ihm. Jetzt gibt er erst einmal Anweisungen, er erklärt, worum es ihm geht. Mal passt der Rhythmus nicht, mal der musikalische Ausdruck. Im Laufe der Probe gibt es immer wieder solche Unterbrechungen – klar, ist ja auch eine Probe. Rainer spricht ruhig und entspannt mit den MusikerInnen und SängerInnen. Korrigiert auch eine Phrase, die man in der Orchesterprobe bisher anders einstudiert hatte. Ein paar Mal singt er auch die aus seinem Verständnis richtige Version vor. Dann gibt Rainer die Taktzahl an, an der Orchester und SängerInnen einsetzen sollen. Sein Taktstock gibt mal den Rhythmus vor, mal den Einsatz. Aber dirigiert wird mit beiden Händen. Alle hören auf Rainers Kommandos, die sich gar nicht wie Kommandos anhören.

„Mit der Routine kommt die Sicherheit. Und mit der Sicherheit erweitert sich der Raum für die künstlerische Interpretation.“

Rainer Mühlbach

In der Probenpause werden einige Details noch einmal angesprochen. Und während Rainer sich mit mir unterhält, gesellt sich einer der Sänger zu uns. Ein gebürtiger Ire, der im Stück den Hund verkörpert. Er und Rainer sprechen Englisch miteinander. Sie vereinbaren einen Probentermin für später. „Er ist auch im Opernstudio“, sagt Rainer. „Wir werden noch mal ein paar Dinge nacharbeiten.“ Was für mich so spielerisch einfach aussieht, ist letztlich harte Arbeit. In der Probe sind alle hoch konzentriert. Wird eine Szene wiederholt, sind alle Abläufe auch zu wiederholen. „Es ist spannend zu beobachten, wie sich ein Stück im Laufe der zahlreichen Aufführungen auch verändert. Mit der Routine kommt die Sicherheit. Und mit der Sicherheit erweitert sich der Raum für die künstlerische Interpretation“, weiß Rainer aus seiner 14-jährigen Erfahrung an der Kölner Oper.

Kinder für die Kunst gewinnen

Gleich mehrmals wird Rainer als Darsteller in das Stück eingebunden. Hilft, ein Schild aufzuhängen oder sitzt mit den vier Tieren an der Bühnenkante. Auch das Publikum, also die Kinder, werden in die Handlung einbezogen. Ich staune über die spielerische Art, wie Kinder an klassische Musik, an Operngesang und szenische Dialoge herangeführt werden. Bei mir springt der Funke auch über. Obwohl es nur eine Probe ist. Zum Schluss ist auch mein Rat gefragt. Es geht darum, ob den Kindern eine Frage gestellt werden soll oder nicht. Häufig antworten die intuitiv, aber nicht so wie erhofft. Gemeinsam finden wir eine Lösung, die ausprobiert werden soll. Während wir noch diskutieren, haben die Musiker ihre Instrumente eingepackt. Der neonbeleuchtete Saal leert sich, der Zauber ist vorbei. Bühnenarbeiter räumen auf. Für die kommende Probe muss alles wieder auf Anfang.

Rainer und ich gehen in die Kantine. „Für viele der schönste Raum im Staatenhaus“, meint Rainer. Und beim Blick durch das große Bogenfenster auf den sonnenbeschienenen Tanzbrunnen kann ich nur zustimmen. Wir stellen uns an und treffen einige der SängerInnen wieder. Sie stärken sich auch mit dem täglich frisch und selbst gekochten Essen. Selbst als wir uns zum Gespräch etwas abseits setzen, werden wir immer wieder unterbrochen. Mal grüßt jemand, mal gibt es kurz etwas zu besprechen. Wie wird man denn Dirigent?, will ich jetzt wissen. Rainer erzählt, dass er in seiner Geburts- und Heimatstadt Dresden Klavier und Dirigieren an der Hochschule „Carl Maria von Weber“ studiert hat. 1988 führte ihn der Gewinn eines Förderpreises nicht nur nach Schleswig-Holstein, sondern auch in den Wirkungsbereich des weltberühmten Komponisten, Dirigenten und Pianisten Leonard Bernstein. Der hatte zugesagt, die Förderpreisträger in eine seiner Produktionen einzubinden. Daraus entwickelte sich eine Assistenz bei dem US-amerikanischen Dirigenten. Über Engagements an der Semperoper Dresden, dem Theater Basel, der Hamburgischen Staatsoper, dem Theater Bremen und der Stadt Münster gelangte Rainer schlussendlich nach Köln.

Es kommt darauf an, wie man den Takt angibt

Kein Wunder, dass er Fehler hört, die ich nicht einmal wahrnehme. In der Vorbereitung von Opern oder Konzerten setzt sich Rainer intensiv mit dem jeweiligen Werk auseinander. Am Ende kann er es sogar auswendig. Die Partitur ist dann nur noch eine Gedankenstütze für vereinbarte Akzente oder Interpretationen. Und doch ist es nicht nur das Hören, sondern auch die eigene Vorstellung von dem Werk im Rückbezug auf das, was der Komponist einst zum Ausdruck bringen wollte. Klingt nach sehr viel Kopfarbeit, ist aber mindestens genauso viel körperliche Arbeit. „Ein Dirigent gibt zwar den Takt vor, und sicher auch die Interpretation eines Stückes, aber er versteht es auch, die beteiligten MusikerInnen und SängerInnen mit ihren Stärken einzubeziehen. Einerseits gibt er den musikalischen Ton an, andererseits schafft er Raum für das Orchester und die DarstellerInnen.“

Am Ende dieses Besuches weiß ich: Dirigieren ist mehr, als mit den Armen herumzufuchteln. Und dass ein Taktstock höchstens die Luft „schlägt“, aber nicht die MusikerInnen. Jedenfalls ist das bei Rainer so. Er vermittelt klar und deutlich, aber nie entblößend oder verletzend. Er dirigiert mit einem hohen musikalischen Anspruch, aber nicht als Alleinherrscher mit Starallüren.

Sven-Erik Tornow arbeitet als Fachjournalist, Fotograf und Kommunikationsberater in Köln.  Neben seinem kirchlichen Engagement ist er ein begeisterter Langläufer, Leser, Cineast, Jazzliebhaber und Labradorbesitzer.

 

Förster Alexander Clauss

Förster Alexander Clauss: „Ich bin kein Knecht der Holzindustrie“

Der Förster aus dem Erzgebirge setzt sich in seinem Revier für die nachhaltige Nutzung des Waldes ein – mit Unternehmergeist und dem Herz eines Baumschützers.

Von Rüdiger Jope

Frische Luft. Blauer Himmel. Tauben gurren. Ich bin angekommen, in Eibenstock, im Erzgebirgskreis auf knapp 700 m Höhe. „Glück auf!“ Leicht sächselnd streckt mir Förster Alexander Clauss strahlend auf dem Parkplatz des Staatsbetriebes Sachsenforst seine Hand entgegen. Einen Augenblick später sitze ich mit einer Tasse „Gaffee“ in seinem Büro. Papierwild kommt der Schreibtisch daher. Über dem Beamten thronen Holzproben und Geweihe. Der 40-Jährige checkt gerade seine E-Mails.

Medizin Mischwald

Er ist zuständig für das Revier Schönheide, „eine Fläche von rund 3.000 Fußballfeldern“. Vom ersten Moment an spüre ich: Hier ist einer waldverliebt. Hier lebt einer seinen Job. Hier trägt einer mit Herzblut Sorge dafür, „dass die Enkel noch einen Wald haben“. Der Wald hat für ihn eine Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion. Dafür kniet er sich rein. Sein Albtraum: „Ich komme in den Wald und entdecke 30 Bäume, die der Borkenkäfer befallen hat.“ Kahlschläge – wie sie derzeit deutschlandweit sichtbar sind – begegnen mir an diesem Tag nicht. Mit spürbarem Stolz in der Stimme erklärt mir der Förster: „Unser Team hat hier in den letzten Jahren einen wirklich exzellenten, gemeinschaftlichen Job gemacht. Befallene Bäume wurden sofort rausgemacht.“ Zudem setzte schon sein Vorgänger auf die „beste Medizin“, eine Mischung von Fichten, Buchen und Weißtannen. Diese Weitsicht zahlt sich jetzt im Klimawandel aus.

Der nagelneue VW ID schnurrt sich auf verschlungenen Wegen über bewaldete Hänge. Grün so weit das Auge blickt. Google Maps bleibt stumm. „Anfänger müssen hier noch Faltkarten nehmen. Selbst damit verfranzt du dich in dem Gewirr“, sagt’s, lacht und bringt das Auto vor einem Absperrband zum Stehen. „Baumfällarbeiten!“ Mit einem Helm und einer Weste in Orange nähern wir uns einem lärmenden „Computer auf Ketten“. Dann steht er vor uns: der Harvester. Kostenpunkt 750.000 Euro. Per Joystick sägt, packt und zerkleinert er scheinbar federleicht 150 Bäume an einem Tag, ersetzt damit die Arbeitskraft von zehn Waldarbeitern. „Glück auf!“ Alexander gibt der ehemaligen Konditorin die Hand, fragt nach: Wie geht’s dir? Die Schließung des Cafés während Corona spülte die junge Frau auf den Sitz des Ungetüms. Ich frage sie, was sie an diesem Job begeistert. „Ich bin den ganzen Tag draußen und kann mich hier selbst verwirklichen.“ Sie klettert hoch und lässt die Maschine wieder an.

Technik schützt Leben und erleichtert den Beruf

Auf dem Rückweg erzählt Alexander mir kopfschüttelnd von radikalen Umweltschützern, die diese Holzvollernter sabotieren. „Es ist Unsinn, den technischen Wandel zurückzudrehen. Der Harvester schützt das Leben der Menschen, die im Wald arbeiten!“ Clauss weist mich auf die weichen Spuren hin, die die breiten Ketten hinterlassen. Diese verhindern das Verdichten des Bodens. Wie zum Beweis huschen zwei Zauneidechsen vorbei. Wir stehen vor einem Holzhaufen. 60 Festmeter. Wert etwa 40.000 Euro. Nebenbei lerne ich, dass ein Festmeter Holz eine Masse von 1 x 1 x 1 m ohne Zwischenräume ist und ein Raummeter Holz in etwa 0,7 Festmetern Holz entspricht, sich also rund 30 % Luft in Form von Hohlräumen zwischen den Stämmen befinden. Mit Überzeugung setzt sich Alexander für nachhaltige Waldwirtschaft ein. Wenige Kilometer von hier erfand Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz vor über 300 Jahren diesen Ansatz. Die Gegend war fast baumlos. Ausgeblutet für Grubenholz, die Glasherstellung, das Verhütten des Eisenerzes. Carlowitz setzte auf eine nachhaltige Nutzung des Waldes. „Darum geht’s auch heute. Wir können nur so viel Holz ernten, wie nachwächst“, so Clauss.

„Glück auf!“, grüßt uns der große Schwibbogen am Dorfrand. Wir sind unterwegs zu Alexanders Lieblingsgebiet „Kuhberg“. Er hat sein Revier in fünf Tortenstücke aufgeteilt. Jedes Jahr widmet er sich einem Abschnitt. Menschen sollen sich in den Ökosystemen wohlfühlen. Dafür hat er im Winter einen alten zugeschlammten Tümpel, der früher die Wernesgrüner Brauerei mit Wasser versorgte, wieder hübsch gemacht. Neue Sitzbänke laden zum Verweilen ein. Rechts des Weges hat er eine Heckenrose und zwei Apfelbäume gepflanzt. Ein kleiner Hochstand für Kinder, von dem es Wildtiere zu entdecken gibt, verrät mir: Hier macht jemand nicht nur Dienst nach Vorschrift, hier kämpft sich auch einer durch den Dschungel an Förder- und Beschaffungsanträgen. Alexander reicht mir die Nadeln einer Douglasie. Sie gilt als ein widerstandsfähiger Zukunftsbaum. „Zerreib sie mal!“ Es duftet nach Zitrone. Im Gegensatz zur Weißtanne. Deren zerdrückte Nadeln riechen nach Orange. Dann nähern wir uns einer grauen Borkenkäferfalle. Etwa 1.000 „Buchdrucker“ wimmeln in ihr. Alex ist beruhigt. „Ab 40.000 Insekten müsste ich mir Sorgen machen“, sagt er, kippt sie in einen Eimer und schiebt nach, dass der Mischwald die „beste Medizin gegen Schädlinge und den Klimawandel“ sei.

„Ich bin kein Knecht der Holzindustrie, will aber aus jedem Euro Steuermittel, die hier investiert werden, zehn Euro Wertschöpfung hervorbringen.“

Alexander Clauss

Geburtsort des „Glück auf!“-Rufes

„Glück auf!“, „Glück auf!“, „Glück auf!“ schlägt es uns im Imbiss von allen Seiten freundlich entgegen. Wir setzen uns mit den goldgelben, knusprigen Pommes in den Schatten. „Ich dachte eigentlich, dass das ‚Glück auf!‘ nur ein Gruß im Ruhrgebiet ist.“ Alexander lacht und doziert. „Nein! Dieser Gruß wurde vom Erzgebirge in den Westen exportiert!“ Ich lerne in der Mittagspause: Eibenstock ist der Geburtsort dieses Rufes. Das schlägt sich sichtbar nieder: „Glück auf!“-Oberschule, „Glück auf!“-Aussichtsturm, „Glück auf!“-Pizzeria.

