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Für ungehemmten Sex: Warum sich Sterilisation beim Mann lohnt

Heiko Kienbaum und seine Frau haben genug vom „Nachwuchsroulette“ und wollen wieder sorglos den Sex genießen. Die Lösung: Heiko lässt sich sterilisieren.

„Zum Goldenen Horn” – allein der Straßenname löst in mir noch heute einen Schmunzler aus. Das Wissen, dass dies die Adresse eines Urologen mit Spezialisierung auf „Vasektomie“, also Sterilisation des Mannes, ist, gibt dem Straßennamen nochmal eine süffisante Note, wie ich finde. In wenigen Minuten betrete ich die urologische Praxis im Süden von Berlin. Überall an den Wänden hängen humoristische Illustrationen zu den Themen „Mannsein” und gelebte Männlichkeit. Bei den Zeitungen finden sich „Men’s Health-Gesundheitsmagazine”, Barbecue-Grill-Magazine mit wirklich fleischigen Gourmettipps, Outdoor- und Karrierehefte komplettieren das Literaturangebot. Hier weiß wohl jemand, was wahre Männer lesen.

Bin ich jetzt noch ganz Mann?

Normalerweise ist das alles nicht ungewöhnlich, aber für mich in diesem Moment schon. Es fühlt sich für mich an, als würde mir nochmal so kurz, bevor es losgeht, das „echte” Mannsein präsentiert, bevor dann „Dr. Schnipp Schnapp” sein Skalpell an meinen Sack anlegt und das alte Leben abschneidet bzw. durchtrennt. Mir wird mulmig zumute. So ein Quatsch, antwortet mein „Verstand” in Richtung meines „Gefühls” und konstatiert übertrieben selbstbewusst: „Das Durchschneiden zweier Samenleiter ändert nichts, aber rein gar nichts an meiner Männlichkeit.” Das Gefühl flüstert und fragt zurück: „Und was, wenn doch? Dann ist’s zu spät, einmal schnipp und die Nummer ist durch. Danach isst du nur noch vegan und trinkst den ganzen Tag Decaf Latte Macchiato mit Hafermilch. Das, was dich als Mann ausmacht, deine ‚Identität‘, deine ‚Fruchtbarkeit‘ ist erledigt. Willst du das wirklich?”

Während ich noch in dem Gedanken verharre, springt die Tür vom Wartezimmer auf und ein dynamischer End-50er-Herr im weißen Kittel kommt mir entgegen. „Herr Kienbaum”, tönt er, „schön, dass Sie da sind. Na dann wollen wir mal, bevor man sich dit anders überlegt, wa?” Äh, stimmt. „Ich komme”, antworte ich etwas zurückhaltender.

Die Überlegungen zur Vasektomie gab es wirklich nicht erst seit gestern. Immer wieder gab es zwischen mir und meiner Frau die Frage, wie das Thema Familienplanung nach der Geburt unserer drei Kids so ganz praktisch für uns in Zukunft aussehen sollte. Ich erinnere mich noch gut, wie oft dieses Thema für uns und unsere Freunde eine Art „Running Gag” war, wenn wir uns trafen und wieder mal miteinander folgenden Satz teilten: „Hui, diesmal, also, könnte es aber wieder knapp gewesen sein …“ „Ah echt, bei euch auch?“ „Schließt doch mal ein Schwangerschaftstest-Abo ab.“ Danke für den Tipp, Freunde.

Sex ohne Hormone und Kondome

Irgendwann nervte das Thema „Was ist, wenn nochmal (ungeplanter) Nachwuchs kommt?” so sehr, dass eine Entscheidung hermusste. Die Fragen, die uns beschäftigten, waren vielschichtig: War unsere Nachwuchsplanung abgeschlossen oder wollten wir nicht doch nochmal den Zauber eines neugeborenen Kindes erleben? Unsere Tochter wünschte sich doch auch noch eine jüngere Schwester … Und was ist eigentlich mit der Glaubensebene? Etwas evangelikal geprägt war das durchaus eine Frage, ob man(n) sozusagen so drastisch in das Thema „Fruchtbarkeit“ eingreifen darf?! Stück für Stück merkten wir, dass wir als Familie und als Paar mit unseren Lebensplänen nicht mehr in Richtung Familienvergrößerung dachten, und so entschieden wir dankbar, dass wir unseren Lebensfokus auf andere Dinge als eine nochmalige Kleinkindphase legen wollten. Und ja, natürlich war auch Sex ein Thema. Wir spürten auch, wie uns die Unklarheit in dieser Entscheidung in diesem Bereich hemmte. Noch ein Grund zu handeln. Denn die hormonelle Behandlung bei der Frau schied aus. Kondom? Diese Entscheidung haben wir dann schon beim nächsten Mal bereut.

Die innerliche und dann auch physische Checkliste für mich und für uns wurde immer klarer:

Auf Sex ab Ende 30 verzichten: Nein.

Warten mit dem Sex, bis meine Frau in der Menopause ist (puh, könnte lang werden, sie war damals 36): Nein.

Frau soll Hormone schlucken, sich diese unter die Haut ballern oder Gerätschaften in die Gebärmutter einsetzen lassen (irgendwie wollte ich das auch nicht – und sie auch nicht, also): Nein.

Frau sterilisieren lassen – denkbar, aber nicht unaufwendig: Nein.

Mann sterilisieren lassen – viel einfacher, warum nicht?: Ja!

Gamechanger im Freundeskreis

Echt jetzt, als Mann sterilisieren lassen? Wer macht denn sowas? Ich weitete meinen Blick. Kenne ich jemanden, der das gemacht hat? Kenne ich jemanden, den das auch betreffen könnte? Der Gedanke war für mich ein Gamechanger in dem Spiel „Nachwuchsroulette”. Ich fragte rum in unserem Freundeskreis und siehe da, die Mehrheit in unserem Umfeld in der Lebensphase zwischen Mitte 30 bis Anfang 40 inklusive ein bis vier Kinder beschäftigen sich genau mit diesem Thema! Es war auf einmal gar kein Tabuthema mehr. Von daher: Redet mit euren Freunden über dieses Thema. Unsere Gespräche waren so unfassbar erfrischend. Was haben wir über die gleichen „Herausforderungen” miteinander gelacht!

