SERIE: POLITIKBETRIEB VON INNEN
»Die da oben sahnen die fetten Diäten ab. Dem kleinen Mann auf der Straße bleibt nichts im Geldbeutel«, sagt der Volksmund. Uwe Heimowski wagt den Faktencheck.
Die denken doch, das ist ein Selbstbedienungsladen – erhöhen sich ihre Diäten, wie sie wollen!“, schimpfte da neulich einer. Der Mann war in Fahrt gekommen. Nach den Politikern nahm er sich die Beamten vor, die Banker, die Ausbeuter im Allgemeinen und seinen Chef im Besonderen. Diese Typen bekämen allesamt sowieso schon viel zu viel und nähmen sich immer mehr, er selber hingegen verdiene schon immer viel zu wenig und niemand störe sich daran. Saftladen!
Keine Frage: Es gibt sie, die gravierenden Ungerechtigkeiten. Wenn ein Mensch trotz 40-Stunden-Woche auf Unterstützung angewiesen ist – das ist schlicht und ergreifend entwürdigend. Oder sehen wir uns den globalen Zusammenhang an: Wenn wir, die Menschen auf der nördlichen Hälfte des Erdballs, einfach mal qua Geburt mit Nahrung, Wohnung und Sozialleistungen versorgt sind, während im Süden für viele mit dem ersten Atemzug der tägliche Überlebenskampf beginnt. Soll das gerecht sein?
AUGEN AUF FÜR DIE UNGERECHTIGKEITEN
Wir dürfen die Augen vor diesen Ungerechtigkeiten nicht verschließen. Gerade Christen sind aufgefordert, für Recht und Gerechtigkeit einzustehen: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“ (Amos 5,24). Und doch möchte ich mal die Frage stellen: Regen wir uns vielleicht vor allem dann auf, wenn wir selber nicht auf der Sonnenseite stehen? Sehen wir Ungerechtigkeiten auch bei den anderen? Oder nur den eigenen (vermeintlichen) Nachteil?
Nun zum „Selbstbedienungsladen“ der Politiker. Das Einkommen von Bundestagsabgeordneten ist öffentlich und wird auf www.bundestag.de sehr transparent erklärt: „Das meist als Hauptberuf wahrgenommene Amt des Parlamentariers muss finanziell so ausgestattet sein, dass es für alle offen steht: sowohl für bisher abhängig Beschäftigte als auch für Selbstständige oder Freiberufler. Die Entschädigung muss für alle Abgeordneten gleich sein, ihre Unabhängigkeit sichern und eine Lebensführung gestatten, ‚die der Bedeutung des Amtes angemessen ist‘. Das hat das Bundesverfassungsgericht 1975 verbindlich festgelegt. Grundsätzlich gilt, dass alle gewählten Abgeordneten in der Lage sein sollen, effektiv ihre vielseitigen Aufgaben zu erfüllen. Zum 1. Juli 2016 ist die Entschädigung auf Grundlage der Entwicklung des Nominallohnindexes auf monatlich 9.327,21 Euro angepasst worden. Zur Entschädigung kommt eine steuerfreie Aufwandspauschale für die sogenannte Amtsausstattung hinzu. Diese Pauschale wird jährlich zum 1. Januar an die Lebenshaltungskosten angepasst und liegt derzeit bei 4.305,46 Euro monatlich. Davon müssen alle Ausgaben bestritten werden, die zur Ausübung des Mandates anfallen: vom Wahlkreisbüro über den zweiten Wohnsitz in Berlin bis hin zum Büromaterial.“
ZU VIEL IST RELATIV
Ist das zu viel? Es ist deutlich mehr als das Durchschnittseinkommen. Allerdings tragen die 630 Abgeordneten auch eine ganz andere Verantwortung. Sie repräsentieren mehr als 200.000 Menschen in ihrem Wahlkreis. Sie arbeiten 60 Stunden pro Woche und mehr. Sie verdienen weniger als ein Bundesrichter, und deutlich weniger als ein Manager oder ein Profifußballer. Wenn ich das vergleiche, muss ich sagen: Für meine Begriffe bekommen Bundestagsabgeordnete eine angemessene Entschädigung. Was ich allerdings kritisch sehe, sind hohe Nebeneinkünfte. Und noch eine Frage kommt mir in diesem Zusammenhang: Wer verdient eigentlich, was er verdient?
Jesus Christus hat dazu ein Gleichnis erzählt: Ein Mann geht auf Reisen. Für die Zeit der Abwesenheit vertraut er seine Talente, die Währungseinheit jener Zeit, seinen Dienern an. Einer erhält fünf Talente, ein anderer zwei, der letzte eines. Nach seiner Rückkehr erfährt der Mann von den ersten beiden Dienern, dass sie das Talent eingesetzt, damit gewirtschaftet und einen Gewinn erzielt haben. Beide werden gelobt und nun über größere Aufgaben gesetzt. Der Mann mit dem einzigen Talent hingegen hat es vergraben, weil er Angst hatte, etwas Falsches zu tun. Er wird getadelt, sein einziges Talent wird ihm wieder abgenommen. Die Botschaft ist eindeutig: Nicht wie viel jemand verdient, ist die eigentliche Frage – denn die Unterschiede in seinem Gleichnis sind ja gravierend – sondern was jemand aus seinen Talenten macht.
AN DIE EIGENE NASE PACKEN
Der häufigste Grund, dass wir unsere Talente vergraben, ist dieser: Wir schielen auf die anderen. Weil die mehr haben, sind wir unzufrieden. Doch wem hilft das? Lasst uns mal schön unsere eigene Verantwortung wahrnehmen.
Mir fällt Marc ein. Ein junger Autist aus meiner Gemeinde. Vor einigen Jahren ging auf unserem Gemeindekonto ein Dauerauftrag von 5,61 Euro ein. Marc hatte ihn – mit Zustimmung seiner Eltern – eingerichtet. Als ich ihn darauf ansprach, erklärte er mir, dass das zehn Prozent von seinem Taschengeld sind. Marc war Christ geworden und fand es wichtig, den Zehnten zu geben. Wenn sich dieser junge Mann als reich genug wahrnehmen konnte, um etwas weiterzugeben, um wie viel kann ich das dann? Und du. Und die Politiker, die Banker, die Chefs sollten es ebenfalls tun. Gerechtigkeit bedeutet nicht Gleichheit. Gerechtigkeit bedeutet, meine Gaben, meine Zeit und das Geld, das ich verdiene, verantwortlich einzusetzen.
Uwe Heimowski (52) ist ehrenamtlicher Stadtrat in Gera. Er ist verheiratet mit Christine und Vater von fünf Kindern. Seit dem 1. Oktober 2016 arbeitet er als Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz beim Deutschen Bundestag in Berlin.
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