Alexander hat sich einen Gürtel mit Astsäge und Sprühdosen umgehängt. Er grinst. „Ich bin kein Knecht der Holzindustrie, will aber aus jedem Euro Steuermittel, die hier investiert werden, zehn Euro Wertschöpfung hervorbringen.“ Clauss hat das Gen eines Unternehmers und das Herz eines Baumschützers. Wir stapfen durch einen Lärchenwald. Alexander hantiert mit Farben. Er sprüht einen gelben Ring aufs Holz. Das ist Zukunftskapital, wertvoll, ohne Äste. Harzende oder von Pilzen befallene Stämme werden als Winterfutter für den Harvester mit einem orangenen Kreuz gezeichnet. Ein schräger Strich zeigt an: Dieser Baum wird in zwei Metern Höhe abgesägt und dient dann als Wohnort für Spechte und Ameisen. Alexander ringt um jedes einzelne Gewächs. Er prüft die Stämme, schaut in die Kronen, kratzt Flechten – ein Zeichen für sehr gute Luft – von der Rinde. Auf seinem Smartphone hält er fest, wo Waldarbeiter neue Bäume pflanzen sollen. „An diese lichte Stelle passt ein Feldahorn, in den Schatten gehört eine Tanne.“ Auf einer Lichtung entdecken wir das seltene Bärlapp. Plötzlich stehen wir vor einer alten, großen Fichte. Durchmesser 60 cm. Das Schmuckstück nötigt uns Ehrfurcht ab. „Die wird auch für viel Geld nicht von mir gefällt! Das ist ein Samen- und Lebensträger“, flüstert Alexander. An diesem Arbeitsplatz wird in Generationszyklen gedacht, gelebt und gearbeitet, denn Bäume säen sich erst nach fünfzig Jahren von selbst aus. Pro Jahr werden hier 40.000 Bäume entnommen, 30.000 bis 50.000 Setzlinge neu gepflanzt. Eine echte Mammutaufgabe verbunden mit Mückenstichen, Zeckenbissen und viel Schweiß.

Waidmannsheil!

Später Nachmittag. „Glück auf!“ Zwölf Jäger begrüßen sich am Waldrand in einer Runde zur Ansitzjagd. Während der Forstbezirksleiter eine Sicherheitsbelehrung gibt, auf die erfolgreiche Ansiedlung von vier Luchsen und deren striktes Abschussverbot verweist, prescht ein dunkler VW-Bus über den Schotter. Förster Clauss tritt ihm in den Weg, spricht den Fahrer freundlich auf das Fahrverbot im Wald an. „Ich erlasse Ihnen die 35-Euro-Strafe, wenn Sie umkehren.“ Er reagiert patzig, weigert sich, seine Papiere zu zeigen. Alexander fotografiert das Kennzeichen, sein Vorgesetzter tritt herzu. Dem Mann brennen die Sicherungen durch. Der Motor heult auf, die beiden treten zur Seite. Die Strafe fürs Abkürzen wird zusätzlich eine Anzeige der Nötigung nach sich ziehen.

„Waidmannsheil!“ Wir haben den Hochsitz erklommen. Flüstern. Die Waffe ist geladen. Das Zielfernrohr montiert. Alexander knabbert noch an dem Vorfall. Als Förster ist er auch Polizist. Wenige Monate vorher wurde er im Beisein seiner Kinder aus dem Haus geklingelt und von einem Uneinsichtigen bedroht. An den Tränen seiner Tochter kaut er lange.

Warten. Flüstern. Kleine Bäume kommen hier im Forstbezirk ohne Zäune und Plastikschutz aus. „Mein Chef sagt, das sieht dann aus wie ein Soldatenfriedhof.“ Lachen. „Wir setzen hier auf konsequente Jagdpolitik“, so der 40-Jährige. Ich hake leise nach. „Wie vereinbarst du das Töten mit deinem Christsein?“ Alexander ist wach. Es ist ein Schöpfungsauftrag. „Wir haben die Natur zu bewahren. Die Jagd ist nötig, weil das Wild keine natürlichen Feinde mehr hat. Wir sitzen hier, um den Wald für die Menschen zu bewahren. Tiere schießen ist nicht schön, daher ist es auch notwendig, dass ich das Tier möglichst genau ins Herz treffe.“ Eine SMS verrät dem Förster: Sein Berufsanfänger im Anerkennungsjahr hat zwei Böcke geschossen. In der Schonung, wo er mir am Nachmittag den Wildverbiss gezeigt hat.

Wir warten. „Hat ein Förster eigentlich auch Hobbys?“ Langes Schweigen. „Die letzten zehn Jahre habe ich unseren 200 Jahre alten Hof umgebaut, bin Vater von drei kleinen Kindern …“ Alexander schaut durchs Nachtsichtgerät. Durchs Jagdhornblasen ist er zum Posaunenchor der evangelischen Kirche gekommen, wird vom sonntäglichen Gottesdienstbesucher zum Mitarbeiter. In dieser „coolen Gemeinschaft“ ist alle politische Couleur vertreten. „Wir sagen uns gegenseitig die Meinung, halten aber zusammen.“

Traumjob

Ein Eichelhäher flattert vorbei. Der Wind frischt auf, weht uns die kalte Abendluft in die Gesichter. „Würdest du nochmals diesen Beruf erlernen?“ Ich schaue in ein strahlendes Gesicht. „Unbedingt! Förster ist mein Traumberuf. Ich finde es unglaublich spannend und beglückend, in Gottes Schöpfung arbeiten zu dürfen, für andere den Wald in seinen ganzen Facetten erhalten zu dürfen.“ 21:35 Uhr. Wir warten immer noch. Kein Wild tritt auf die Lichtung. Der Hintern schmerzt. Es ist dunkel im Wald. Wir packen zusammen. „Glück auf!“

 

Rüdiger Jope ist Chef-Redakteur des Männermagazins MOVO.

Stress lass nach! Symbolbild: Getty Images / filadendron / Getty Images E+

Was kommt nach der Krise?

Die deutsche Wirtschaft wird im zweiten Jahr in Folge eine Rezession durchlaufen. Den Grund dafür sieht Erik Händeler im Strukturwandel hin zur Wissensarbeit – darin steckt eine neue Chance.

Herr Händeler, was ist der Grund für die Wirtschaftskrise?

Es scheint dafür viele Gründe zu geben, doch ich sehe eine Kernursache: Die Zeit ist vorbei, in der uns Computer in einem so großen Stil Kosten senkten und insgesamt produktiver machten wie zwischen den 90er- und den 2010er-Jahren. Das ist kein deutsches Problem – alle Volkswirtschaften geraten unter Druck und wachsen nicht mehr so stark wie früher, siehe China. Historisch ist das ganz normal. Es gibt einfach Zeiten, in denen eine Wirtschaft sehr stark wächst, weil eine grundlegende Erfindung wie die Dampfmaschine, Eisenbahn oder zuletzt eben der Computer uns produktiver macht. Wenn die sich weitgehend ausgebreitet haben, dann schmilzt die Gewinnmarge gegen null, Mitarbeiter und Zulieferer werden ausgequetscht. Es gibt Verteilungskämpfe und der Außenhandel wird erschwert. Solche 40 bis 60 Jahre langen Strukturzyklen sind nach dem russischen Ökonomen Nikolai Kondratieff benannt. In den langen Aufschwüngen wird alles liberaler, man kann es sich leisten, Neues auszuprobieren, die Handelsgrenzen werden geöffnet. Wenn die Produktivität aber stagniert, dann geht das alles rückwärts.

Aber stehen wir nicht vor einem großen Aufschwung durch Künstliche Intelligenz?

Wo KI selbstfahrende Logistikroboter in der Produktion unterstützt, wo sie Kundenverhalten analysiert und die Bestellung vorbereitet, wo sie schneller Daten analysiert – überall da steigert sie die Produktivität. Aber wer stellt der KI die Fragen? Wer füttert sie mit welchen Daten? Wer bestimmt, welchen Output wir davon verwerten? Die wichtigste Folge der KI ist doch eine andere als bisher: Die Maschinen übernehmen den Großteil der materiellen Produktion und KI verrichtet die Arbeit mit strukturiertem Wissen – was bleibt für uns an Arbeit übrig? Dass wir uns streiten: über die Ziele, über die Verwendung der Ressourcen, über die Wege zu Lösungen. Neulich meinte ein KI-Redner, seine Kinder müssten doch in der Schule kein Fachwissen mehr lernen, weil die KI in Zukunft alles wisse. Der soll mal einen Wissenschafts-Kongress besuchen: Fachleute streiten über Theorien und die Interpretation von Wirklichkeit. Das kann uns keine KI abnehmen.

 

„Was uns Technik noch an Fortschritt bringt, wird im Arbeitsalltag längst aufgefressen von schlechter Kommunikation, egoistischem Verhalten und einer unproduktiven Art zu streiten.“

Händeler

Wie kommen wir aus der Krise heraus?

Bisher haben wir mit technischen Innovationen die materiellen und energetischen Arbeitsprozesse produktiver gemacht. Doch was jetzt an Arbeit wächst, ist Arbeit am Menschen und das Anwenden von Wissen: beraten, Probleme lösen, unterschiedliche Interessen und Kompetenzen zusammenbringen. Was uns Technik noch an Fortschritt bringt, wird im Arbeitsalltag längst aufgefressen von schlechter Kommunikation, egoistischem Verhalten und einer unproduktiven Art zu streiten. Der entscheidende Unterschied wird die Fähigkeit der Menschen vor Ort sein, mit Wissen umzugehen. Und das meint den Umgang mit anderen Menschen, die ich unterschiedlich gerne mag und kenne, und mit denen ich berechtigte Interessenkonflikte habe. Wer das am produktivsten hinbekommt, der überlebt am Markt und schafft mit der wirtschaftlichen auch eine neue politische Stabilität.

Was bedeutet die Krise für den Wohlstand in Deutschland?

Dass die Amerikaner uns mit ihrem teuren Militärapparat absichern, die Russen billige Energie liefern und die Chinesen unsere Autos in Masse abkaufen – das ist vorbei. Weil unsere Vorteile wegfallen, trifft uns die Krise zunächst stärker. Auf der anderen Seite sind wir nicht so gruppenethisch wie die meisten anderen Regionen dieser Welt, und nicht so individualistisch wie die Amerikaner. Die Balance zu finden zwischen Individualismus und Gemeinwohl: Das könnten wir von unserer Geistesgeschichte her mit am besten hinbekommen.

Wie würden Sie Wohlstand definieren?

Da gibt es aufeinander aufbauende Schichten. Zuerst die Grundbedürfnisse, wie Nahrung und Unterkunft. Dann Mobilität: Ein Land ist nicht dann reich, wenn auch die Unterschicht sich noch einen Gebrauchtwagen leisten kann, sondern dann, wenn auch die Reichen Bus und Bahn fahren, weil das Netz so gut ausgebaut ist. Danach kommt Bildung, und die bringt irgendwann auch individuelle Freiheit. Man braucht sich nicht mehr seiner Dorfgemeinschaft, seiner Religion oder Großfamilie zu fügen, sondern man trifft Leute, die dieselben Interessen und Ideen haben. Wir hatten die vergangenen 50 Jahre auch deswegen so ein starkes Wohlstandswachstum, weil wir mehr individuelle Freiheit hatten. Doch jetzt kommen wir in eine Zeit, in der noch mehr Individualismus nicht noch mehr Wohlstand bringt. Zwar brauchen wir den Menschen, der seine Gaben frei entfalten kann. Aber eben nicht mehr für seine Kostenstelle und seine Karriere, sondern für das Gelingen des Gesamtprojektes. Statt ein dickes Auto und eine Villa mit Pool ist Wohlstand jetzt: Gesundheit, Kontakte und Beziehungen, eine intensiv erlebte, erfüllte Zeit, Zeit für Reflexion. Wir haben es zunehmend mit immateriellen Gütern zu tun.

Welche Verbindung gibt es zwischen Wirtschaft und Religion?

Was wir in unseren Köpfen an Vorstellungen haben, was in unserem Leben wichtig und wünschenswert ist, das hängt von den vorherrschenden Religionen, säkular von den Weltanschauungen ab. Nur eine Haltung, die anderen Menschen dieselbe Würde zumisst, führt zu einem Verhalten, in dem ich Informationen ehrlich und transparent weitergebe, das Gesamtprojekt und nicht meine Eigennutzen verfolge, fair um bessere Lösungen ringe. Das Christentum ist der realen Welt zugewandt, deswegen hat sie die Krankenpflege gebracht, das Mitleiden mit anderen, die Suche nach den Gesetzen Gottes in der Schöpfung, Bildung. Das Himmelreich kann sich zwar keiner verdienen, aber es ist wichtig, wie man in diesen vielschichtigen Beziehungen lebt, wie fair man streitet, wie sehr man egoistische Ziele verfolgt oder aber das Recht des anderen achtet.

Was ist für den Arbeitsmarkt wichtig? Wer wird in Zukunft erfolgreich sein?

