Auf der Arbeit ging nichts mehr. Er beschloss, früher Feierabend zu machen und seine Familie einmal zu überraschen. Er freute sich auf eine gemütliche Tasse Kaffee mit seiner Frau. Doch dieses Mal stürmte ihm keine jubelnden Kinder entgegen. Er erntete irritierte Blicke. Die Tochter schob ein übergroßes Cello im Flur an ihm vorbei. Der Junge sprang im Fußballtrikot hinter ihr her und seine Frau hauchte ihm – den Autoschlüssel in der Hand – einen Kuss auf die Wange: „Ach, hallo, was machst du denn schon hier?“, und dann war alles ruhig. Er stand allein im Flur – „Was mache ich nur hier?“
Fremd im eigenen Heim
Als Mann fühlt man sich da manchmal wie ein Fremder. Ich habe erlebt, dass es öfter die Frauen sind, die den Familienalltag organisieren und dafür Sorge tragen, dass alles läuft. Die für uns die sozialen Kontakte pflegen, uns an Geburtstage erinnern, die Freunde am Wochenende zum Grillen einladen. Wir gehen morgens aus dem Haus, kommen abends spät nach Hause und erleben unsere Kinder oft nur noch kurz vor dem Schlafengehen. So ist es kein Wunder, dass den Frauen immer noch mehr Erziehungskompetenz zugesprochen wird als uns Vätern – und hier ist wirklich gemeint: den Frauen generell und den Vätern noch nicht einmal. Zugegeben, es ist oftmals auch schön, den Rücken freigehalten zu bekommen, denn auch das kennt jeder von uns: Du kommst von der Arbeit; die Probleme, Anstrengungen des Tages sind nicht spurlos an dir vorübergegangen. Erledigt bist du in den eigenen vier Wänden und schaffst es nicht rechtzeitig, umzuswitchen und das „Programm Familie“ abzuspulen. Sobald du die Tür öffnest, stürzen die Kinder voll Freude in deine Arme. Sie wollen von ihrem Tag erzählen. Deine Frau möchte mit ihren Fragen nach deiner Arbeit teil an dir haben und von sich erzählen. Aber dir passt das manchmal gar nicht, du fühlst dich dann überfordert und wünschst dir einen kleinen Augenblick der Ruhe.
Den Heimkommwahnsinn benennen
Wir Männer erleben hier einen großen Zwiespalt: Einerseits sind wir immer noch die Hauptverdiener und beruflich stark eingebunden, andererseits möchten wir auch gerne intensive Beziehungen zu unserer Partnerin und unseren Kindern haben. Ich denke, wir wissen schon, dass eine Zweiteilung in Woche (Arbeit) und Wochenende (Familie) eine Teilung ist und keine Lösung. Die Patentlösung wartet noch auf die Entdeckung. Was mir hilft, ist, diesen Wahnsinn des Heimkommmens erst einmal als solchen wahrzunehmen und mit der Familie zu besprechen. Ich mache mir erst einmal in Ruhe etwas zu essen, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. Ich nehme mir die Zeit anzukommen, dann erst bin ich mit ganzem Herzen für meine Familie da. Das Spannungsfeld, in dem wir Männer stehen, lässt sich sicherlich nicht per Knopfdruck auflösen. Es gibt nicht „die Lösung von der Stange“. Aber vielleicht lassen wir uns vom Prediger Salomo erinnern, dass es für alles eine Zeit gibt. Es gibt eine Zeit für dich und deine Frau, eine Zeit, die du mal mit deinen Kindern (alleine) verbringst und eine Zeit für dich, egal, ob du sie für deine Hobbys oder deine Freunde nutzt, oder ob du sie dir nimmst, um deine Spiritualität und deinen Glauben zu leben.
Jörg Wetjen (47) ist verheiratet und Vater einer Tochter. Er hat als Theologe diplomiert zum Thema »Männerrollen in den Erzelternerzählungen«. Er ist in Dortmund selbständiger Bildungsanbieter. In seiner Freizeit engagiert er sich für die Männerarbeit im Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen.