Gehaltsgespräche erfolgreich angehen. Nachgefragt bei Jochen Mai.
Wann ist der beste Zeitpunkt, um dem Chef die Bitte um eine Gehaltserhöhung unter die Nase zu reiben?
Kurz vor dem Abschluss eines erfolgreichen Projektes oder beim Jahres- oder Mitarbeitergespräch. Allein mit dem Satz „Hey Boss, ich brauch mehr Geld!“ kommen Sie nicht weit. Nutzen Sie den taktischen Moment.
Was ist für Sie Gehalt?
Gehalt ist der Gegenwert meiner Arbeitsleistung. Ich tausche Arbeit gegen Geld, das ist die Grundregel für eine Gehaltserhöhung. Sprechen Sie lieber von Gehaltsanpassung statt von Gehaltserhöhung.
Warum?
Das mag kleinlich klingen, kann aber einen wesentlichen Unterschied machen. Eine Gehaltserhöhung klingt latent nach „mehr Geld bezahlen“ – nach einer Erhöhung ohne Grund. Bei der Gehaltsanpassung schwingt mit, dass etwas bisher nicht korrekt war und deshalb angepasst werden sollte, und dafür gibt es einen Grund.
Warum tut Mann sich mit der Forderung nach mehr Geld so schwer?
Meine Erfahrung ist: Dies ist kein spezifisches Männer-Frauen-Thema. Es ist Männern und Frauen peinlich, für sich selbst einzutreten. Ihnen ist nicht bewusst, wie viel sie ihrem Chef, ihrem Arbeitgeber wert sind. Der Arbeitgeber ist nicht die Arbeiterwohlfahrt. Wenn ich also mehr Leistung bringe, einen Mehrwert erschaffe, kann ich auch mehr Geld verlangen.
Die folgenden Sätze sollte man Ihrer Überzeugung nach beim Gesprächseinstieg vermeiden: »Es ist mir eigentlich unangenehm, aber …«
Klingt wie die Position eines Bittstellers und schränkt daher ein. Der Satz drückt aus: Ich bin mir eigentlich nicht sicher, ob ich einen Anspruch darauf habe. Das ist ein völlig falscher Ansatz. Bitte unbedingt selbstbewusster auftreten und vorher seine Hausaufgaben machen. Es muss eigentlich dem Chef unangenehm sein, dass er nicht schon längst selbst auf die Idee der Gehaltsanpassung gekommen ist.
»Ich könnte mir so um die 100 Euro vorstellen …«
Viel zu ungenau. „Um die“ ist keine konkrete Zahl. Psychologisch ist es gut, eine konkrete Zahl zu nennen.
»Ich brauche …«
Nochmal: Das Unternehmen ist nicht die Arbeiterwohlfahrt. Die gestiegenen Kinderbetreuungskosten und die Raten fürs Haus sind nicht die Probleme Ihres Arbeitgebers. Sie werden nicht dafür bezahlt, dass Sie ein besseres Leben führen, sondern für Ihre geleistete Arbeit. Sagen Sie besser: Ich habe dies geleistet, werde dies oder jenes in Zukunft tun, daher fände ich es gut, wenn ich Summe X bekäme.
Angenommen, der Chef macht mir überraschenderweise sofort ein gutes Angebot …
Im Zweifelsfall ist da noch mehr drin. Hier spielt der Chef vielleicht auch mit dem Ankereffekt und versucht, Sie einzulullen. Unbedingt weiter verhandeln.
Wie reagiere ich, wenn mich das Angebot ärgert?
Gar nicht ärgern lassen. Gegenvorschlag machen. Gezielt nachhaken. Hart verhandeln. Eine Verhandlung darf man nicht persönlich nehmen. Wenn der Chef ein schlechtes Angebot macht, darf man sich davon nicht gefangen nehmen lassen. Einen klaren und kühlen Kopf bewahren und seine Forderung wiederholen.
Ist der Einwand »Woanders verdiene ich mehr« ein gutes Argument?
Auf keinen Fall. Das führt in eine Sackgasse. Das ist eine Tür, durch die man schlecht zurück kann. Besser wäre es, wenn Sie eine Marktrecherche machen. Was verdienen Menschen in meinem Beruf, meiner Position, meiner Qualifikation in dieser Region in Unternehmen ähnlicher Größe? Damit haben Sie handfeste Argumente in der Hand.
Wie reagiere ich, wenn der Chef schweigt?
Zurückschweigen! Lassen Sie sich bloß nicht zum Labern verführen. Gute Fragen stellen wie: Sehen Sie das anders? Wenn ja, warum?
Wie sieht ein Gewinn für beide Seiten aus?
Ganz klar: Der Chef hat einen zufriedenen Mitarbeiter, der mehr Leistungen bringt, und der Mitarbeiter ist mit seinem Gehalt zufrieden. Gute Verhandlungen laufen immer auf einen Kompromiss hinaus.
Sie haben mich überzeugt, ich schicke morgen meine Frau. Wie schaffe ich den ersten Schritt?
(lacht) Am besten die Eltern schicken. (lacht) Nein! Machen Sie Ihre Hausaufgaben, d. h. notieren Sie die Punkte, die für eine Gehaltserhöhung sprechen. Eine gute Vorbereitung ist das A und O. Dann vereinbaren Sie einen Termin mit dem Chef. Über das Gehalt verhandelt man nicht auf dem Flur.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Rüdiger Jope
KARRIEREBIBEL
Der Kommunikationsberater, Autor und Blogger Jochen Mai leitete mehr als zehn Jahre das Ressort »Management + Erfolg« bei der WirtschaftsWoche und fungierte danach einige Jahre als Social Media Manager in der Wirtschaft. Bekannt wurde Mai vor allem als Gründer und Herausgeber von Karrierebibel.de, einem der renommiertesten deutschen Job- und Karriereportale mit rund 3 Millionen Lesern im Monat. Mai ist unter anderem Dozent an der Technischen Hochschule Köln, der Deutschen Presseakademie Berlin und der Zeppelin Universität Friedrichshafen sowie Experte für Content Marketing, Social Media Marketing und Spezialist bei der Entwicklung von Corporate Blogs. Als Keynote-Speaker spricht er regelmäßig auf Fachmessen, Kongressen und Firmenevents.