Es geht um den produktiven Umgang mit Wissen: Erfolgreich werden die Leute sein, die in ihrer Kommunikation produktiv sind, die sich vernetzen können, die schnell Chancen entdecken und verstehen, wie es dem anderen geht, die fair streiten und auf unterschiedliche Persönlichkeitstypen eingehen können – egal, in welcher Branche sie sind. Der Computer-Chip beispielsweise ist eine Querschnitttechnologie, die in allen Branchen bis heute auftaucht, ob in der Küchenwaage, dem Schweißroboter oder dem Textverarbeitungs-Notebook. So ist die Fähigkeit, zu kooperieren und produktiv mit Wissen umzugehen, auch eine Querschnitttechnologie, um zukünftig auf dem Arbeitsmarkt weiterzukommen. Das ist eine neue Anforderung, die ganz große Fragen an den Einzelnen stellt, an welche Werte er glaubt. Und wir antworten darauf mit unserem Leben.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Erik Händeler, *1969, ist als Buchautor und Zukunftsforscher vor allem Spezialist für die Kondratieff-Theorie der langen Strukturzyklen. Nach einem Tageszeitungsvolontariat und der Tätigkeit als Stadtredakteur in Ingolstadt studierte er in München Volkswirtschaft und Wirtschaftspolitik. 1997 wurde er freier Wirtschaftsjournalist und Speaker. Er schrieb mehrere Bücher, darunter: »Die Geschichte der Zukunft – Sozialverhalten heute und der Wohlstand von morgen.«

Tim Bergen führte das Interview. Er ist Volontär des Männermagazins MOVO und des Nachrichtenportals jesus.de.

Ketten und Hände

Verurteilt und doch frei?

Rückblick: Wir schreiben das Jahr 1992. Heiko Bauder verwundet bei der Bundeswehr einen jungen Kameraden tödlich. Im Interview berichtet er über seinen Weg zurück ins Leben und wie er ein freier Mensch wurde.

Herr Bauder, der Unfall bei der Bundeswehr ist inzwischen über 30 Jahre her. Wie oft werden Sie noch auf den Vorfall angesprochen?

Von meinem direkten Umfeld eigentlich gar nicht, das hat dort schon lange aufgehört. Allerdings ist es auch so, dass ich damit nicht hausieren gegangen bin. Wenn jemand mich gefragt oder mich näher kennengelernt hat, dann habe ich das schon erzählt, aber dass jetzt jemand von sich aus auf mich zugekommen ist, ist eher nicht vorgekommen.

Was war der Schlüssel, um mit diesem Erlebnis abzuschließen?

Ich würde sagen, dass es nie ganz abgeschlossen sein wird. Es wird immer noch offene Fragen geben. Am Ende geht es um ein Menschenleben, und die Frage bleibt, welchen oder ob das überhaupt einen Sinn hatte. Die Frage steht für mich noch offen. Das klingt erst mal merkwürdig, aber diese Fragen haben mich im Glauben gehalten, weil ich von Gott wissen wollte: Was soll das? Ich glaube, die Fragen nehme ich am Ende mit in den Himmel. Ich hoffe, dass es dort Antworten darauf geben wird. Ein Schlüssel in der Akutphase war auf jeden Fall Pfarrer Langer, der mich begleitet hat. Er hat diese anfängliche Verzweiflung sehr gut aufgefangen und hat mich ins Leben zurückgeholt.

„Ich bin zwar verurteilt worden, aber ich konnte vor mir selbst geradestehen, weil ich mir bewusst war, dass ich die Wahrheit gesagt hatte.“ Heiko Bauder

Sie schreiben, dass Sie den Gerichtssaal trotz Verurteilung als freier Mensch verließen. Was meinen Sie damit?

Ich hatte ja im Buch beschrieben, dass ich entgegen der Maßgabe meines Rechtsanwalts bei dem geblieben bin, was ich in der Vernehmung gesagt hatte. Das war für mich in dem Sinne Befreiung. Ich bin zwar verurteilt worden, aber ich konnte vor mir selbst geradestehen, weil ich mir bewusst war, dass ich die Wahrheit gesagt hatte. Das war für mich eine innerliche Freiheit. Ich habe ein Strafmaß bekommen, das ich auch so akzeptiert habe, weil ich mir bewusst war, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich konnte aber in dem Gefühl, die Wahrheit gesagt zu haben, als „freier Mann“ den Gerichtssaal verlassen.

Sie schreiben in Ihrem Buch: „Wenn wir es schaffen, aus dem Warum ein Wozu zu machen, bekommt das, was wir erlebt haben, eine neue Perspektive.“ Was hat das für Sie persönlich verändert?

Die Frage nach dem Warum hat mich irgendwann an den Punkt gebracht, dass ich immer nur nach hinten geschaut habe – also immer nur in die Vergangenheit. Daran kann ich nichts mehr ändern, egal, wie emotional aufgewühlt und laut ich nach dem Warum schreie. Ich bekomme darauf einfach keine Antwort, weil das Dinge sind, die waren, und ich kann sie nicht mehr beeinflussen. Irgendwann stellte ich mir die Frage: Wie kann ich mit dem, was passiert ist, in die Zukunft gehen? Dann kam mir plötzlich der Gedanke: Jetzt kann ich an der Vergangenheit nichts mehr ändern, aber ich kann die Zukunft gestalten. Wenn man dann auf die persönlichen Katastrophen zurückblickt, stellt man irgendwann auch mal fest, dass man Resilienz entwickelt hat. Das ist auch eine Stärke für mich und so dann wiederum auch für andere hilfreich.

All die Schicksalsschläge, die Sie erlebt haben, hätten laut Ihrer Aussage das Potenzial gehabt, Sie zu zerstören. Haben die Erlebnisse dazu geführt?

Nein, definitiv nicht. Sonst wäre ich heute nicht hier. Es kam nicht dazu, weil ich ganz tief drin Gott nie verlassen hatte. Ich wollte das damals nach der Bundeswehr tun, aber ich konnte es nicht. Mir war die Zunge festgenagelt. Ich konnte Gott nicht absagen. Ich hatte mich einige Jahre vor dem Unfall bei der Bundeswehr für Jesus entschieden und er hatte seinen Teil des Versprechens immer eingehalten. Sein Tod am Kreuz war für mich felsenfest versiegelt. Das hat mich getragen. Egal, in welches Loch wir als Familie gefallen sind, wir sind immer wieder in Gottes Hände gefallen – das ist jetzt keine Floskel, es war und ist tatsächlich so.

In so mancher Situation fragt man sich schon: Das kann doch alles nicht wahr sein, warum? Warum trifft es immer uns? Und dann klagt man Gott auch wieder an, aber im Rückblick sieht man dort auch die Segnungen. Dann sieht man die Menschen, die plötzlich da waren und geholfen haben, wie damals der Pfarrer Langer – Leute, mit denen man gar nicht gerechnet hat. Die haben mich und uns eine Zeit lang begleitet und sind dann vielleicht auch wieder weg gewesen – wie Lichtstrahlen, die an einem vorübergehen, in denen Gott sich zeigt und sagt: Ich bin da.

Sind Sie jetzt froh darüber, das Buch geschrieben zu haben?

Ja, absolut. Ich hatte schon so viele Rückmeldungen, die unendlich positiv waren. Viele Menschen haben mir gesagt: „Das war so wichtig, dass du das Buch geschrieben hast, genau das haben wir gebraucht.“ Das hat mir gezeigt, dass dieses Thema Schuld viel größeren Raum einnimmt, aber sich auch niemand traut, wirklich darüber zu reden. Ich bin regional bei einigen Lesungen gewesen und das war wirklich phänomenal, was da zurückkam.

Hat sich die Familie Ihres damaligen Kameraden auf das Buch hin nochmal gemeldet?

Ich durfte mich nochmal mit der Familie treffen. Es ging um Persönlichkeitsrechte im Buch. Ich glaube, dass es für beide Seiten nochmal ein sehr wichtiger Punkt und kein Zufall war.

Sie haben geschildert, dass Sie lange nach dem Unfall bei der Bundeswehr nicht so richtig lachen konnten. Später haben Sie weitere Schicksalsschläge und noch eine Verurteilung aufgrund eines Autounfalls erlebt. Würden Sie sagen, dass Sie heute wirklich wieder befreit lachen können?

Ja, definitiv. Ich bin ein sehr lebensbejahender Mensch, das war ich schon immer. Ich kann mich wieder am Leben freuen und bin voller Tatendrang. Ich habe schon oft gedacht: Ich bin jetzt 53 Jahre alt, aber habe noch so viele Ideen im Kopf – ich müsste nochmal 30 Jahre alt sein.

 

Heiko Bauder (Jg. 1971) lebt in einer kleinen Gemeinde am Fuße der Schwäbischen Alb. Beruflich arbeitet er als Ausbilder angehender Industriemechaniker.  Im Buch „Mein Gott, warum?“ beschreibt er seinen Umgang mit Schuld.

Tim Bergen führte das Interview. Er ist Volontär des Männermagazins MOVO und des Nachrichtenportals Jesus.de.

Hebamme

Allein unter Frauen: Hebamme, 33, männlich

Kilian Lanig selbst hat keine Kinder, war aber schon bei etlichen Geburten dabei. Er ist Hebamme, eine von nur rund 50 männlichen in ganz Deutschland.

Von Nathanael Ullmann

Mittwochabend gegen 18 Uhr. Im Stützpunkt, dem Hebammen-Dienstraum des Uniklinikums Essen, herrscht Pausenstimmung. Kilian Lanig klönt mit einer Kollegin darüber, wie ihr Job ihnen keine Zeit für feste Hobbys lässt. Plötzlich gellt ein Schrei über den Flur: „Kilian!“ Ohne ein weiteres Wort springt er auf, rennt in Kreißsaal 2. Minuten der Unruhe. Dann drückt irgendwer den roten Knopf in der Mitte des Flures. „Das ist so ziemlich das Schlimmste, was passieren kann“, raunt eine Kollegin.

Wenige Stunden früher, bei Dienstbeginn um 14 Uhr, weiß Kilian Lanig noch nicht, wie stressig sein Tag heute werden wird. Der 33-Jährige würde in einem Fitnessstudio nicht weiter auffallen. Haar und Bart trägt er kurz. Die fehlenden Zentimeter Körpergröße macht er durch die kräftigen Arme wieder wett. Was ihn zum Medienstar macht, ist sein Beruf: Er ist Hebamme. Und damit ein echtes Unikat. Gerade einmal 0,2 Prozent aller Hebammen in Deutschland sind männlich.

Allein mit sechs Frauen

Gerade sitzt Lanig im Hebammen-Stützpunkt des Kreißsaals im Essener Universitätsklinikum. Der Stützpunkt ist der Dreh- und Angelpunkt der Station. Bildschirme hängen überall an den Wänden, darauf etliche Graphen und Sperrbildschirme. Ein Schiebefenster dient als Rezeption. An der Rückwand hängt eine Plexiglasscheibe. Mit Filzstift haben die Mitarbeitenden hier die Daten der Patientinnen eingetragen: Alter, Schwangerschaftsmonat, verabreichte Medikamente und mehr. Eine glückliche Mutter hat als Dankeschön Muffins fürs Personal auf den Tisch gestellt. Ballende Hitze drückt durch die Fenster.

Mit Lanig sitzen sechs Frauen im Raum. Die Besprechung zum Dienstwechsel steht an. Im Schnelldurchlauf gehen die Anwesenden die werdenden Mütter durch. Für den Laien ist das Kauderwelsch. Von Simslage, RFI und präexistentem Hypertonus ist da die Rede. Der 33-Jährige nickt wissend.

80 Bewerbungen bis zum Ausbildungsplatz

Um seinen Beruf ausüben zu können, war es ein langer Weg. Eigentlich möchte Lanig die Praxis seines Vaters übernehmen. Vier Jahre lang studiert er Humanmedizin in Ungarn und der Slowakei. Zurück in Deutschland wird sein Studium nicht anerkannt. Er absolviert eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Auf der Wochenbettstation merkt er: Das ist seine Berufung. Also bewirbt er sich initiativ an Hebammenschulen. Über 80 Bewerbungen schreibt er, bis er in Bochum einen Platz erhält. Nun ist er seit einem Jahr voll examiniert. Er arbeitet selbstständig – aber fest mit der Uniklinik zusammen.

Der Weg hat sich gelohnt. Hier kann er Familien bei einer der wichtigsten Lebensphasen begleiten: „Da ist genau der Scheidepunkt“, sagt er. Denn nach einer Geburt sei nichts mehr so wie vorher. In seinem Job prägt er Familien für ein Leben.

Von Geburten scheint der heutige Tag allerdings weit entfernt zu sein. Lanigs Aufgaben bestehen erst einmal darin, Kardiotokografien, kurz CTGs, durchzuführen. Bei dem Verfahren misst er den Puls der Frau, den Puls des Kindes und die Wehentätigkeit. Das CTG-Zimmer liegt schräg gegenüber dem Stützpunkt. Der kleine Raum ist mit Ledersesseln und Liege rudimentär eingerichtet. Es riecht – wie überall sonst im Krankenhaus – nach Desinfektionsmittel. Hier versorgt Lanig die ersten Frauen. „Wird es ein Junge oder ein Mädchen?“, fragt er – und legt mit gezielten Handgriffen die Sensoren auf den Bauch auf. Routine. Auch für die Frauen, die vor der Geburt regelmäßig zu der Untersuchung müssen.