„Ich kann’s auch mit verbundenen Augen, soll ich? Herr Kienbaum?” „Dr. Pullermann” steht vor mir mit einer kleinen Betäubungskanone, wenige Zentimeter von meinem Gemächt entfernt. „Machen Sie sich keine Sorgen”, so der Dr. weiter, „ich habe das über 10.000 mal durchgeführt, ich kann so einen Samenleiter zwei Meter entfernt, mit verbundenen Augen und leicht angetütert sauber durchtrennen.” Ich wollte immer wissen, wo meine persönliche Humorgrenze angesetzt ist – hier war sie erreicht und ich antwortete recht zurückhaltend, dass es mir lieber wäre, er würde auf Nummer sicher gehen. Keine 30 Minuten später war der Spuk vorbei und ich stand mit hochgezogener und geschlossener Hose, etwas wackelig und breitbeinig wieder auf der Straße und machte mich auf den Weg zu meinem Auto. Als Abschiedsgruß des Dr. hatte ich noch im Ohr: „Herr Kienbaum, uffm Rückweg holen sich zwee schöne kalte Flaschen Pils, eine für in den Körper und eine für an den Körper, und schonen Sie sich ein paar Tage. Und vergessen Sie nicht nach 30 Ejakulationen zur Nachkontrolle ’ne Probe abzugeben. Erst dann kriegen Sie ’ne Freigabe von mir. Melden Sie sich, wenn was ist, hier ist meine Nummer.”

Den restlichen Tag verbrachte ich mit Kühlpacks auf der Hängematte am Balkon mit Blick auf die Spitze des Berliner Fernsehturms. Apropos Spitze, richtig spitze und so richtig männlich war das Gefühl danach: Nämlich das Thema „Familienplanung” in Abstimmung mit meiner Frau total konstruktiv und in Eigenverantwortung übernommen und einen Weg gewählt zu haben, der für alle Beteiligten passt und sinnvoll erscheint. Danke an dieser Stelle an meinen Special Doc aus Berlin. Er ist ein Meister seines Fachs und der etwas derbe Berliner Humor hat mir sehr gutgetan. Ich gehöre zur Gattung Mann, die schon bei kleinsten Schmerzen heult und jammert (siehe Männergrippe und Zahnarzt), aber das Kopfkino vor dem Eingriff war um ein Vielfaches schlimmer als in der Realität.

Nicht schlimmer als die Männergrippe

Da wir jetzt schon (fast) Fachleute von „Samenleiterdurchtrennungen” sind: Meine gewählte Methode war die sogenannte „Non Skalpell Methode”. Vergnügungssteuerpflichtig ist die ganze Sache natürlich nicht. Mit ein paar Tagen ziehendem Schmerz in der Leistengegend und Druckempfindlichkeit der Hoden müsst ihr rechnen. Aber wer schon mal ’ne Männergrippe überstanden hat, wird hieran nicht verzweifeln. Versprochen! Mein Tipp an jeden Mann: Zieht diese Form der Verhütung ernsthaft in Betracht, lasst euch darauf ein, einmal komplett vorbehaltlos von Gesellschafts-, Gender- oder religiösen Rollenbildern darüber nachzudenken, und – ganz wichtig! – sucht euch einen Arzt und eine Durchführungsmethode, die zu euch passen. Und wenn Kopf und Herz dann zusammen unterwegs sind, dann zieht es durch, am besten gemeinsam im Freundeskreis, und danach: Feiert das Leben und genießt diese neue Art der Sexualität. Es lohnt sich! Und es hat meiner männlichen Identität keinen Abbruch getan.

Heiko Kienbaum ist Autor von „Was Paare glücklich macht”. Zusammen leiten er und seine Frau das C-STAB Werte-Netzwerk für christliche Therapeut:innen, Berater:innen und Seelsorger:innen und Coaches. c-stab.net

Weiterführende Quellen:

  • quarks.de/gesundheit/medizin/das-solltest-ueber-eine-vasektomie-wissen/
  • vasektomie-experten.de
  • vasektomie-experten.ch
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Arzt ist überzeugt: Ein Ruhetag die Woche verbessert die Intimität in Beziehungen

In der heutigen Leistungsgesellschaft ist kein Platz mehr für Ruhe. Der Arzt Jonathan Häußer bedauert das, denn: Ein Tag ohne Arbeit verbessert Gesundheit wie Partnerschaft.

Du sollst aus dem Ruhetag keine Wissenschaft machen. So oder so ähnlich heißt es doch im dritten der Zehn Gebote. Okay, vielleicht war es auch „Gedenke an den Ruhetag und heilige ihn!“. Aber warum eigentlich? Manche behaupten ja, es sei das Gebot, das am meisten missachtet wird. Wir scheinen dem also als Gesellschaft keinen so großen Stellenwert beizumessen. Zwar sind am Sonntag viele Geschäfte geschlossen, aber so richtig Ruhe? Wer braucht das schon?

Aber seien wir mal ehrlich. Irgendwann müssen wir uns erholen. Und zumindest ich bin davon überzeugt, dass Gottes Gebote nicht dazu da sind, um uns zu drangsalieren. Am Ende geht es uns besser, wenn wir uns daran halten. Trifft das auch auf den Ruhetag zu? Ist es sogar gut für unsere Gesundheit? Vielleicht müssen wir doch aus dem Ruhetag eine Wissenschaft machen. Wir schauen uns zumindest mal an, was die Forschung dazu zu sagen hat.

Es gibt einige interessante Untersuchungen. Ein Ruhetag scheint dabei viele Bereiche zu berühren. Er wirkt sich sowohl physisch als auch psychologisch, sozial, kulturell und auf unsere Umwelt aus.

Ruhetag verbessert unser Wohlbefinden

Ein Ruhetag hilft uns, uns auf das zu fokussieren, was wirklich wichtig ist im Leben. Wer sagt schon am Ende seines Lebens: „Hätte ich mal mehr gearbeitet“? Also können wir uns die Arbeit an einem Tag guten Gewissens sparen. Meistens sind es andere Dinge, die zu kurz kommen.

Wer einen Ruhetag einhält, hat tendenziell eine bessere psychische Gesundheit. Aber Sie sollten das aus eigenem Antrieb tun und nicht, weil man es von Ihnen erwartet. Wenn man andere damit zufriedenstellen möchte, hat es eher negative Auswirkungen auf die Psyche.

