SERIE: POLITIKBETRIEB VON INNEN
Beobachtungen zur US-Wahl von Uwe Heimowski.
Trump, Trump, Trump – eine knappe Woche nach der US-Präsidentenwahl vom 9. November 2016 gehören drei von vier Schlagzeilen Donald Trump. Muss ich mich da auch noch äußern? Nun, wenn man eine Kolumne über den Politikbetrieb schreibt, kann man den Kopf nicht in den Sand stecken. Daher (auch) von meiner Seite ein paar Beobachtungen zum politischen Geschehen dieser Tage.
DEMOKRATISCHE WAHL ODER GLAUBENSBEKENNTNIS?
Selten hatte man bei Wahlen den Eindruck, dass die Positionen so früh so feststanden. Da ging es irgendwie nicht mehr um Meinungsbildung, nicht mehr um das Abwägen von Argumenten, sondern um ein Bekenntnis: Für oder gegen Donald Trump, für oder gegen Hillary Clinton. In Deutschland war für eine überwältigende Mehrheit klar: Trump geht gar nicht! Für die meisten meiner amerikanischen (und übrigens auch russischen) Freunde war das Gegenteil in Stein gemeißelt: No Hillary! In vielen Gesprächen habe ich versucht, zu kitzeln, den Advocatus Diaboli zu spielen, Argumente herauszulocken – es ist mir selten, sehr selten gelungen. Die Meinungen standen fest, dogmatisch wie ein Glaubensbekenntnis. Mehr noch: Ich erntete ziemlichen Gegenwind von der einen wie auch der anderen Seite, wenn ich ein paar kritische Fragen zu ihrem Favoriten stellte. Die jeweils neuesten Enthüllungen änderten wenig bis gar nichts, sie waren einfach neue Munition für das, was vorher schon feststand. Weder der sexistische „locker room trash“ Donald Trumps noch die Enthüllungen um Clintonsche Zusatzeinkünfte scheinen das eigene Lager beeindruckt zu haben. Was passiert da gerade? Brillant aufgelöste HD-Screens bringen uns zehntausende Farben in die Wohnzimmer. Die Bilder dagegen, die wir uns selber machen, werden zunehmend schwarz-weiß. Übrigens nicht nur in der Politik.
WELTUNTERGANG ODER LEGISLATURPERIODE?
In der Euphorie der 1990er-Jahre wurde „das Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama) verkündet. Friedrich Hegel hatte unser westliches Geschichtsbild viele Jahrzehnte geprägt. These und Gegenthese, oder politisch gesprochen: Macht und Gegenmacht führen zum Ausgleich und damit (auch im Konflikt) irgendwann notwendig zu einer Synthese. Die beiden Blöcke des Kalten Krieges waren diese Antagonisten, und nun sei das System überwunden, eine neue Zeitrechnung breche an, hieß es, eine Zeitrechnung ohne Kriege. Diese Euphorie ist lange verflogen. Heute scheint mir eine ähnliche Dynamik zu herrschen. Nur andersherum: Hysterie statt Euphorie, Frust statt Faszination, Angst statt Aufbruch. Als stehe das Ende der Welt vor der Tür. Zum Menetekel wurde sogar das Datum stilisiert: Auf „nine eleven“ folge nun mit „eleven nine“ die nächste Katastrophe. Strukturell liegt beides nicht weit auseinander. Optimisten und Pessimisten meinen beide, die Welt ein für alle Mal erklären zu können. Aber so funktioniert das Leben nicht. Es richtet sich nicht nach unseren Modellen, nicht nach unserer Begeisterung und nicht nach unserer Angst. Die Welt will täglich gestaltet sein. Barack Obama hat es auf den Punkt gebracht mit seinem Kommentar: „Egal was passiert, morgen wird die Sonne aufgehen.“ Das könnte man als Zynismus missdeuten. Oder man kann die positive Kraft begreifen, die in dieser – vermeintlich banalen – Aussage steckt: Ein neuer Tag ist eine neue Chance. In einer Demokratie gilt noch dazu: Legislaturperioden sind begrenzt. Eine Partei und ihre Kandidaten müssen sich erneut zur Wahl stellen. Nichts ist für immer. Schade manchmal, beruhigend meistens.
RESIGNATION ODER VERANTWORTUNG?
Hunderttausende Menschen gingen in den Tagen nach der Wahl auf die Straße, sie demonstrierten gegen Trump mit dem Slogan: „Not my president!“ Ähnlich waren die Reaktionen vieler Briten auf den Brexit. Manchmal braucht die Enttäuschung ein Ventil. Das ist verständlich. Es ist legitim – und in einer Demokratie auch erlaubt. Doch mit Demos alleine erreicht man keine dauerhafte Veränderung. Wer verändern will, übernimmt Verantwortung und zeigt einen langen Atem. Die „68er“ nannten das „den Marsch durch die Institutionen“. Wen die rassistischen Sprüche Trumps getroffen haben, der sollte sich aktiv für Migranten engagieren. Wer den politischen Filz der Clintons kritisiert, der sollte sich für Transparenz einsetzen und mit gutem Vorbild vorangehen, indem er sich eine eigene, unabhängige Meinung bildet. Wen der Brexit schockiert, der muss aktiv europäisch denken und handeln. Wer das politische Klima in Deutschland kritisiert, der sollte sich einer Partei anschließen und mitarbeiten. Das Schlimmste, was einer Demokratie passieren kann, ist, dass die Menschen resignieren und nicht mehr aktiv mitgestalten. In den USA las ich diesen kleinen Dialog: „Which party do you vote – democrats or republicans?“ „Cocktail Party.“ So wahr. Aber so wenig hilfreich. Vogel Strauß geht nicht. Wir überlassen das Feld den Falschen. Wenn es für mich eine Erkenntnis aus der US-Wahl gibt, dann diese: Machen wir mit! PS: Wen ich gewählt hätte? Zum Glück musste ich nicht wählen. Bleibt nur zu hoffen, dass 2017 nicht Dieter Bohlen antritt …
Uwe Heimowski (52) ist ehrenamtlicher Stadtrat in Gera. Er ist verheiratet mit Christine und Vater von fünf Kindern. Seit dem 1. Oktober 2016 arbeitet er als Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz beim Deutschen Bundestag in Berlin.