Immer wieder steuert er zwischen den Visiten den Stützpunkt an. Hier dokumentiert er, welche Auffälligkeiten sich bei den Untersuchungen ergeben. Oder er quatscht mit den Kolleginnen. „Für uns ist das kein Unterschied, dass er ein Mann ist“, erzählt eine der Hebammen. Lanigs Geschlecht scheint auch bei den zu behandelnden Frauen keine Rolle zu spielen. Für Lanig ist das ein Erfolg: Er will einfach nur eine Hebamme sein und keinen Sonderstatus als Mann innehaben. Ein paar mehr seiner Art würde er sich in dem Beruf trotzdem wünschen. „Aber viele merken erst bei der Geburt ihres ersten Kindes, dass es diesen Job gibt. Und dann ist nicht der richtige Zeitpunkt für eine Umschulung.“

Zwischen Stress und Langeweile

Der Rhythmus im Kreißsaal ist außergewöhnlich. Immer wieder gibt es Phasen der Ruhe. Dann flirrt plötzlich die Luft. „Hier wird ein Arzt gebraucht“, heißt es dann im Flur. Wenige Minuten später ein erleichtertes: „Das Kind ist da!“ Mal hallen in den Fluren die Schreie der Mütter in Wehen wider. Mal ist es still. Geburten lassen sich eben nicht planen.

Kilian Lanig kennt auch andere Tage. Ganze Schichten hat er schon damit verbracht, bei einer Geburt zu unterstützen. Als Hebamme muss er darauf achten, dass sich Mutter und Kind so wohl wie möglich fühlen. Doppelte Verantwortung also. Auch zu den Vätern hat er oft einen besonderen Draht – ein Vorteil männlicher Hebammen. Er hat ein Auge darauf, dass das Kind weder zu langsam noch zu schnell den Weg nach draußen findet. Und er hat den Blick auf die Nachgeburt und die Nachblutungen. Wenn Schmerz sich in Euphorie wandelt und das Kind da ist, ist das immer ein erhebender Moment: „Das sind Situationen, die mich zu Tränen rühren.“

Aber die Hebamme begleitet auch die Eltern, bei denen die Geburt nicht so fröhlich verläuft. Sternenkinder sind immer noch ein Tabuthema – zu Unrecht, wie Lanig findet. Das große Unglück hat er schon gesehen. Kinder, die noch leben, wenn sie aus dem Mutterleib kommen, aber nur zehn oder 20 Minuten auf dieser Welt haben. Oder ein kleiner Spatz, kaum größer als seine Hand, der vergeblich nach Luft ringt. „Dann heule ich selbst mit“, sagt er. Weihwasser für Bedarfstaufen steht im Kreißsaal bereit. Auch die Kontaktdaten ehrenamtlicher Sternenkindfotografen haben die Hebammen. Nach solchen Fällen geht der Katholik in eine Kirche – und zündet eine Kerze für die Verstorbenen an.

Mittlerweile ist es Abend und nichts deutet darauf hin, dass solche Schicksalsschläge heute der Fall sein könnten. Lanig hat mehrere CTGs bei den Müttern durchgeführt, ein paar Medikamente verabreicht, ein Bett neu bezogen. Die eigentlichen Kreißsäle – drei an der Zahl entlang eines langen Flurs – sind besetzt. In einem wird gerade eine Mutter per CTG überwacht, in einem anderen wartet eine Frau verzweifelt darauf, dass sich ihr Muttermund weiter öffnet. Wer vorbeigeht, sieht die Damen durch einen Spalt in der Tür. Mal sitzen sie auf ihren Sesseln, mal liegen sie auf dem voluminösen Stuhl, der dem eines Gynäkologen gleicht.

Die Hebamme sitzt wieder im Stützpunkt und wartet auf den Sushi-Lieferanten. Eigentlich würde heute nichts Aufregendes mehr passieren, sagt er gerade noch. Wie falsch er liegt. Denn wenige Momente später ist die Luft urplötzlich eine andere. Sobald der Schrei „Kilian“ ertönt, schlägt die Atmosphäre um. Menschen in Kitteln laufen hektisch über die Flure. In Kreißsaal 2 werfen sich Expertinnen und Experten schnelle Anweisungen zu. „Aus dem Weg!“, raunt eine Ärztin. Vier Minuten der Anspannung. Dann hallt es: „Drück den Knopf!“ Und noch einmal: „Positiv!“

Plötzlich Notkaiserschnitt

Vor einigen Stunden hat Lanig noch erklärt, was der rote Buzzer in der Flurmitte zu bedeuten hat, über dem „Notfall – Missbrauch strafbar“ steht. Wenn er gedrückt wird, heißt das: Notsectio – Kaiserschnitt. Binnen 180 Sekunden sei das Kind dann aus dem Leib der Mutter geholt, lobt die Hebamme. Sie hat nicht gelogen.

Sobald der rote Knopf gedrückt ist, beginnen die Telefone im Stützpunkt wie wild zu läuten. Wenige Sekunden später wird die Mutter auf einer Liege durch den Flur geschoben. Um sie herum laufen mehrere Menschen – unter anderem Kilian Lanig. Das Team verschwindet im OP-Saal. Hier hat nur das Klinikpersonal Zutritt. Wenige Minuten der höchsten Anspannung. Dann taucht die Hebamme wieder im Stützpunkt auf. Die Erschöpfung steht Lanig ins Gesicht geschrieben. „Dem Kind geht es gut“, sagt er. Im Hintergrund ist Babygeschrei zu hören. Der neue Erdenbürger ist jetzt bei seinem Vater in Kreißsaal 2. Jetzt erfolgt die detaillierte Erklärung: Der Herzschlag des Kleinen war plötzlich stark verringert – und das vier Minuten lang. Laut Protokoll heißt das: Kaiserschnitt. Für die Anwesenden ist das kein glücklicher Moment. Denn die Mutter erlebt das wichtige Ereignis nur unter Vollnarkose. Aber hier ging es um Lebensgefahr für das Kind.

Trotz solcher Momente will Kilian Lanig unbedingt selbst noch Vater werden. Vier Kinder, das ist sein Traum. „Kinder sind das Schönste auf der Welt“, sagt er. Und „auf alle Fälle ein Schöpfungswunder“. Mit seiner Partnerin habe er den Kinderwunsch auch direkt beim ersten Date geklärt. Nur, ob er die Geburten selbst durchführen will, weiß er noch nicht so recht. Können täte er es zumindest.

Nathanael Ullmann (32) ist Referent für Medien und Öffentlichkeitsarbeit im Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland und ausgebildeter Theaterpädagoge.

Autofans aufgepasst: Das neue PS-Mekka liegt in Ewersbach!

Vergiss München, Monza oder Stuttgart! Die wirklich tollen Karren stehen im Nationalen Automuseum, The Loh Collection, in Ewersbach. MOVO-Redakteur Rüdiger Jope geriet beim Anblick von Chrom, Lack und Karbon ins Schwärmen.

„Hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen“ heißt es im Märchen, aber wo genau das ist, das verraten die Brüder Grimm uns nicht. Ob sie damit die Gemeinde Dietzhölztal im mittelhessischen Lahn-Dill-Kreis meinten? Vielleicht. Die Abfahrt von der A45 führt uns ins grüne und hügelige Nichts. Auf dem Smartphone verschwinden die Verbindungsbalken. Der Tesla schnurrt durch Dörfer, die noch den Charme der Siebziger atmen. Dann stehen wir in Ewersbach auf einem großen Parkplatz. Eine Art Märchenschloss für kleine und große Jungs tut sich vor uns auf. Weiß auf rot schlägt es uns entgegen: Nationales Automuseum – The Loh Collection.

Das neue Mekka der Autofans

An der Pforte zu diesem geheimnisvollen Märchenland der PS begrüßt uns Florian Urbitsch. Er ist die gute, ordnende Fee in dieser benzin- und dieselgeschwängerten Welt der Autohistorie aus Chrom, Lack, Blech und Karbon. Urbitsch versteht es, mit Fakten zu zaubern. Dabei ist er ganz Profi, detailverliebt, absolut drin im Stoff. Er hat auf alle Fragen der zwei Väter und zwei Jungs zu diesen einzigartigen Kutschen auf vier Rädern eine Antwort parat. Schon nach den ersten zwei Schlitten ist mir klar: Vergiss Stuttgart! Vergiss München! Vergiss Monza! Das traumhafte Märchenland der Auto-Enthusiasten befindet sich seit Juli 2023 abseits der Metropolen. Dort in Ewersbach stehen sie poliert im Original, die Zwerge und Riesen von Porsche, Ferrari, Daimler, Ford, Bugatti & Co.

35 Jahre hat der Industrielle Friedhelm Loh Autos zusammengesucht, getauscht und gekauft, wie kleine Jungs Matchbox-Autos – aus 135 Jahren Automobilgeschichte. 150 dieser Unikate hat er jetzt in dieser Schatzkammer zugänglich gemacht. Dafür wurde eine alte Fabrikhalle ummantelt, ein Kino der Sechziger und eine historische Kfz-Werkstatt eingebaut, die schräge Pistenarena von Indianapolis nachempfunden, eine Art Setzkasten für fahrbare Schmuckstücke an die Wand geschraubt. Die dazugehörige Aura von roten Ziegeln, alten Stahlträgern, einer rostigen Kranbahn und blitzenden Karossen verfehlt ihre Wirkung nicht. Sie fesselt sogar einen Autoverschmäher wie mich. Jonathan (12) macht große Augen. Joshua (13) noch größere. Die Jungs sind geflasht. Sie stehen den Favoriten ihrer Autokartenspiele gegenüber. Zum Anfassen. Fast.

Autos mit besonderer Vita

Während sich die Jungs nach dem Besuch der Sonderausstellung „100 Jahre Paris – Le Monde“ mit der Kamera auf Motivjagd in der weitläufigen Halle der Dauerausstellung verlieren, entlocken Stefan und ich dem Hüter der Schätze noch einige Details. Dabei verrät er uns die Philosophie von Prof. Dr. Loh. Dieser sammele nicht wahllos, sondern „jedes Auto hat hier seine ganz besondere Geschichte“. Gleich am Eingang steht der Benz Victoria Phaeton (5 PS, 1895): Erstbesitzer die Familie Benz, dann Henry Ford, dann Friedhelm Loh. Auf dem Marktplatz glänzt der Ferrari 288 GTO (1985, 400 PS) von Asterix-Zeichner Albert Uderzo neben dem Porsche von Herbert von Karajan. Wenige Schritte davon entfernt findet sich der Lincoln Continental „Limo One“, das letzte Auto, das Präsident Kennedy lebend verließ. Hinter der Steilkurve parkt der Ferrari F1-2000, in dem Michael Schumacher zu seinem ersten WM-Titel raste, der McLaren MP4-5A von Ayrton Senna, mit dem dieser den Grand Prix 1989 gewann, der Peugeot, in dem Enzo Ferrari urlaubte,…Märchenhafter Moment

Wenige Meter davon entfernt strahlt eines der teuersten Autos der Welt, der Bugatti Veyron, 8,0-Liter-W16-Motor mit Vierfach-Turboaufladung. „Er verkörpert in Form, Funktion und Schönheit eine Philosophie, das Lebenselixier von Bugatti, die hier Hand in Hand geht“, so Urbitsch strahlend, um dann noch eins draufzusetzen. „Heute ist die Firma Bugatti draußen mit einem französischen Filmteam vor Ort.“ Sie nehmen Szenen mit dem alten Bugatti aus dem Museum auf, zusammen mit „einem Erlkönig, einem getarnten neuen Prototyp des Bugatti Veyron“. Knirschender Kies, ein röhrender Wagen. Ein Märchen für die Jungs. Sie haben feuchte Augen. Sie sind plötzlich echte Car-Spotter, werden zu Geheimnisträgern, denn die Bilder von diesem PS-Giganten dürfen zu dem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht werden.

Ehrfürchtiges Staunen vermischt sich mit Magenknurren. Der Museumsbesuch macht hungrig. Doch das Smartphone und der Tesla finden keine Verbindung. Wir rollen offline vom Parkplatz. In einer Kurve finden wir eine Imbissbude. Dort „hinter den sieben Bergen“ gefühlt „bei den sieben Zwergen“ lassen wir uns Pommes, Schnitzel und das Gesehene auf der Zunge zergehen, ganz im Sinne der Gebrüder Grimm: „Und wenn sie nicht verschrottet sind, leben sie noch heute – im Nationalen Automuseum.“

Rüdiger Jope ist Chef-Redakteur des Männermagazins MOVO.

Nationales Automuseum – The Loh Collection

Das Nationale Automuseum in Dietzhölztal-Ewersbach öffnet jeweils von Mittwoch bis Freitag, 11 bis 18 Uhr, sowie Samstag und Sonntag von 10:30 bis 18 Uhr. Der Eintritt beträgt 19 Euro für Erwachsene, 15 Euro für Kinder. Das Familienticket kostet 50 Euro. Aktuell kann die Sonderausstellung „Ferrari“ angesehen werden. nationalesautomuseum.de

Ernährung, Schlaf und Sport helfen, Körper und Geist fit zu halten.

Essen, Schlafen und Bewegen – So kommst du zu einem ausgewogenen Leben

Um gut durch das Leben zu kommen, müssen wir Körper und Geist pflegen. Michael Stief erklärt, wie drei Standbeine für einen gesunden Körper und Geist sorgen.

„Du bist nicht du, wenn du hungrig bist!“ Dieser Werbeslogan für einen bekannten Schokoriegel bringt es auf den Punkt: Wir sind keine Geister in einer Maschine aus Fleisch und Blut. Stattdessen sind unser Körper und Geist aufs Engste miteinander verwoben. Wie aber funktioniert ein gutes Zusammenspiel von Körper und Geist und was können wir unserem Körper Gutes tun, damit auch unser Geist profitiert?