Beziehungen leben auf

Ein Ruhetag bietet uns eine Gelegenheit, Beziehungen zu priorisieren und wieder mit unseren Familien und Freunden Kontakt aufzunehmen. Interessanterweise berichten auch Verheiratete, die einen Tag ruhen, von einer größeren Intimität in ihrer Beziehung. Zudem bietet so ein freier Tag Zeit, um anderen zu helfen.

Eine positive Einstellung gegenüber dem Ruhen ist mit einer besseren körperlichen Gesundheit und besserem Schlaf verbunden. Allerdings hat man z. B. bei orthodoxen Juden festgestellt, dass die Kalorienaufnahme insbesondere bei Übergewichtigen am Sabbat höher war.

Bei Adventisten, wo ein gesunder Lebensstil eine hohe Priorität hat, kann es hingegen dazu führen, dass man selbst diesen gesunden Lebensstil mehr und mehr annimmt. Bei der körperlichen Gesundheit kann ein Ruhetag also sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben.

Rest der Woche positiv beeinflussen

Halten wir fest: Ein Ruhetag kann das psychische Wohlbefinden verbessern und Beziehungen bereichern. Zudem berichten viele davon, dass ein Ruhetag einen positiven Einfluss auf den Rest der Woche hat. Da die meiste Forschung aber an religiösen Menschen durchgeführt wurde, bleibt unklar, wie die Auswirkungen bei säkularen Menschen sind.

Ich habe erst vor Kurzem angefangen, bewusst einen Tag zu ruhen. Vorher hatte ich neben der Arbeit noch einige zusätzliche Projekte am Laufen und das Ganze hat sehr viel Zeit eingenommen. Auch Beziehungen sind in dieser Zeit zu kurz gekommen. Also habe ich aufgehört, sonntags zu arbeiten.

Gemeinschaft viel mehr genießen

Es fiel mir anfangs zwar schwer und ich hatte erst befürchtet, ich würde mich langweilen. Aber mittlerweile – eigentlich schon von Anfang an – gefällt es mir sehr gut. Einfach mal entspannt nach dem Gottesdienst zusammensitzen, ohne im Hinterkopf zu haben, dass man noch irgendwas erledigen muss. Ich konnte die Gemeinschaft viel mehr genießen. Und was erledigt werden muss, das muss ich dann entweder am Tag davor tun oder eben erst am Montag.

Wie Sie Ihren Ruhetag gestalten, hängt ganz von Ihnen ab. Für mich ist es zum Beispiel in Ordnung, auch am Ruhetag Dienste in der Kirche zu übernehmen. Ob ich das auch langfristig so handhaben werde, weiß ich noch nicht. Mir war es wichtig, erst mal anzufangen und ein bisschen Erfahrung zu sammeln.

Mit der zusätzlichen Zeit kann man in sich gehen und sich Gedanken machen, wie man den Ruhetag dann in Zukunft gestalten will. Ich kann Sie nur ermutigen, dem Ruhen auch in Ihrem Leben Platz zu geben. Am Ende wird es nicht nur Ihnen, sondern auch den Menschen um Sie herum guttun.

Jonathan Häußer ist Arzt und Sportwissenschaftler und fühlt sich vor allem in der Sport- und Ernährungsmedizin zu Hause. In seiner Freizeit ist er auch selbst sehr aktiv. Wenn er nicht gerade bei der Arbeit ist oder durch den Wald läuft, ist er häufig in der Gemeinde ICF Hamburg zu finden.

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Wie Paare Gleichberechtigung leben: „Meine Frau verdient das Geld, ich trage es wieder fort“

Oliver ist Hausmann, während Heiko nicht an die Waschmaschine darf. Wir haben vier Paare gefragt, wie sie ihre Beziehung leben.

Was bedeutet für euch Gleichberechtigung?

Stefan: Nach dem Tod meiner ersten Frau sagten viele: Du brauchst jetzt aber dringend wieder eine Frau für deine vier Kinder. Ich habe über diesen Satz viel nachgedacht.

In der Generation meiner Eltern war es gar nicht denkbar, als Vater für vier kleine Kinder zuständig zu sein, den Haushalt zu managen. Meine erste Liebeserklärung an meine jetzige Frau Brigitte war: Ich brauch dich nicht, aber ich will dich! (allgemeine Heiterkeit)

Oliver: Ich lebe gerade den absoluten Rollentausch. Seit letztem Jahr verdient meine Frau als Sonderpädagogin das Geld und ich kümmere mich um Haushalt, Kinder und Küche.

Kathrin: Oliver war vorher täglich bis zu 14 Stunden als ITler außer Haus. Unsere Rollenteilung lebten wir zwölf Jahre klassisch. Nach vielen, vielen Gesprächen haben wir den Tausch gewagt.

Stefan: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Punkt.

Axel: Richtig! Der Respekt gegenüber meiner Frau macht sich nicht im Sternchen fest, sondern im Handeln.

„Wir werden im Leben niemals fair und gleich behandelt“

Oliver: Das ist doch die Chance und Schwierigkeit unserer Zeit: Beide können arbeiten gehen, beide in Teilzeit arbeiten, der Mann kann zu Hause sein, die Frau darf arbeiten gehen. Dafür ist aber auch alles irgendwie im Fluss, muss ausdiskutiert, abgesprochen und organisiert werden.

Heiko: Ja, wir sind gleichberechtigt. Das Thema ist durch. Doch wir werden im Leben niemals fair und gleich behandelt. Wenn ich mich auf eine Stelle bewerbe, werde ich definitiv besser bezahlt.

Wenn sich eine Frau mit Kindern auf eine Stelle bewirbt, wird sie trotz Sternchen anders behandelt als ein Mann. Umgekehrt: Wenn du als Mann in der Wirtschaft für die Kinder kürzertrittst, kommst du hinterher auch nicht mehr in eine höhere Position.

Maja: Vielleicht müssten wir hier das Wort „gleichgerecht“ gebrauchen? Dann bekommt das Thema eine andere Würze.

„Warum ist das, was jemand zu Hause leistet, weniger wert?“

Wird die Arbeit zu Hause für die Kinder gleich wertgeschätzt wie die außer Haus?

Axel: Nein. Da passiert für mich von staatlicher Seite noch viel zu wenig. (alle nicken) Der, der zu Hause bleibt, hat hinterher die schmalere Rente. Frauen werden schlechter bezahlt und dann im klassischen Rollenmodell auch noch bestraft fürs Kümmern um die Kinder. Hier schlägt’s meinem Gerechtigkeitssinn das Zäpfle hoch!