Nahrung für den Geist

Nicht nur Bücher sind „Nahrung für den Geist“, unser Essen ebenso. Es sorgt dafür, dass wir – neben der körperlichen – die geistige und seelische Energie haben, die wir täglich brauchen. Den engen Zusammenhang zwischen körperlicher und mentaler Verfassung bestätigt die empirische Wissenschaft: Wenn wir nicht genug essen, sinkt unweigerlich unser Blutzuckerspiegel und dadurch werden wir „hangry“, also hungrig und zornig zugleich, wie es auf Englisch heißt. So berichtet der US-Biologe Robert Sapolsky, dass Richter strengere Urteile fällen, wenn sie hungrig sind, als wenn sie gerade gegessen haben. Ebenso sprichwörtlich sind der „Hungerast“ oder das „Suppenkoma“, die beide beschreiben, wie zu wenig oder zu viel Nahrung uns gleichzeitig physisch und mental schwächt. Und nicht nur die Ernährung schlägt sich auf die Laune nieder. Der Kabarettist und Mediziner Eckart von Hirschhausen liefert dazu einen Fünf-Finger-Kurzcheck:

1. Wann habe ich zuletzt was gegessen?

2. Wann habe ich mich zuletzt unter freiem Himmel bewegt und durchgeatmet?

3. Wann habe ich zuletzt geschlafen?

4. Mit wem?

5. Und warum?

(Quelle: Glück kommt selten allein, S. 87)

Essen und Trinken, Bewegung und Schlaf sind in komplexe Stoffwechselkreisläufe eingebunden, die nicht nur unseren Körper funktionstüchtig halten, sondern auch unseren Geist. Die Idee, dass ein gesunder Geist einen gesunden Körper braucht, ist nicht neu – sie geht auf den griechischen Philosophen Platon zurück und wurde als Sinnspruch „mens sana in corpore sano“ („ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“) sprichwörtlich.

Der Mensch ist kein Geist in der Maschine

Dabei war diese Vorstellung immer wieder umstritten. Im Zuge der technischen Entwicklung gipfelte die Trennung von Geist und Körper bei dem französischen Philosophen René Descartes in der Erklärung: „Ich denke, also bin ich!“ Damit bahnte er der Vorstellung den Weg, dass der Mensch ein rein geistiges Wesen in einem uhrwerkgleichen Körper sei. Doch schon Jahrhunderte zuvor hatte sein griechischer Berufsgenosse Sokrates die Ideen für wirklicher erklärt als die Erscheinungen der Wirklichkeit. Damit begann die Überbewertung des Geistes und eine letztendliche Geringschätzung des Körpers (trotz des Körperkultes bei den Olympischen Spielen).

Unsere westlich-europäische Kultur hat so über die Jahrhunderte einen immer größeren Gegensatz zwischen Körper und Geist aufgetürmt und auf Kosten des Körpers aufgelöst: Der Körper ist lange Zeit zu einem Instrument, zu einem Lasttier degradiert worden. Erst in den letzten Jahrzehnten findet die Wissenschaft wieder zu der Erkenntnis, dass wir nicht einen Körper haben, sondern ein Körper sind – und kein Bewusstsein, das sich eines Körpers bedient oder schlimmstenfalls in diesen eingesperrt wäre. Wir essen, schlafen und bewegen uns also nicht, um eine Maschine intakt zu halten, sondern weil wir dieser Körper sind und weil unsere körperliche Verfassung auch unsere mentale Verfassung beeinflusst, unser Erleben, Denken und Entscheiden.

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen

Was, wie viel und wann wir essen und trinken, hat einen maßgeblichen Einfluss auf unser subjektives Wohlbefinden, unsere körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit und die emotionale Regulation im zwischenmenschlichen Verhalten. „Der Mensch ist, was er isst!“ Das gilt im einfachen Sinne, dass unser Körper einen Teil der Nahrung in Energie für Bewegung und Hirnaktivität umsetzt, den anderen Teil aber tatsächlich in vielfältiger Weise in unserem Körper verbaut, wie z. B. aufgenommenes Eisen in neue Blutkörperchen oder Proteinbausteine in Muskeln. Wenn wir daher konsequent unsere Mahlzeiten selbst aus Wasser, Obst, Gemüse, Getreide und den weiteren Etagen der Ernährungspyramide zusammenstellen, anstatt an einem Computerdisplay zu einem „Happy Meal“, dann bekommen wir das nötige „Material“ für Muskelaufbau, einen optimalen Energiestoffwechsel, einen ausgeglichenen Hormonhaushalt und eine gesunde Hirnchemie.Wer die Ernährungspyramide aber regelmäßig auf den Kopf stellt, zu viel Zucker, Fett und Fleisch zu sich nimmt, der muss z. B. aufgrund der „Zucker-Fett-Falle“ mit krankhaftem Übergewicht, womöglich gar erworbenem Diabetes-II oder schlimmstenfalls mit ernährungsbedingten Formen von Krebs rechnen.

Aus dem Essen lässt sich eine Wissenschaft machen und teils auch eine Weltanschauung. Am Ende aber bleiben drei Erkenntnisse, wie wir so essen können, dass es unserem Körper, unserer Seele und unserem Geist guttut:

  • Wähle natürliche und unverarbeitete Nahrung.
  • Halte dich an die weitgehend unumstrittene Ernährungspyramide.
  • Esse maßvoll – pro Mahlzeit und über den ganzen Tag.

Und nicht zu vergessen: Trinke regelmäßig Wasser, 300-400 ml pro 10 Kilo Körpergewicht oder einfach rund 2 Liter.

Wer schläft, sündigt nicht

Wir verbringen ca. ein Drittel unserer Lebenszeit im Schlaf. Aber warum schlafen wir eigentlich? Das hat hauptsächlich drei Funktionen:

  • Im Schlaf verarbeiten wir die Sinneseindrücke, das Wissen und besonders die Emotionen des Tages, insbesondere im Traum und während des sogenannten „REM-Schlafes“.
  • Im Schlaf werden schädliche Stoffwechselprodukte im Gehirn abgebaut.
  • Im Schlaf regeneriert sich der Körper, das Immunsystem und die Wundheilung arbeiten in Tiefschlafphasen auf voller Leistung.

Umgekehrt bewirkt zu wenig Schlaf eine Einschränkung dieser Funktionen: Wundheilung und Immunsystem arbeiten schlechter, die kognitiven Funktionen werden zunehmend eingeschränkt und wir reagieren „dünnhäutiger“. „Hast du schlecht geschlafen?“, hören wir dann etwa, wenn wir vor Müdigkeit knatschig oder übel gelaunt sind. Wie aber kommen wir zu einem gesunden Nachtschlaf? Dabei spielt vor allem die Tatsache eine Rolle, dass unser Schlaf in einen 24-stündigen Tages-Nacht-Zyklus eingebettet ist. Dieser ist vom Tageslicht und dem lichtabhängigen Hormon Melatonin abhängig, das uns bei Dunkelheit schläfrig macht. Förderlich sind daher folgende Gewohnheiten:

  • Abends künstliches Licht und speziell das blaue Licht von Computerbildschirmen vermeiden, um die natürliche Melatonin-Produktion zu fördern.
  • Ein eigener regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus auch am Wochenende, um den natürlichen Zyklus nicht zu stören.
  • Regelmäßige ausreichende Bewegung am Tage, nur moderate Bewegung, Sport oder Yoga am Abend, um den Kreislauf nicht zu stark anzukurbeln und die Entspannung zu fördern.

Dieses Programm mag weniger verlockend klingen, als lange zu feiern, zu zocken oder Serien zu schauen, um dann erschöpft ins Bett zu fallen. Es hat jedoch einen Super-Bonus: Wer seinen Schlaf wie beschrieben pflegt, nimmt tendenziell an Gewicht ab, an Gelassenheit zu und vergrößert seine Chancen auf ein langes Leben. Dafür lohnt sich in der Regel der Verzicht auf „wilde Nächte“.

I like to move it, move it

Wer trotz maßvollen Essens und genügend Schlaf jede freie Stunde nur auf dem Kanapee verbringt, wird auf Dauer weder schlank noch gesund bleiben. Denn Ernährung und Schlaf dienen letztlich dem Zweck, uns tagsüber kraftvolle Aktivitäten zu ermöglichen. Auch wenn diese im 21. Jahrhundert immer öfter nur geistige und dazu sitzende Tätigkeiten sind. Gemacht ist unser Körper aber für die körperliche Aktivität, für das Gehen und Laufen, und dementsprechend ist Bewegung das dritte „Standbein“ für ein stabiles und gesundes Leben. In der Biologie gilt der Satz „use it or loose it“, frei übersetzt: „Wer’s nicht trainiert, verliert’s.“ Wenn wir unsere Muskeln, wenn wir Skelett und Gelenke oder auch unser Herz-Kreislauf-System nicht trainieren und fordern, dann verfällt unser Körper mit der Zeit wie ein ungepflegtes Haus. Unsere Muskeln wachsen und heilen nur, wenn sie genutzt werden. Unsere Knochen bleiben nur dann stabil. Unsere Gelenke werden nur versorgt, wenn wir sie bewegen. Herz, Arterien und Venen bleiben nur intakt bei Belastung. Wir bleiben nur dann fit und in Form, wenn wir mindestens die Kalorien, die wir verzehrt haben, auch wieder verbrauchen. Ja, selbst unser Schlaf wird besser, wenn wir die Stresshormone, die unser Körper im Alltag produziert, auch wieder abgearbeitet haben.

Wie viel Bewegung ist aber genug in einer Welt, in der Sitzen das neue Rauchen ist? 10.000 Schritte am Tag sollten es nach einer „urban legend“ angeblich sein. Doch das ist zu zwei Dritteln ein Marketing-Gag. Real und nach neuen Forschungen reichen auch schon 3.500. Optimal wäre ein auf die persönlichen Vorlieben und Bedürfnisse abgestimmtes Fitness-Programm. Doch das ist sicher nicht mit allen Lebensstilen heutzutage kompatibel. Drei Strategien können aber auch eingespannten Menschen weiterhelfen:

  • Gehe die Extra-Meile. Wann immer du eine Strecke zu Fuß zurücklegen kannst, gehe sie. Egal, ob es die Treppen zum nächsten Büro oder ins eigene Zuhause sind, der Weg zum Supermarkt oder zum Bäcker. Geh oder nimm das Rad, aber nutze jede Gelegenheit für zusätzliche Bewegung.
  • Mach Yoga. Das stärkt die Muskeln und hält beweglich. Dazu braucht es für den Anfang auch keinen Kurs und kein Yoga-Outfit.
  • Mach Krafttraining. Kniebeugen, Sit-ups und Liegestütze oder andere „Bodyweight-Übungen“ bieten auch hier einen niedrigschwelligen Einstieg.

Wer dieses Minimalprogramm konsequent durchzieht, erreicht mehr als mit sporadischen langen Joggingrunden aus schlechtem Gewissen.

Freundschaft zwischen Leib und Seele

Die moderne Lebenswelt hat uns Menschen immer weiter von unserer natürlichen Umwelt und Lebensweise entfernt, die unseren Körper und seine Funktion über Jahrtausende geformt hat. Heute übernehmen dies Fast Food und eine sitzende Lebensweise und sorgen so nicht nur für zunehmende Fettleibigkeit, sondern auch manche psychischen Belastungen. Eine maßvolle und ausgewogene „Diät“ ist daher nicht nur beim Essen eine gute Idee, sondern auch beim Schlafen und Bewegen. Wer Freunde hat, kümmert sich um sie und das sollte auch für unseren Körper gelten. Darum mögen wir dem Rat der Heiligen Teresa von Ávila folgen: „Tu deinem Körper etwas Gutes, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.“

Michael Stief (60) ist Berater für Positive Kommunikation in Führung, Teamentwicklung und Strategie und Gründer des Beratungsnetzwerks POSITIVE HR. MANAGEMENT (positive-hr.de).

Maurer, Pfarrer und Abrüstungsminister: Ein Gespräch mit Rainer Eppelmann

Ausgrenzung, Haft, Verrat und Vergebung. So kann man das Leben von Rainer Eppelmann kurz zusammenfassen. Wie er sein Leben in der DDR meisterte und warum unsere Demokratie so wertvoll ist, erzählt er im Interview mit Rüdiger Jope.

Rüdiger Jope: Als 18-Jähriger wollten Sie Architektur studieren. Warum taten Sie es nicht?

Rainer Eppelmann: (lacht) Salopp ausgedrückt, weil Walter Ulbricht (Anmerkung der Redaktion: der damalige Vorsitzende des Staatsrats der DDR) meinte, ich habe genug gelernt. Ich bin ja in Berlin aufgewachsen. Mein Vater arbeitete als Zimmermann auf einer Baustelle in Westberlin. Er gehörte daher zur unanständigen Kategorie der „Grenzgewinnler“.

Das hatte zur Folge?

Mir wurde der Zugang zum Abitur verwehrt. Meine Mutter fand dann in Westberlin ein Gymnasium, wo Jugendliche wie ich, denen aus religiösen oder politischen Gründen in der DDR der Zugang zum Abitur verweigert wurde, es absolvieren konnten. Am Ende der elften Klasse ging diese Tür zu.

Auf Umwegen

Warum?

Weil Walter Ulbricht am 13. August 1961 den „antifaschistischen Schutzwall“ zwischen Ost und West bauen ließ. Damit war der Weg zur Schule und zum Abitur versperrt. (etwas wehmütig) Ich habe es nie nachgeholt. Ich machte stattdessen eine Ausbildung zum Maurer.

Was haben Sie aus diesem vermeintlichen „Umweg“ fürs Leben gelernt?

Ich war später als Pfarrer ungeheuer dankbar, dass ich nicht von der Schule direkt zur Universität und dann ins Pfarramt gegangen bin, sondern sieben Jahre mit meiner Hände Arbeit mein Geld hart verdient habe. Ich habe dort auf den Baustellen ganz normale Menschen kennengelernt. Mir fiel es daher nicht schwer, einfachen Arbeitern auf Augenhöhe zu begegnen.

1967 verweigerten Sie den Dienst an der Waffe in der NVA (Nationale Volksarmee). Auch beim Gelöbnis auf den DDR-Staat stellten Sie sich quer. Das hatte zur Folge?

Ich war Bausoldat des 2. Jahrgangs in der DDR. In der Jungen Gemeinde (Anm. d. Red.: Kirchliche Jugendarbeit) hatten wir uns darauf verständigt: Wenn du jemandem etwas versprichst, dann muss das Gott oder Jesus gegenüber passieren, aber nicht der staatlichen Obrigkeit. Maßgeblich für dieses Nein war aber auch das, was in Auschwitz und in unserem Land von 1933 bis 1945 durch die Deutschen angerichtet wurde, namentlich auch durch meinen Erzeuger.

Mit der Bibel im Knast

Erzeuger? Wie meinen Sie das?

Ich habe bis heute Schwierigkeiten, Vater zu sagen. Mein Vater war bei der SS, gehörte zur Wachmannschaft im KZ-Buchenwald, war einer, der Befehle ausführte. Der rechtfertigte sich in Diskussionen über sein Tun: Ich habe doch einen Eid geschworen. Als ich dann vor der Frage des Eides stand, war mir klar: Das mache ich nicht! Warum sollte ich die verteidigen, die mich 1961 in diesem Land eingesperrt haben?

Mit Ihnen zusammen haben 21 Bausoldaten diesen Befehl verweigert …

Als dies ruchbar wurde, ließ man uns im Hof antreten. 22 Soldaten traten nicht raus zum Gelöbnis. Dann kam plötzlich der Militärstaatsanwalt dazu und sagte: Sie bekommen den Befehl jetzt noch einmal. Wer diesen verweigert, muss mit einer langjährigen Haftstrafe rechnen.

Und dann?

(nachdenklich) Sind 20 von 22 rausgetreten. Das brachte mir acht Monate Gefängnis ein.

Wie war das, plötzlich als junger Mann hinter Gittern zu sitzen?

Die ersten zwei Tage in der Haft waren sehr schwer. Da hat mir permanent das Wasser in den Augen gestanden. Das Gefühl des Eingesperrtseins war schrecklich. Nach drei Tagen habe ich gemerkt, dass mir Widerstandskraft zuwuchs. Im Rückblick kann ich sagen, diese acht Monate im Gefängnis haben mich angstfrei und furchtlos gemacht. Wenn man weiß, warum man im Gefängnis sitzt, nämlich um sich, seinem Glauben und seiner Weltanschauung treu zu bleiben, geht man da gestärkt heraus. In meinem Gepäck hatte ich eine Bibel. Diese habe ich von vorne bis hinten studiert. Diese Worte wurden mir zum Trost und Halt.

Sie waren in der U-Haft mit zehn Männern in einer Zelle. Die Tage vergingen im Schneckentempo …

Ja, wir hatten viel Langeweile. Wir fingen schließlich an, die Wächter zu ärgern. Du brauchtest bloß ein bisschen laut zu werden, da mussten die kommen. (heiter) Das Spiel haben wir dann besonders gerne nachts gespielt. Wir lärmten los. Der Wärter kam gerannt, schaute durchs Guckloch und alle riefen im Chor „Eins“. Das Spiel endete nach der 13. Dann kam er nicht mehr. Am nächsten Morgen wollten sie den Rädelsführer genannt haben. Doch wir hielten zusammen. Da wurde ich als „Soldat“, der die Gruppe zu führen hätte, zu einigen Wochen verschärftem Arrest verdonnert.

„In Berliner Gemeinden hat man es mit Intelligenzlern zu tun“

Nach den acht Monaten Gefängnis mussten Sie noch die komplette Bausoldatenzeit ableisten. Und dann?

Ich wäre gerne Journalist geworden, aber da führte kein Weg rein. Ich bekam dann mit, dass die evangelische Kirche händeringend Pfarrer suchte.

Sie nahmen ein Theologiestudium über den zweiten Bildungsweg am „Paulinum“ in Berlin auf …

Gleich zu Beginn des Studiums fragte mich der Ausbildungsleiter, wie ich mir das denn mit dem Pfarramt vorstellen würde. Ich habe ihm dann meine Beweggründe geschildert und ihm gesagt, dass ich hinterher gerne eine Berliner Gemeinde übernehmen würde. Da lachte dieser schallend und sagte: Das geht nicht – in Berliner Gemeinden hätte ich es mit Intelligenzlern zu tun.

Hat Sie das verletzt?

Nein, ich war mir meiner sicher. Die ersten Jahre habe ich mich sehr unter Druck gesetzt, bis in mir die Überzeugung heranreifte, dass auch ein Halbtheologe ohne Abitur und universitären Abschluss ein ganzer Theologe für die Menschen sein kann. (lacht) Ich bin dann tatsächlich Pfarrer und Kreisjugendpfarrer in Berlin Friedrichshain geworden. Später habe ich dann auch gemerkt: Deine Komplexe kannst du stecken lassen, dafür bist du mit deiner Maurererfahrung nahe dran an den Menschen.

Sie scherten mit politischen Äußerungen und den Blues-Messen in der Samariterkirche aus dem Konsens „Kirche im Sozialismus“ aus. Was passierte dadurch?

(lacht verschmitzt) Bei Jugendlichen kam das gut an. Blues-Veranstaltungen durften ja nach der DDR-Veranstaltungsordnung nicht in Kirchen stattfinden, aber Blues während eines Gottesdienstes war nicht verboten. Mit einem Kollegen wagte ich dieses Projekt. Wir tranken mit den Jugendlichen, die überall im Stadtteil herumlungerten, eine Pulle Bier, spielten mit ihnen Fußball, luden sie in unsere Räume ein. Die fingen an, von ihren Sorgen, Nöten und Ängsten zu erzählen. Die Blues-Messen ohne lange Liturgie wurden zum Herzschlag unserer Gemeindearbeit. Bis zu 8.000 junge Menschen rückten aus der ganzen DDR zu diesen Gottesdiensten in zwei Kirchen an.

Das hat Ihnen aber sicher nicht nur Beifall eingebracht?

Nein, mehr als einmal wurde ich im Pfarrkonvent gefragt: Wie viele davon haben sich taufen lassen? Wie viele davon zahlen inzwischen Kirchensteuer? Da habe ich gesagt: Das ist nicht meine Triebfeder. Ich wollte einfach das Wort Jesu: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid“ (Matthäus 11,28) leben.

Wie hat der Staat, der ja für sich in Anspruch nahm, der einzig wahre Anbieter für die Arbeit mit Jugendlichen zu sein, auf diese Konkurrenz reagiert?

Der Ärger auf staatlicher Seite war groß. Sie übten auf meine Vorgesetzten massiven Druck aus, diese Gottesdienste einzustellen. Man wollte mich auf eine andere Stelle wegloben. Doch ich blieb, kämpfte für dieses Format bis zum Ende der DDR. Der Staat schwenkte schließlich um, fing an, Druck auf mich persönlich auszuüben.

Manipulierte Bremsen und Vergiftung

Man versuchte Sie dann mit einem Mordanschlag aus dem Verkehr zu ziehen …

Meine Stasi-Akten erzählen mir von vier Versuchen. Mir wurde an einer Kreuzung die Vorfahrt genommen. Der LKW-Fahrer ist bei rot gefahren und in mich hineingekracht. Mein Wagen hatte einen Totalschaden und ich zwei angebrochene Halswirbel. Im Krankenhaus stellte man fest, dass in meinen Händen und Füßen Lähmungserscheinungen anfingen. Ich wurde zum Glück schnell operiert, ansonsten wäre ich heute wohl querschnittsgelähmt. Einmal hatte ich Zucker im Tank, und das Lenkrad meines Dienstwagens wurde manipuliert. Ich fuhr mit meiner Frau und meinen vier Kindern einen Waldweg entlang, als ich plötzlich das Lenkrad in der Hand hatte. Ich fuhr zum Glück im Schritttempo und brauchte nur auf die Bremse drücken. Einen Tag vorher waren wir auf der Autobahn. Wir wären wohl alle ausgelöscht worden. Später wurde geplant, dass mich eine Frau aus der Gemeinde zum Abendessen einlädt. In eine Pilzsuppe wollte man mir Grüne Knollenblätterpilze untermischen.

Sie haben dann 1982 zusammen mit dem Bürgerrechtler Robert Havemann den Berliner Appell „Frieden schaffen ohne Waffen“ verfasst …

… der mir zwei Tage Stasi-Knast einbrachte und hinter den politischen Kulissen für heftigen Wirbel gesorgt hat. Die evangelische Kirche und die damalige Bundesregierung intervenierten bei der Regierung der DDR. Stasi-Chef Mielke wollte mich wegsperren oder aus der DDR rausschmeißen. Staatschef Erich Honecker wollte keinen zweiten Fall Biermann. Er sorgte dafür, dass ich wieder in der DDR freikam, rang der Kirche aber das Versprechen ab, dass der Eppelmann zukünftig in politischen Dingen seine Berliner Schnauze hält.

Das haben Sie dann auch getan?

(lacht) Ich habe denen gesagt, in der nächsten Woche lehne ich alle Interviewanfragen aus dem Westen ab, dann aber nicht mehr.

Keine freie Wahl

Als Pfarrer im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain haben Sie im Mai 1989 die Auszählung der Kommunalwahl mutig vor Ort mitverfolgt. Wie haben Sie die Auszählung kontrolliert?

Wir haben nicht mehr gemacht, als die Zahlen aufzuschreiben, die die Wahlhelfer im Wahllokal vor unseren Augen und Ohren genannt haben. Das waren keine errechneten oder erdachten Fantasiezahlen, die wir zusammengeschrieben haben.

Was haben Sie gedacht, als Sie das manipulierte Ergebnis hörten, welches DDR-Wahlleiter Egon Krenz in der Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ verkündete?

Ich habe mich geärgert und wir haben uns bestätigt gefühlt. Wir sahen: Die haben das gemacht, was sie offensichtlich all die Jahre auch schon gemacht haben, nämlich uns zu betrügen.

Waren die gefälschten Wahlergebnisse der Anfang vom Ende der DDR?

Zumindest ein entscheidender Dominostein. Das Agieren hat manchen ehrlichen Menschen wie eine Keule getroffen. Ich bin vielen der SED Nahestehenden oder auch SED-Mitgliedern begegnet, die fassungslos waren. Die im Grunde ihres Herzens anständige Menschen sein wollten und dann auf einmal tief enttäuscht feststellten: Ihre Jungs da oben sind Heuchler und Lügner.

Sie sind auch bespitzelt worden?

(langes Schweigen) Das hat mich sehr getroffen. Mein bester Freund war Wolfgang Schnur – dachte ich zumindest. Er war als Anwalt der Ansprechpartner der Kirche im Blick auf den Beistand für Bausoldaten oder Totalverweigerer. Im März 1990, wenige Tage vor der ersten freien Wahl in der DDR, flog seine Tarnung auf. Es stellte sich heraus, dass er von 1965 bis 1989 einer der wichtigsten Stasi-Spitzel im Bereich der evangelischen Kirche gewesen ist. Ich habe ihn dann nach seinem Zusammenbruch im Krankenhaus besucht. Erst hat er mich stundenlang vor der Tür warten lassen, dann erzählte er mir, dass er dem Magazin Stern ein Interview zu seiner Tat gegeben habe. Zu meinem Erstaunen sagte er mir, „von irgendetwas muss ich ja jetzt noch leben“. Ich verließ das Krankenhaus tief enttäuscht, weil ihm kein Wort der Erklärung, der Bitte um Entschuldigung über die Lippen kam.

Sind Sie ihm nochmal begegnet?

Zehn Monate nach seiner Enttarnung war ich für eine Zeugenaussage vor Gericht in Rostock. Als ich die Treppe hochging, stand er da. Er wandte sich mir zu und wollte mir die Hand geben. Da habe ich ihm den Handschlag verweigert, ihm gesagt: „Wolfgang, du musst mir eine Menge erzählen, bevor ich dir wieder die Hand geben kann.“ So mancher hat mir danach gesagt: „Du als Pfarrer musst ihm doch verzeihen.“ Nein, sage ich, in meiner Bibel steht, dass man keine Perlen vor die Säue werfen soll. Wenn einem verziehen werden soll, muss zumindest ein Fünkchen Reue vorliegen.

Weg in die Politik

Wenige Wochen nach dem Mauerfall wurde der Pazifist Eppelmann Minister der Verteidigung bei der Volksarmee. War das nicht widersprüchlich?

Ich habe mit dieser Anfrage von Ministerpräsident Lothar de Maizière sehr gerungen. Ich habe ihm zuerst gesagt, nee, das mache ich nicht. Aber als Abrüstungs- und Verteidigungsminister würde ich zur Verfügung stehen. Später habe ich erfahren, dass andere ihm schon einen Korb für diese schwierige Aufgabe gegeben hatten. Als Pfarrer kam mir zugute, dass ich mich um die kümmerte, bei denen etwas zusammengebrochen ist. Und für die NVA-Militärs war auf einmal alles anders, für die war ihr Weltbild zusammengebrochen. Zugleich waren sie die Einzigen, die schwer bewaffnet waren. Wie würden die reagieren? Wie der Bär, der in die Ecke gedrängt wird?