Oliver: (leidenschaftlich) Genau daran muss sich aber etwas ändern. Warum ist das, was jemand zu Hause leistet, weniger wert, als wenn er den ganzen Tag im Büro rumsitzt?

Stefan: Da bin ich ganz bei dir. Es liegt auch an mir, wie ich diese Rolle ausfülle, präge, lebe. Die Diskussion, ob mit oder ohne Sternchen, geht an mir total vorbei. Ich sage meinen Kindern: Ihr merkt hoffentlich an meinem Verhalten, dass ich mit ganz großem Respekt mit allen Menschen umgehe. Es liegt doch an uns: Wie prägen wir die nächste Generation?

„Manchmal ist es für uns Männer daher einfacher, auf die Arbeit zu gehen, weil du Not und Elend zu Hause nicht siehst“

Ein „Glaubensbekenntnis“ unserer Tage ist: Kinder, Karriere und Beziehung sind miteinander scheinbar problemlos vereinbar. Stimmt das? Muss man Abstriche machen?

Maja: Diese drei Themen sind wie ein Dreieck. Jedes Thema bringt Emotionen und Herausforderungen mit. Es ist ein großes Spannungsfeld. Ja, es funktioniert, aber auf welche Kosten? Wo mache ich Abstriche? Was bleibt auf der Strecke?

Stefan: Als ich alleinerziehend war, stand für mich die Frage im Raum: Woher bekomme ich meinen Wert? Eine Frau aus meinem Umfeld fragte mich: Stefan, woraus beziehst du jetzt deine Anerkennung?

Wenn du für den Haushalt und die Kinder zuständig bist, kommst du maximal auf null, aber nie ins Plus. Das Geschirr, die Wäsche, die Wohnung werden wieder dreckig. Manchmal ist es für uns Männer daher einfacher, auf die Arbeit zu gehen, weil du Not und Elend zu Hause nicht siehst. (allgemeine Heiterkeit)

Axel: Hoffentlich liest das Jugendamt Reutlingen nicht diesen Artikel. (allgemeine Heiterkeit)

„Die wenigsten putzen mit Leidenschaft, sondern sehen darin wie ich das notwendige Übel“

Stefan: Kinder großzuziehen ist nicht jeden Tag die Quelle großer Freude. Und die wenigsten putzen mit Leidenschaft, sondern sehen darin wie ich das notwendige Übel. Wenn du für Geld arbeiten gehst, bekommst du Anerkennung aufs Konto. Die größte Herausforderung ist die: Wo bekommen wir unsere Anerkennung her?

Axel: Widerspruch: Unterschätze mal nicht den Jubelschrei einer 16-Jährigen, die den Schrank aufmacht und ihre Lieblingshose liegt frisch gewaschen darin.

Stefan: Sind das die 95 Prozent des Teenagerlebens in eurer Familie? (alle lachen) Das verstehe ich nicht. (lacht)

Nicole: Ich bin ja bereits acht Wochen nach der Geburt unserer Tochter wieder arbeiten gegangen, da Axel noch mit 50 Prozent studierte. Das kostete mich echt Überwindung, war schwer. Heute bin ich dankbar, dass wir uns diese Herausforderung geteilt haben, diese Vielfalt heute so möglich ist. Ich wäre mit der klassischen Rolle als „nur“ Hausfrau und Mutter nicht glücklich geworden.

„Wir dürfen nicht erst an uns denken, wenn alle To-dos erledigt sind“

Wo habt ihr Dinge miteinander erkämpfen müssen? Was waren Stolperfallen?

Heiko: Familien schultern ein echtes Pensum. Als Eltern sind wir gerade in den Belastungen herausgefordert: Wo bleibt die Liebesbeziehung? Wir können uns als Team super die Bälle zuspielen, doch wo bleibt die Zeit für ein Rendezvous? Wann hatten wir als Paar unser letztes Date?

Paare kneifen den Arsch zusammen, damit alles funktioniert, doch dabei bleibt das Schöne, das Romantische, das, was einem Kraft gibt, ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, auf der Strecke. Wir dürfen nicht erst an uns denken, wenn alle To-dos erledigt sind. Dies passiert nämlich nie.

Wie bekommt ihr beide eine gesunde Balance hin?

Maja: Wir haben uns beide mit Mitte 30 und drei Kindern nochmal für ein Studium entschieden. Das war wirklich ein Rechen-Exempel. Der Mix aus Arbeiten, Studieren, Kinder und Haushalt funktionierte nur mit ganz, ganz viel Absprache. Wir haben finanziell alles zurückgeschraubt, um unseren Traum leben zu können, und wir haben einen Deal: Die Abende gehören in der Regel uns.

Heiko: Wir achten inzwischen sehr darauf, dass wir die privaten Termine, die uns guttun, nicht mehr hinten anstellen. Wir planen im Outlook-Kalender auch private Dinge. Wir müssen darauf achten, dass die Säulen unserer Beziehung stabil sind.

Brigitte: Als Team Balance zu halten, ist eine echte Herkulesaufgabe.

Nicole: Oder ein echter Drahtseilakt.

Kathrin: Die Zeit für uns als Paar kommt auch immer zu kurz. Doch wir schöpfen auch unglaubliche Kraft aus dem Zusammensein mit den Kindern. Da passiert so viel Wesentliches.

„Ohne Humor hätten wir einander erschossen“

Axel: Vor ein paar Monaten hatten wir den Eindruck: Wir sollten ein paar Kilo verlieren. Doch wie passt dies in den vollen Alltag? Wir haben uns für einen Lauf über neuen Kilometer angemeldet. Damit hatten wir ein Ziel, mussten trainieren. Das hat dann dazu geführt, dass wir zweimal die Woche auch mal nach 21 Uhr die Tür hinter uns zumachten und gemeinsam stramm spazieren gingen.

Wir sind miteinander gegangen bei Wind und Wetter. Wir hatten plötzlich 90 Minuten, in denen uns keiner reinquatschte. Mir ging es dann schon so: Hey, ich würde gerne mit dir mal was besprechen, wann gehen wir laufen? Jetzt ist leider der Lauf vorbei …

Stefan: (lacht) Ich empfehle euch als Paar einen Schrittzähler. Wir finden es auch sehr hilfreich, miteinander Erwartungen zu klären. Uns ist zum Beispiel das Thema Geld nicht so wichtig. Geld ist schön zu haben, aber hat nicht die Priorität in unserer Beziehung. Wir brauchen nicht den Urlaub auf den Malediven, sondern genießen den abendlichen Spaziergang, eine gemeinsame Tasse Kaffee.

Brigitte: Und wir teilen einen großen Humor.

Stefan: Sehr richtig! Ohne diesen hätten wir einander schon erschossen. (alle prusten vor Lachen los)

„Ich habe von meiner Frau ein Waschverbot bekommen“

Ihr habt euch scheinbar aus den Stereotypen rausgewagt. Welchen Wandel findet ihr gut? Wo denkt ihr, war es früher vielleicht angenehmer?

Brigitte: Ich finde es toll, dass Stefan einkauft. Er liebt es.

Stefan: Meine Frau verdient das Geld, ich trage es wieder fort. Das ist doch ein guter Wandel. Vor allem kommen jetzt vernünftige Sachen ins Haus. (allgemeine Heiterkeit)

Heiko: Ich habe von meiner Frau ein Waschverbot bekommen. (alle lachen) Ich glaube immer noch, dass ich sehr gut waschen kann (vehement), aber um des lieben Friedens willen bin ich hier einen Schritt zurückgetreten.

Maja: Wir streiten wirklich wenig, doch beim Thema Waschen hat es schon zweimal heftig geknallt: Wie erkläre ich meinem Mann zum wiederholten Male, dass man dunkle und helle Wäsche trennt oder dies oder jenes Kleidungsstück nicht in den Trockner stecken sollte?

Ich habe es ihm erklärt, ein Bild hingehängt … Und er macht es trotzdem. Das Thema Waschen ist eines der wenigen Reizthemen bei uns.

„In puncto Stereotypen haben wir beide eine 180-Grad-Wendung hingelegt“

Heiko: Ich gehe wie Stefan einkaufen. Ein hilfreiches Tool für uns als Paar ist Outsourcing. Allerdings hat meine Frau gesagt: Heiko, du kannst alles outsourcen, das Putzen, das Hemdenbügeln, nur nicht unsere Beziehung.

Oliver: Als ich die Aufwärmfragen „Wer macht was?“ fürs Interview las – einkaufen, waschen, kochen, Kinder für die Schule fertig machen, die defekte LED-Leuchte auswechseln… –, dachte ich mir: Was macht Kathrin eigentlich noch? (alle lachen) Steuererklärung macht Kathrin immer noch nicht.

Das Auto entkrümeln steht auch auf meiner To-do-Liste. Lohnt sich aber nicht, da es nach einer halben Stunde Autofahrt wieder aussieht wie vorher. (zustimmendes Nicken der Männer) Bügeln mache ich nicht, finde ich totale Zeitverschwendung. (Stefan klatscht Beifall)

In puncto Stereotypen haben wir beide eine 180-Grad-Wendung hingelegt. Dieser Wandel funktioniert aber nur in einer tragfähigen Beziehung, indem man Dinge gemeinsam priorisiert und die Bereitschaft mitbringt, sich anzupassen, zurückzunehmen, Solidarität zu leben.

Nach zwölf Jahren voll im Job war es für mich dran: Wenn nicht jetzt, wann dann? Der Wechsel hat für uns als Paar und die Kinder die Chance eröffnet, die Rollen von Mann und Frau nochmal ganz anders und neu wahrzunehmen.

„Wer ist der fremde Mann im Wohnzimmer?“

Jetzt musst du aber ohne die Anerkennung der Kollegen und Kolleginnen auskommen …

Oliver: Mein Höhepunkt der letzten Woche war ein Besuch mit allen vier Kindern beim Ohrenarzt. Als die Ärztin mich sah und sagte: „Respekt, ich habe zwei Kinder, sie kümmern sich um vier!“ – Das hat mir dann doch etwas gegeben!

Stefan: Ich koche immer bei der Aussage: Mein Mann ist IT-ler, ich bin nur Hausfrau. Ich habe das nie gesagt. Ich habe mich immer so vorgestellt: Ich leite ein mittelständisches Familienunternehmen.

Die Frage, die wir uns als Paar, als Gesellschaft stellen müssen, ist doch die: Welchen Wert messen wir den Kindern, den Aufgaben zu Hause bei? Zudem müssen wir uns fragen: Bin ich glücklich? Habe ich eine erfüllende Beziehung? Kennen meine Kinder mich noch aus dem Alltag oder fragen sie: Wer ist der fremde Mann im Wohnzimmer?

„Männer und Frauen, die sich selbst um die Kinder kümmern, werden stigmatisiert“

Heiko: Und wir brauchen als Gesellschaft ein neues Modell. Wie wäre es, wenn die Person, die zu Hause bleibt, auch ein adäquates Gehalt bezieht für die Leistung, die sie für die Gesellschaft erbringt? (Applaus aus vier Städten) Hier läuft meiner Überzeugung nach manches falsch. Da liegt der Hase doch im Pfeffer.

Männer und Frauen, die sich selbst um die Kinder kümmern, werden stigmatisiert nach dem Motto: Die arbeiten nicht bzw. wir müssen als Wirtschaft und Politik dafür sorgen, dass endlich beide Elternteile in Arbeit kommen.

Brigitte: Gerade Männern, die sich noch stark über Arbeit definieren, signalisiert man damit: Haushalt und Kinder sind keine Arbeit.

Stefan: Bin ich nicht! (allgemeine Heiterkeit) Ganz im Ernst. Ich führe Trauergespräche vor Beerdigungen. Da ziehen Leute Bilanz. Wenn mir eine Frau über ihren verstorbenen Mann sagt, er aß gerne Süßigkeiten, dann ist das doch eine dürftige Bilanz eines Männerlebens. Als Männer und Frauen sollten wir uns fragen: Was ist wertvoll? Und dann von dieser Maxime aus unser Leben gestalten.

„In einem Arbeitszeugnis würde man schreiben: Hat sich stets bemüht!“

Die Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm provozierte kürzlich im SPIEGEL mit dieser Aussage: Etwa jede dritte Mutter wehrt sich gegen zu viel männliches Engagement. Sie nörgelt, wie er sich mit dem Kind beschäftigt, oder gibt ihm vor, was er im Haushalt wie zu erledigen hat. Steckt in dieser Aussage ein Körnchen Wahrheit?