Wie haben Ihre politischen Mitstreiter auf diesen Frontenwechsel reagiert?

(zögerlich, leise) Ich sehe heute noch das Schild an der Samariterstraße 27: „Eppelmann treibt uns in die NATO.“ Und ich habe noch heute die Zeitungsannonce von Katja Havemann und Bärbel Bohley vor Augen. Da stand: „Rainer Eppelmann! Wir schämen uns für dich.“

Hat Sie das verletzt?

Schön war es nicht. Ja, es hat mich geärgert und traurig gemacht.

Sie sind jetzt 81 Jahre alt. Was hat Sie davor bewahrt, in all den durchgestandenen Kämpfen nicht bitter zu werden?

Wir haben gewonnen, gewaltfrei und friedlich. Nicht die Honeckers, nicht die Mielkes und auch nicht die Stasi haben triumphiert, sondern wir als Volk. Und ganz sicher hat mir auch mein christlicher Glaube geholfen, die Dinge immer wieder einzuordnen, unter die Füße zu bekommen.

Demokratie ist nicht perfekt, aber…

Was macht Sie im Blick auf die Zukunft in diesen politisch unruhigen Zeiten hoffnungsvoll?

Demokratie ist nicht perfekt, es gibt Ungerechtes, Notvolles, Schwieriges, aber die Schicksalsfrage für uns Deutsche und Europäer lautet doch: Willst du in einer Diktatur oder in einer Demokratie leben? Mir ist klar, dass unsere Demokratie nicht das Paradies ist, aber es gibt meiner Überzeugung nach keine Staatsform, die dem am nächsten kommt. Diktatur hingegen ist immer unmenschlich, weil es Menschen zu Untertanen macht, aber nicht zu freien, fantasievollen und schöpferischen Staatsbürgern.

Gibt es ein Bibelwort, das Sie in all den Jahren begleitet hat?

Das Dreifachgebot der Liebe aus Matthäus 22. „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt …
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Meine Erfahrung und tiefste Überzeugung ist: Ich kann kein unterstützendes, empathisches Verhältnis zu anderen haben, wenn ich mich selber nicht gern habe.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Rüdiger Jope ist Chef-Redakteur des Männermagazins MOVO. Er ist gebürtiger Ostdeutscher und musste sich 1980 vor Pionierleiterin und der Klassenlehrerin rechtfertigen, warum er auf seiner Jacke den Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ trug.

Rainer Eppelmann lernte den Beruf des Maurers. Nach seinem Dienst als Bausoldat studierte er Theologie und war bis 1989 Pfarrer in der Berliner Samaritergemeinde. Eppelmann war Mitbegründer der Partei „Demokratischer Aufbruch“ und in der frei gewählten Regierung de Maizière Minister für Abrüstung und Verteidigung. Von 1990 bis 2005 war er Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Eppelmann ist heute Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. bundesstiftung-aufarbeitung.de

 

Foto: Rüdiger Jope

Martin Kielbassa ist Kriminalkommissar in Essen. Bild: Rüdiger Jope

Kriminalkommissar: „Ich will Menschen davon abhalten, Straftaten zu begehen“

Martin Kielbassa jagt seit mehr als 40 Jahren Verbrecher. Doch er möchte auch verhindern, dass junge Leute überhaupt straffällig werden. Er berichtet, was ihn bewegt, was sich verändert hat und welcher Fall ihn nicht loslässt.

Es ist 7:28 Uhr in Essen-Steele. Ich drücke die Klingel an einem in die Jahre gekommenen Klinkerbau. „Polizeipräsidium Essen.“ Es surrt. Auf den gesprenkelten Terrazzoplatten tritt mir Essens 1. Kriminalhauptkommissar Martin Kielbassa (62) entgegen. Jeanshose und blauer Pulli statt Uniform und Waffe. Er wirkt locker. Seine Augen strahlen. Schon im ersten Moment spüre ich: Hier brennt einer für seinen Beruf und die Menschen.

Zwei Stockwerke höher. Wir sitzen vor zwei Bildschirmen. Martin überfliegt die Meldungen, die in der Nacht reingekommen sind. Ihm ist es wichtig, „vor die Welle zu kommen“. Er liest sich in zwei Wohnungseinbrüche, ein Drogendelikt, einen Raubüberfall und einen Erpressungsversuch ein. Das Telefon klingelt. „Ja, habe ich gelesen, spreche ich nachher in der großen Dienststellenrunde an. Nein, beim Spiel von Rot-Weiss Essen verlief diesmal alles normal. Glück auf!“ Dampf steigt auf aus zwei Kaffeetassen mit der Aufschrift „Grün ins Grau“.

Feuerwerkskörper, Rollerdiebstahl und Führungsbunker

7:57 Uhr. Stimmengewirr. Zehn Männer und drei Frauen haben sich zur donnerstäglichen Dienstbesprechung ins Zimmer ihres Chefs gequetscht. Auf dem Tisch ein grüner Adventskranz. „Hat jemand Streichhölzer für die Kerzen?“ „Wie war das mit ‚kein offenes Feuer in Diensträumen‘?!“ Gelächter. „Vanessa, ich wollte dir vorhin helfen, dein Auto von der Kreuzung zu schieben, doch gerade da rief der Staatsschutz an …“, sagt jemand. Ein anderer witzelt: „Deinen Smart schiebt man doch mit einer Hand.“ Lachen. Lebkuchen werden rumgereicht. Martin moderiert, hört aufmerksam zu, schreibt mit. „Bitte gebt noch eure Urlaubsanträge für 2024 ab. Und nochmals ein dickes Dankeschön an die zwei, die sich für den Bereitschaftsdienst an Silvester gemeldet haben. Zwei von uns sind übrigens in der nächsten Woche in die Mordkommission abgeordnet.“

Dann gibt er die Runde frei und berichtet, was sich in der letzten Woche in Essen und Mülheim an der Ruhr getan hat. „Bei Amazon wurden von einer Person explosive Stoffe in größerer Menge bestellt. Die Kollegen haben eins und eins zusammengezählt und bei einer Hausdurchsuchung eine größere Menge Feuerwerkskörper sichergestellt. Derzeit prüfen wir, ob ein Straftatbestand vorliegt …“ „Im Fall der Rollerdiebstähle haben wir vier Jugendliche festgenommen. Erste Ermittlungsergebnisse erwarte ich Mitte nächster Woche.“ „Vom Raubüberfall auf die zwei Supermärkte liegen jetzt gute Bilder im Fahndungsportal. Die Typen waren sehr auffällig, die werden mit Sicherheit bald gefasst.“ „Nach unserer Observation ist das SEK bei dem alten Mann rein. Der hat sich im Keller einen kleinen Führungsbunker eingerichtet. Es wurden Waffen sichergestellt. Bei ihm liegt wohl eher eine Erkrankung als eine Gefährdung vor. Er wurde in die Klinik eingewiesen.“ „Ein Arzt in der Uni-Klinik wurde mit einer Glasflasche angegriffen. Wir haben das Ganze als versuchten Tötungsdelikt eingestuft.“ „Eine aufmerksame Nachbarin hat uns auf den Drogenhandel in ihrer Nachbarschaft aufmerksam gemacht. Wir konnten den Tatverdächtigen festnehmen. In der Hand hatte er eine Plastiktüte mit allem, was das Herz begehrt …“

Vom Hauptschüler zum Hauptkommissar

8:55 Uhr. Wir sind unterwegs im Auto. Martin begleitet heute zwei Jugendkontaktbeamte in Essener Schulen. Ich lerne: „Prävention ist der beste Opferschutz.“ Erst mal stehen wir im Stau. Das Handy schweigt. Gelegenheit zum Nachfragen. „Wolltest du schon immer Polizist werden?“ Martin lacht und schüttelt den Kopf. „Mein Vater war Schlosser. Er meinte, dass die Hauptschule für mich langt, um schlau zu werden. Zu viel Intellekt verhindere zudem nur den christlichen Glauben.“ So tut Martin nicht mehr, als er muss, erlernt nach der 9. Klasse den Beruf des Kfz-Mechanikers. Bei der Bundeswehr verschlägt es ihn zu den Feldjägern. Diese arbeiten mit der Polizei zusammen. Dabei entdeckt er: Das ist „ein toller Job, der macht mir Spaß“. Er holt das Fachabitur nach, geht als Polizist auf Streife, schreibt sich zum Studium an der Polizeihochschule ein, wird Kriminalbeamter, leitet Brand-, Umweltdelikt-, Einbruchs-, Automatensprengungs- und Mordermittlungen und die Ermittlungsgruppe Jugend. Die Ampel springt auf grün. Es läuft, bei ihm und im Verkehr.

9:28 Uhr. Gesamtschule Essen Nord. Grau statt grün. Große Löcher klaffen in der Decke. Ein Riss zieht sich über die Wand. Eine alte Tafel, der Geruch eines feuchten Schwammes wabert durch den Raum. An der Pinnwand prangt ein vergilbter ZEIT-Artikel „Auf nach Mekka“. Die Jugendkontaktbeamtin Vanessa begrüßt die 8c. Die Jugendlichen wirken schüchtern. „Seid ihr immer so ruhig?“ Bei den Stichworten „Videos“ und „Mobbing“ brodelt es. „Darf ich den schlagen, der meine Mutter beleidigt hat? War doch nur ein Klatscher!“ Vanessa hört zu, fühlt sich ein, fragt nach, aber eiert auch nicht rum. Mit der Pistole im Halfter steht sie hier auch für einen sprachfähigen und wehrhaften Staat. Vier Halbwüchsige drängeln sich in den Vordergrund. „Jugendarrest ist doch wie Probewohnen im Knast“, entfährt es dem Einen belustigt. „Den Vater des Wortführers und seine Brüder kenne ich. Wenn die schon im Knast sitzen, ist es schwierig, aus der Vita der Familie auszusteigen“, merkt Martin nachdenklich auf dem Weg nach draußen an. Präventionsarbeit ist Sisyphusarbeit, aber „sie lohnt sich, denn jeden Euro, den wir hier investieren, müssen wir hinterher nicht in die Aufklärung und den Strafvollzug stecken“.

Tatorte und ein offener Fall

11:17 Uhr. Dank des grünen Pfeils dürfen wir rechts abbiegen. Die Straßen und Plätze auf dem Weg zur nächsten Schule erzählen Kriminalgeschichten. „Dort in der Einfahrt habe ich mal einen Autodieb festgenommen.“ „Hier an der Ecke haben wir einen Erpresser observiert.“ „Da drüben wurde ein Geldautomat gesprengt.“ „In das geöffnete Fenster im ersten Stock warf ein Schüler im Übermut eine Wunderkerze. Beim anschließenden Wohnungsbrand starb eine Frau.“ „Gibt es einen Fall, der dir noch nachhängt?“, frage ich. „Ja, für die Aufklärung dieser Geschichte würde ich sogar aus dem Ruhestand zurückkommen“, entfährt es dem 61-Jährigen spontan. Ein Mann meldet seine Frau als vermisst. Im Verhör verstrickt er sich. „Doch trotz intensiver Ermittlungsarbeiten hatte ich nur Indizien in der Hand. Die Leiche wurde bis heute nicht gefunden. Der Staatsanwalt signalisierte mir: ‚Martin, das langt nicht‘, obwohl ich zu 100 Prozent sicher bin, dass er der Täter ist.“ Ich spüre: Das nagt an ihm, auch Jahre nach Einstellung der Ermittlungen noch.

12:29 Uhr. „Glückauf“-Hauptschule in Essen. Auch dieser Schule mangelt es an Grün. 10. Klasse. Elf Jungs und drei Mädels sind anwesend, zwölf machen heute blau. Jürgen, der Jugendkontaktbeamte, referiert zum Thema „Online-Sicherheit“. Er füllt den Raum mit gelebter Präsenz, einem gesunden Selbstbewusstsein, enormem Hintergrundwissen und Schlagfertigkeit. Der ehemalige IT-Experte hat hier seine Berufung gefunden. Dem Polizisten gelingt es, den Schülerinnen und Schülern trotz deren permanenten Toilettengängen und Zwischenrufen Aufmerksamkeit abzuringen und sie für einen vorsichtigeren Umgang mit dem Internet zu sensibilisieren.