Heiko: Ich habe damit kein Problem, nur meine Frau. (alle lachen)

Nicole: Wenn ich von der Schicht komme, hilft es mir, erst mal tief durchzuatmen. (Axel schlägt die Hände vors Gesicht – allgemeine Heiterkeit)

Axel: In einem Arbeitszeugnis würde man schreiben: Hat sich stets bemüht! (alle lachen)

Kathrin: Bevor ich aus der Familienarbeit „ausgestiegen“ bin, habe ich mir dazu erstaunlich viele Gedanken gemacht. Doch dann konnte ich sehr schnell loslassen. Oliver macht das auch gut!

„Verantwortung abzugeben, ist abgegebene Verantwortung“

Oliver: Nur beim Thema Schule mischt sie sich als Lehrerin doch immer wieder ein. (allgemeine Heiterkeit) Jeder hat seine Art, die Dinge zu tun. Wir müssen uns davon lösen, den anderen zu erziehen, wie wir ihn gerne hätten. Es geht in die Hose, wenn ich dem anderen meinen Stil überstülpe. Verantwortung abzugeben, ist abgegebene Verantwortung.

Stefan: Brigitte legt Wert auf Ordnung in der Küche. Das ist mir schon auch wichtig. (alle lachen) (gespielt energisch:) Ja, vielleicht nicht ganz so ausgeprägt. Ein paar Mal hat sie dann schon zum Lappen gegriffen, bevor sie ihre Jacke überhaupt aus hatte. Ich hatte einen dicken Hals. Ich habe dann meine Verletzung zur Sprache gebracht, dass wenigstens meine Bemühungen gesehen werden. (Kathrin lacht)

„Kommunikation ist der Schlüssel“

Euer Kompromiss sieht jetzt wie folgt aus?

Stefan: Sie nimmt nicht den Lappen, wenn sie zur Tür reinkommt, sondern wischt, wenn überhaupt nötig, nach, wenn ich draußen bin. (alle lachen) Zudem schreibt sie mir jetzt, wann sie da ist. Dann ist der Espresso fertig und die Küche tipptopp.

Maja: Ich würde das gerne unterstreichen. Kommunikation ist der Schlüssel, um die Andersartigkeit des anderen lieben zu lernen. Eine nörgelnde Frau, ein nörgelnder Mann bringt keine Veränderung hervor.

„Ohne meine Frau wäre unsere Ehe unerträglich“

Was beglückt euch im Miteinander?

Heiko: Unsere Liebessprache ist es, Zeit miteinander zu haben, zusammen zu lachen, eine gute Flasche Wein, Zeit im Schlafzimmer.

Stefan: Meine Lieblingspostkarte trägt die Aufschrift: „Ohne meine Frau wäre unsere Ehe unerträglich.“ (allgemeine Heiterkeit) Humor gehört unbedingt dazu!

Nicole: Kleine glückliche Momente im Alltag und dass wir die Chance haben, aus der Vergebung heraus immer wieder neu miteinander anfangen zu dürfen.

Kathrin: Gespräch, Gespräch und nochmals Gespräch, und dass wir uns zu 100 Prozent aufeinander verlassen können.

Herzlichen Dank für eure Offenheit und die humorvollen 1 ½ Stunden!

Rüdiger Jope ist Chef-Redakteur des Männermagazins MOVO.

Liebe gibt es nicht umsonst

Partnerschaft ist schwierig und manchmal eine Zumutung. Holger Kuntze weiß, wie Beziehung trotzdem gelingen kann.

Gibt es den perfekten Partner?
Natürlich. (lacht) Es gibt Paare, die zueinander finden und über Jahrzehnte im besten Einvernehmen glücklich und zufrieden sind. Doch die Wahrscheinlichkeit, den perfekten Partner zu finden, ist sehr gering. Warum sollten Sie oder ich gerade den Einen unter 8 Milliarden Menschen finden, der perfekt zu uns passt? Die Realität ist die, dass wir uns in einen Menschen verlieben, der sich dann auf dem Weg zur Liebe und zur langjährigen Beziehung in einer Form zeigt, die uns in unserem Ich-Sein herausfordert. Partnerschaft ist eine Wachstumschance. Paare müssen sich genau dieser Herausforderung stellen.

Der Titel Ihres Buches lautet: „Lieben heißt wollen.“ Welche Intention verbirgt sich dahinter?
Die Vorstellung dessen, was eine Partnerschaft ist, wird heute extrem von Hollywood-Bildern und Werbekitsch geprägt. Wenn wir heute in den Fünfzigerjahren leben würden, wo viele aus Duldsamkeit und Angst in einer Partnerschaft blieben, hätte ich vermutlich ein Buch mit dem Titel „Liebe heißt frei sein“ geschrieben. Ich will mit „Lieben heißt wollen“ darauf hinweisen, dass wir Verliebtheit mit Liebe verwechseln. Das Dilemma unserer Zeit ist: Wir haben keine Idee mehr davon, was Liebe wirklich ist.

Ziemlich ungeschminkt schreiben Sie: „Beziehung ist anstrengend. Beziehung ist eine Zumutung.“ Geht es nicht auch etwas netter?
(lacht) Ich habe aber auch geschrieben, dass diese Zumutung fantastisch ist! Ich will mit dem Stachel locken. Ich will die Lüge entzaubern: „Beziehung gelingt immer und ist immer schön.“

Wovon hängt Ihrer Überzeugung nach die Qualität einer Beziehung ab?
Meine Beobachtung ist: Auch hier setzen wir aufs falsche Pferd. Menschen wünschen sich Leidenschaft wie im Film: Wir sind unterwegs mit dem Cabrio, trinken Champagner und haben Sex miteinander. Nach einer gewissen Zeit wird dieser Verliebtheitszustand in eine stetige Beziehung geführt. Dann bezieht man eine Wohnung, eröffnet ein gemeinsames Konto, macht sich Gedanken über die Familienplanung. Das Spiel „gelingende Partnerschaft“ gewinnt man aber nicht mit dieser blinden Zweidimensionalität von Spaß und Regeln. Gelingende Beziehung braucht eine dritte Dimension.