13:45 Uhr. Martins Magen knurrt. Doch zwischen Wettstuben und Shisha-Bars lässt sich kein Bäcker mehr finden. Knapp 40 Jahre ist er jetzt in Essen als Polizist unterwegs. „Was hat sich geändert in den Jahren?“, frage ich. „Der Respekt gegenüber der Polizei hat abgenommen. Wir haben es mehr mit Menschen aus anderen Kulturkreisen zu tun. Die Clan-Kriminalität ist hinzugekommen und früher gab es keine Prävention. Da wurde nur ermittelt und weggesperrt. Heute will ich Menschen davon abhalten, Straftaten zu begehen. Mein Ziel ist es, vor die Welle zu kommen. Dafür brenne ich“, sagt’s und winkt eine Frau mit Kinderwagen über den Fußgängerüberweg. Während er wieder Gas gibt, bohre ich nach. „Was wäre aus deiner Sicht wünschenswert?“ Martin überlegt nicht lange. „Ich wünsche mir wieder Eltern, die ihren Erziehungsauftrag wahrnehmen und frühzeitig Grenzen setzen. Wenn Mama und Papa keine Vorbilder sind, was soll dann aus den Kids werden?“ Martins Worte fließen jetzt wie der Verkehr vor uns: „Wir haben als Polizei einen pädagogischen Auftrag. Mich und mein Team spornt es an, Jugendlichen Hilfe anzubieten, damit sie nicht (mehr) straffällig werden.“

Vor Gott sind alle Menschen gleich

14:05 Uhr. Wieder im Präsidium. Martin hat einen Apfelstrudel aufgetrieben. Er schenkt mir Kaffee ein. Ich spüre: Der 61-Jährige hat noch Freude an seinem Job. Neugierig hake ich nach: „Wie hast du dir diese Frische behalten? Wie bleibst du positiv in all dem Bösen?“ „Mein christlicher Glaube gibt mir jeden Tag Halt, Kraft und Zuversicht. Ich glaube an einen Gott, der mich geschaffen hat, der auch mich reparieren will und kann. Und dieser Gott differenziert nicht – du bist schuldig, egal, ob du jemanden getötet oder jemanden angelogen hast. Weil es ein Gott der zweiten Chance ist, will ich diese auch anderen geben.“ Martin geht mit seinem Christsein offen um. Da frotzelt schon auch mal jemand. „Du als Christ machst das so?“ Oder er wird mit dem Namen „Der barmherzige Martin“ betitelt. Das Telefon klingelt. „Martin, kannst du am Wochenende kurzfristig die Leitung der Gefangenensammelstelle beim Fußballspiel von Rot-Weiss Essen übernehmen?“

15:18 Uhr. Zeit für Verwaltungskram. Martin stöhnt. Führungskraft ist er jedoch gern. Sein Bestreben ist es, Mitarbeitende an der richtigen Stelle zur Entfaltung zu bringen. „Ich will den Menschen in meinem Team den Rücken freihalten. Sie sollen hier befreit aufspielen. Wenn sie glücklich sind, bringen sie auch Leistung“, spricht’s und zitiert im nächsten Atemzug seinen Lieblingsbibelvers. „Wer unter euch der Größte sein will, sei euer Diener“ (Matthäus 23,11). Er macht sich auf in die Küche, um den Stoß dreckiger Kaffeetassen abzuspülen.

18:35 Uhr. Martin sitzt hinter Gittern in der JVA Bochum. Um ihn in der Kapelle im Stuhlkreis herum 13 Inhaftierte. Er hört den Gefangenen zu, ermutigt sie, erzählt von seinem Glauben als Christ und feiert mit denen, die er und seine KollegInnen morgens hinter Schloss und Riegel brachten, einen Gottesdienst. Fröhlich greift er in die Saiten seiner Gitarre und schmettert mit ihnen adventlich im Chor „Macht hoch die Tür“.

Rüdiger Jope ist Chef-Redakteur des Männermagazins MOVO. Seit Januar 2024 geht er im Ehrenamt der Aufgabe eines Jugendschöffen am Amtsgericht Hagen nach.

General: „Soldaten stehen im Dienst an der Gesellschaft“

Seit dem Krieg in der Ukraine steht die Bundeswehr besonders im Fokus. General Jürgen-Joachim von Sandrart ist Soldat in zehnter Generation und erklärt, wie Soldaten der Gesellschaft dienen und selbst Gefahren auf sich nehmen.

Eigentlich wollte er Land- und Forstwirt werden, um dann, wie sein Großvater nach dem Ersten Weltkrieg, in Argentinien eine Farm aufzubauen. Aber dann kam alles anders. Jürgen-Joachim von Sandrart wurde Soldat und führte damit eine noch ältere Familientradition in der zehnten Generation fort. Er absolvierte die damals übliche Wehrpflicht, verpflichtete sich anschließend für zwei Jahre und schlug die Laufbahn zum Reserveoffizier ein. Als Zeitsoldat studierte er an der Universität der Bundeswehr in Hamburg Wirtschafts- und Organisationswissenschaften. Mit einem Schmunzeln denkt er an diese Zeit zurück: „Ich bin sicherlich kein Vorzeigestudent gewesen. Ich habe das Studium gemacht, weil es ein Auftrag war, eher schlecht als recht. Für mich stand immer im Vordergrund, Soldat zu sein – mit Menschen im Team zu arbeiten, zu gestalten und ein Team zu führen –, nicht Wirtschaftsakademiker.“ Da lag es nahe, dass er nach dem Studium schließlich Berufssoldat wurde. Auch seine zukünftige Frau Harriet fand ein Ja dazu. 1991 heirateten die beiden.

GEFÄHRDETE BEZIEHUNG

Er arbeitete sich hoch vom Leutnant bis zum Oberst. Dazu gehörte auch der häufige Wechsel der Standorte Hamburg – Lüneburg – Strasburg – Rosengarten – Wöhrden bei Stade – und damit verbunden viele Umzüge für die Familie von Sandrart. 2008 entschied sich das Ehepaar für eine Fernbeziehung zugunsten einer kontinuierlichen Schulbildung und einem stabilen Umfeld für die Kinder. Mutter Harriet zog mit den drei Söhnen und der Tochter nach Stade. Vater Jürgen-Joachim kam an den Wochenenden von seinem jeweiligen Standort angereist. Eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Sie sind dankbar, dass sie das als Familie und Paar so gut gemeistert haben. Das ist nicht selbstverständlich, denn die Scheidungsrate bei der Bundeswehr liegt deutlich im höheren zweistelligen Bereich.

Herausfordernd waren auch die Auslandseinsätze, an denen Jürgen-Joachim von Sandrart teilgenommen hat. Dreimal war er für jeweils mehrere Monate im Einsatz, dazu zählten Einsätze auf dem Balkan und in Afghanistan. Hier überlebte er 2011 nur knapp einen Anschlag, bei dem elf Menschen getötet und neun weitere schwer verletzt wurden. Bis heute redet er in der Öffentlichkeit „sehr ungern“ über dieses Ereignis. Er befürchtet, dass viele nur eine Abenteuergeschichte hören wollen und darüber vergessen, wie traurig und auch traumatisch alles war. Und wenn er doch etwas erzählt, dann spiegelt seine Mimik und Gestik wider, wie nah ihm das alles geht, auch heute noch, mehr als zwölf Jahre später. „Ich bin dankbar, dort unversehrt herausgekommen zu sein. Wir haben Kameraden verloren, die ich beide auch sehr gut kannte. Ich bin dankbar für eine herausragend gute Ausbildung, die mir erlaubt hat, zu überleben und richtig zu reagieren. Und ich danke dem lieben Gott.“ Den „lieben Gott“ kennt er von Kindesbeinen an. Der christliche Glaube wurde in seinem Elternhaus ganz natürlich gelebt und prägt bis heute seinen Alltag. „Das Ungewisse ist eine wesentliche Herausforderung des soldatischen Lebens. Wenn Sie im Einsatz führen, wissen Sie letztendlich nie zu hundert Prozent, was auf einen zukommt; wir bezeichnen dies als Handeln und Führen ins Ungewisse. Es gibt keine hundertprozentige Gewissheit, wie sich Dinge entwickeln werden, welche Herausforderungen vor einem liegen, welche Entscheidungen man treffen muss für die einem Anvertrauten und für sich selbst. Sie müssen sich in jeder Situation fragen: Was ist jetzt zielführend? Was ist richtig? Was ist auszuschließen? Was ist zweckmäßig?“

GEFÄHRDETES LEBEN

Vielleicht konnte er deshalb nach dem Anschlag in Afghanistan schneller wieder zur Tagesordnung übergehen. „Weitermachen! Wir wissen, dass das zum Soldatenberuf dazugehört“, war und ist seine Devise. Spätestens jetzt wird deutlich, dass „Soldat“ kein Beruf ist wie jeder andere. In kaum einem anderen Beruf legt man einen Eid ab, in dem man gelobt, „… der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe“. In letzter Konsequenz kann das bedeuten, dass „der Beruf auch hinter das irdische Leben führen kann“, so umschreibt es Jürgen-Joachim von Sandrart.

Trotzdem legt er an den Soldatenberuf letztlich die gleiche Messlatte an wie an jeden anderen Beruf. „Jeder soll sich authentisch, aufrecht und mit aller ihm zur Verfügung stehenden Energie seinem Berufsfeld widmen. Als Soldat stellt man sich in den Dienst einer Gesellschaft. Das tun viele Berufsfelder: Pfleger, Lehrer, Blaulichtorganisationen, Politiker, Pastoren und viele mehr. Der Unterschied zum Soldatenberuf liegt in der Tatsache begründet, dass sich der Soldat verpflichtet, notfalls mit seinem höchsten Gut – seinem Leben – für die Gesellschaft einzustehen.“ Diese Sicht findet sich auch im Selbstverständnis der Bundeswehr, das in diesen drei Worten zusammengefasst ist: „Wir.Dienen.Deutschland.“ 2020 hat von Sandrart als Kommandeur der 1. Panzerdivision Oldenburg anhand dieser drei Worte das Alleinstellungsmerkmal des Soldatenberufes und sein persönliches Führungsverständnis als Soldat und Kamerad in einem Kommandeur-Brief entfaltet. 20.000 Soldatinnen und Soldaten, für deren Ausbildung und Führung er als Generalmajor zuständig war, lasen seine Ausführungen. Darin, wie auch in Ansprachen an die jungen Feldwebel und Offiziere, zitiert er die Bibel. Zum Beispiel Worte aus dem Epheserbrief: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ „Für mich war der christliche Glaube immer das hilfreichste Koordinatenkreuz“, erklärt er. Missionieren will er auf keinen Fall. Er ist davon überzeugt, dass man auch in anderen Glaubensrichtungen und Werteverständnissen die gleichen fundamentalen Prinzipien des menschlichen Miteinanders findet wie im Christentum.

GEFÄHRDETER FRIEDEN

2021 nahm Jürgen-Joachim von Sandrart die nächste Karrierestufe. Er übernahm sein jetziges Kommando und wurde zum Generalleutnant ernannt. Als kommandierender General des Multinationalen Korps Nordost in Stettin ist er der höchste taktische militärische Führer für Landoperationen an der NATO Nordostflanke. Der Verantwortungsbereich des Multinationalen Korps Nordost umfasst die Länder Estland, Lettland, Litauen und Polen, die sämtlich eine gemeinsame Landgrenze mit Russland und Belarus teilen. Mit dem Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 hat sein Korps, das aus vierundzwanzig Nationen besteht, eine ganz neue Bedeutung bekommen. Jürgen-Joachim von Sandrart trägt damit auch eine große Verantwortung. „Das Risiko, dass sich dieser Krieg ausweitet über das derzeitige Kriegsgeschehen in Russland und der Ukraine hinaus, ist grundsätzlich gegeben. Daraus sollte keine Untergangsstimmung entstehen, sondern daraus muss der Ansporn entstehen: Es ist wert, sich dafür einzusetzen, dass wir es gemeinsam hinbekommen, die Ausweitung des Krieges zu verhindern und gleichzeitig der Ukraine helfen, den Krieg gegen Russland zu gewinnen. Und ich bin auch sicher, dass wir das schaffen! Aber dafür müssen wir noch konsequenter sein. Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass es keine schnelle Lösung zum Besseren geben wird.“

Bis Ende 2024 steht Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart noch dem Multinationalen Korps Nordost vor, das als „Schlüsselelement der Abschreckung und Verteidigung an der Nordostflanke der NATO in Europa“ fungiert, wie auf der Homepage der Bundeswehr zu lesen ist.* Wie es danach für den Generalleutnant weitergeht, ist noch nicht entschieden. Obwohl die Bundeswehr für ihn nur ein Plan B gewesen ist, hat ihn „der Zauber guter Führung und früher Verantwortungsübertragung bis heute aus inniger Überzeugung an den Soldatenberuf gefesselt“. Mit einem zufriedenen Lächeln kommentiert er das so: „Heute bin ich Hobby-Landwirt. Aber im Wesentlichen: Ehemann, Vater und Soldat! Und das sehr gerne. Ich bereue keine Minute meine Entscheidung! Mein unendlicher Dank gilt meiner Frau und den Kindern, die die Last der Wochenendehe, der Einsätze und der vielfältigen dienstlich begründeten Wechselspiele so großmütig und verständnisvoll getragen haben.“

Sabine Langenbach ist Journalistin, Moderatorin und Autorin. Mit einer Mischung aus Feingefühl und Hartnäckigkeit hat sie schon so manchem Interviewpartner vor Mikrofon, Kamera und Publikum Unerwartetes entlocken können. Als „Die Dankbarkeitsbotschafterin“ veröffentlicht sie regelmäßig den Montagsimpuls auf ihrem YouTube-Kanal. sabine-langenbach.de

General Jürgen-Joachim von Sandrart (61), verheiratet, vier erwachsene Kinder. Seit November 2021 ist er Kommandierender General des Multinationalen Korps Nordost in Stettin. Als taktischer Führer ist er verantwortlich für alle Landoperationen an der NATO-Nordostflanke, die an Russland und Belarus grenzen: also Estland, Lettland, Litauen, Polen. Der Korpsstab besteht aus vierundzwanzig Nationen und führt derzeit unter anderem mehrere Divisionen und Brigaden. *bundeswehr.de/de/organisation/heer/organisation/multinationales-korps-nordost