Die da wäre?
Empathische, loyale Freundschaft. Diese Freundschaft besteht darin, dass ich den anderen dabei unterstütze, dass er der sein kann, der er sein möchte. Es geht darum, dass ich ihm Aufmerksamkeit und Zeit schenke und sie nicht verrechne. Die Beziehungsdimension haben Paare leider oft nicht auf dem Radar. Die Beziehungsqualität von Paaren hängt wesentlich davon ab, dass Männer und Frauen nicht sich selbst als die Nächsten betrachten, sondern ihr Gegenüber. Dort, wo der andere schaut, was dem Gegenüber dient, geschehen in Beziehungen Wunder.

Sie unterscheiden zwischen Verliebtheit und Liebe …
Verliebtheit geht einher mit dem lauten Botenstoff Adrenalin. Dieses Hormon haut richtig rein. Liebe hingegen basiert auf den leisen Botenstoffen Serotonin und Oxytocin. Verliebtheit und Liebe sind physiologisch völlig unterschiedliche Zustände. Körperlich kann Verliebtheit kein Dauerzustand sein. Der Körper regelt diesen Ausnahmezustand nach unten. Wenn Sie drei Jahre am Stück verliebt wären, würden Sie an Stresssymptomen erkranken.

Was ist dann für Sie Liebe und was nicht?
Verliebtheit ist eine WhatsApp-Nachricht. Liebe ist ein Roman. Verliebtheit ist die Illusion, den perfekten Partner gefunden zu haben. Liebe hingegen weiß, dass es auch mal schwieriger miteinander werden kann. Verliebtsein ist die Blindheit vor den Unterschieden. Liebe ist der Blick auf die Unterschiede und die Anerkennung der Differenzen. Liebe ist eine Entscheidung, die der Verliebtheit folgt. Liebe ist Verzicht, um etwas Größeres zu gewinnen, etwas, was ich nur durch die Liebe und den Verzicht erreichen kann. Liebe ist kein Investment, sondern ein Geben und Schenken, ohne etwas zu erwarten, ohne das Versprechen einer Rückzahlung. Liebe ist Dauer, und Dauer ist eine Qualität.

Ein Leser schrieb uns: „Das Kribbeln ist seit Jahren weg. Ich frage mich jetzt, ob ich noch die richtige Partnerin habe.“ Was würden Sie ihm antworten?
Ich würde ihm sagen: Das Kribbeln beantwortet nicht Ihre Frage! Das Abhandensein des Kribbelns ist normal und richtig. Schauen Sie dagegen darauf, was Sie mit Ihrer Partnerin haben, und machen Sie sich die Unterschiede von Verliebtheit und Liebe klar. Wenn Sie permanent Bacardi-Werbung im Kopf haben, wo es ums Kribbeln geht, glauben Sie der falschen Erzählung. Doch die Frage ist falsch. Klar ist: Ich will keine fehlerhaften und zerstörerischen Beziehungen aufrechterhalten. Wir müssen über das Miteinander ins Gespräch kommen, aber: Das Kribbeln kann nicht der Maßstab sein.

Unser Verstand denkt: „Solange ich keine Zuneigung und Liebe fühle, kann ich nicht zugeneigt und liebevoll handeln.“ Denkt er richtig?
Der Verstand denkt immer richtig, es ist nur falsch. (lachen) Eine Daumenregel, mit der ich arbeite, lautet: Sie müssen nicht alles glauben, was Sie denken! Es geht nicht darum, wie ich denke und fühle, sondern darum, wie ich handle. Wenn Sie sich der Verstandesbotschaft anschließen, passiert keine Veränderung. Veränderung geschieht nur durch Handeln. Überspringen Sie daher Ihre Gedanken und Gefühle und gehen Sie in die Handlung. Wenn es Ihnen keinen Spaß macht, machen Sie es mal ohne Spaß.

Welche falsche Dynamik im Blick auf die Veränderung des Partners gilt es zu durchbrechen?
Die wesentliche Veränderung beginnt bei mir selbst. Sehe ich den Partner nur in seiner Fehlerhaftigkeit, die mir vielleicht nicht passt? Kommen Sie raus aus der Schmollecke: „Wenn nur mein Partner anders wäre, wäre alles gut.“

Im Laufe der Jahre entdecken Mann und Frau Differenzen in ihrer Beziehung …
Und das ist sehr gut so. Differenz ist die Realität aller Beziehungen. Darin verbergen sich viele Chancen, um die Beziehung zu vertiefen und zu erweitern.

Wie könnte ein erster Schritt hin zu einer verbindenden, tiefen Liebe aussehen?
Sich dieser Dimension von loyaler, empathischer Freundschaft zu öffnen.

Letztes Jahr titelte DIE ZEIT: Lasst euch nicht gleich scheiden! Andrea Hanna Hünniger stellte in dem Beitrag die These auf: Die Ehe lebt vom Aushalten. Würden Sie sich der Aussage anschließen?
„Aushalten“ ist ein schlechtes Wort. Mein Ansatz ist: Finden Sie als Paar einen realistischen Blick dafür, was sie miteinander haben. Sehen und wertschätzen Sie Ihre Qualitäten, und finden Sie zu Lösungen für die Dinge, die nicht gut sind.

Es gibt scheinbar nicht den perfekten Partner. Warum plädieren Sie daher nicht fürs Trennen, sondern brechen mit Ihrem Buch eine Lanze für Partnerschaft?
Partnerschaft ist immer herausfordernd, belastend und nervig. Aber: Partnerschaft ist das schönste und tollste System eines Miteinanders von Menschen! Sie versetzt uns in Möglichkeiten von Verwirklichungen, die fantastisch sind!

Herzlichen Dank für das ermutigende Gespräch!

Rüdiger Jope ist Chefredakteur des Männermagazins MOVO.

Holger Kuntze (51) arbeitet als Paartherapeut und Paarberater. Er lebt in München und Berlin. Er ist Autor des Buches „Lieben heißt wollen“ (Kösel). www.holgerkuntze.de

Sexverbesserer

Männer sehnen sich nach beglückendem Sex. Der fällt allerdings nicht vom Himmel.

Dieses Jahr feiern wir unseren 13. Hochzeitstag, dazu den neunten, siebten, fünften und zweiten Geburtstag unserer Söhne. Ja, wir haben immer noch Sex! Mal mehr, mal weniger, mal besseren, mal schlechteren. Im Schnitt sicher einmal pro Woche. Ich habe mich dafür entschieden, offen zu sein. Es ist wichtig, dass wir über Sex reden. Denn genau da beginnen die Probleme. Bei der fehlenden oder falschen Kommunikation. Nein, ich denke nicht an die Gespräche mit den Kumpels in der Kneipe beim Bier. Was ich meine: Kannst du mit deiner Frau über euren Sex reden? Hast du ihr gesagt, was dich antörnt? Wie oft du mit ihr schlafen willst, und welche sexuellen Dinge du mit ihr erleben möchtest? Und umgekehrt: Kennst du ihre Vorlieben und No-Gos?

Wenn es darum geht, meiner Frau zu sagen, was ich mir wünsche, spüre ich oft eine Hemmschwelle. Warum ist das so? Weil ich dann das Risiko eingehe, abgelehnt zu werden. Kein Mann wird gerne abgelehnt. Allerdings: Wer Sex als Tabuthema behandelt,bespricht einen entscheidenden Teil der Ehe nicht. Andere Dinge, wie das Familienbudget oder die Ferienplanung, diskutieren wir – dann sollten wir auch den Sex nicht dem Zufall überlassen. Das Resultat der Haltung „über Sex spricht man nicht“ ist meistens Entfremdung, schlechter Sex und Unzufriedenheit gespickt mit Vorwürfen. Wer bei gegenseitiger Schuldzuweisung angelangt ist, hat den Teamgeist begraben. Game over. Wer guten Sex will, muss also eine Sex-Kultur entwickeln. Aber wie?

Lust ist gottgegeben

Sex ist wichtig für eine glückliche Ehe. Viele ziehen diese wunderbare Erfindung Gottes in den Schmutz. Aber das macht Sex noch lange nicht zu etwas Dreckigem. Wenn ein Mann seine Lust auf Sex als etwas Negatives sieht, lacht sich der Teufel ins Fäustchen. Denn Gott hat unsere Sexualität als etwas Reines, sogar als etwas Heiliges geschaffen. Der Dreck kommt nicht mit der Lust, sondern mit dem falschen Umgang damit. Gott ist für Sex! Hätte Gott etwas gegen Sex, hätte er uns als geschlechtslose Teletubbies erschaffen. Sexuelle Lust ist gottgegeben. Lebe sie mit deiner Frau aus!

Sex braucht Lockerheit

Druck erzeugt Gegendruck und ist oft ein Zeichen von Hilflosigkeit. Wer nicht weiß, wie er seine Frau gewinnen kann, wird auf zweifelhafte Methoden zurückgreifen und seine Frau dabei verlieren. Mein Ziel ist, meiner Frau meine Wünsche offen kommunizieren zu können. Ohne ihr dabei das Gefühl zu geben, dass sie mir das alles gleich heute geben muss. Ich sehe die Ehe als ein Abenteuer: Wir haben Jahre Zeit, uns zu verbessern und Dinge auszuprobieren. Nimm es locker, wenn’s im Bett mal nicht so „flutscht“, denn du bist noch eine Weile verheiratet!

In die eigene Wiese investieren

Da schießt einem dieser Gedanke durch den Kopf: „Mit einer anderen Frau hätte ich mehr und besseren Sex.“ Wer diese teuflische Hintertür öffnet, stiehlt sich aus der Verantwortung. Er reduziert die gemeinsame Sexualität auf das Verhalten einer Person („Sie ist schuld!“). Dieser Mann ist zu faul, sich selbst zu hinterfragen und etwas zu ändern. Die Wiese auf der anderen Seite des Zauns ist nicht grüner! Meine Wiese hat so viel Qualität, wie ich Zeit und Energie in sie investiere. Je mehr ich mich auf meine Frau fokussiere, desto weniger reizen mich andere Frauen. Ich kriege den Fokus auf meine Frau nur scharf, wenn ich aufhöre fremdzugehen! Keine weiteren „mit der wär’s perfekt“-Gedanken. Keine weitere Lustbefriedigung durch andere Frauen (z.B. Porno oder Fremd-schauen). Und keine Gefühle für andere Frauen pflegen – egal, wie viel Bewunderung sie schenkt!

Team im Alltag, Team im Bett

Ich erwische mich ab und zu dabei, wie ich mir Sex verdienen möchte. Und dann bin ich enttäuscht, wenn’s nicht funktioniert. Sex taugt nur selten als Belohnungs-System. Vielmehr ist Sex eine logische Konsequenz einer funktionierenden Teamarbeit. Die Herausforderung ist, dass wir Männer nicht den ganzen Tag anwesend sind. Aber wir können trotzdem da sein. Ich kann meiner Frau tagsüber eine SMS schreiben, kurz anrufen, nachfragen. Zeigen, dass ich an sie denke und mich für sie interessiere. Sie wird merken, dass sie mehr als ein Körper ist, der am Feierabend die Lust des Ehemannes befriedigen muss. Ich bin überzeugt: Wer tagsüber mit seiner Frau kommuniziert, wird eher eine Verbindung mit ihr haben und muss diese nicht mühsam nach dem Arbeitstag herstellen. Team im Alltag, Team im Bett.

Den Motor am Laufen halten

Frustriert bemerkt sie: „Du berührst mich nur, wenn du mit mir ins Bett willst!“ Das blöde an dieser Aussage ist, dass sie oft wahr ist. Ein Freund erklärte mir, dass sich tägliches Küssen (mindestens sechs Sekunden am Stück), positiv auf die Beziehung auswirkt. Die körperliche Verbindung muss aufrechterhalten bleiben. Es muss nicht immer eine lange Rücken- oder Fuß-Massage sein: Zärtliche Berührungen zwischendurch halten den Motor am Laufen.

Sex planen und entwickeln

Damit unsere Beziehung sich gesund entwickelt, brauchen wir ein Ziel. Wohin wollen wir uns entwickeln? Wie soll unser Sex in zehn Jahren sein? Und welche Schritte müssen wir dafür gehen? Sex ist ein Lebens-Projekt, das man aktiv gestalten muss! Denn die Sexualität entwickelt sich immer in die eine oder andere Richtung: Wer investiert, wird profitieren. Wer es dem Zufall überlässt, wird unter Umständen in einem fremden Bett zu sich kommen. Setze dich mit deiner Frau zusammen. Plant zusammen Auszeiten, kinderfreie Stunden und schafft Raum, damit sich eure Sexualität entwickeln kann.

Reto Kaltbrunner ist Pastor des ICF St. Gallen und Gründer des ICF Mens World. Sein Herz schlägt höher, wenn Menschen eine Begegnung mit Gott haben und Männer in ihre göttliche Identität hineinfinden.