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Erik Händeler

Wirtschaftsforscher fragt: Rettet uns die KI aus der Wirtschaftskrise?

Die deutsche Wirtschaft ist in den letzten beiden Jahren geschrumpft. Wirtschaftsforscher Erik Händeler spricht im Interview über die Gründe und zeigt einen Weg aus der Krise. Künstliche Intelligenz sieht er dabei nicht als Heilsbringer.

Herr Händeler, was ist der Grund für die Wirtschaftskrise?

Es scheint dafür viele Gründe zu geben, doch ich sehe eine Kernursache: Die Zeit ist vorbei, in der uns Computer in einem so großen Stil Kosten senkten und insgesamt produktiver machten wie zwischen den 90er- und den 2010er-Jahren. Das ist kein deutsches Problem – alle Volkswirtschaften geraten unter Druck und wachsen nicht mehr so stark wie früher, siehe China. Historisch ist das ganz normal. Es gibt einfach Zeiten, in denen eine Wirtschaft sehr stark wächst, weil eine grundlegende Erfindung wie die Dampfmaschine, Eisenbahn oder zuletzt eben der Computer uns produktiver macht. Wenn die sich weitgehend ausgebreitet haben, dann schmilzt die Gewinnmarge gegen null, Mitarbeiter und Zulieferer werden ausgequetscht. Es gibt Verteilungskämpfe und der Außenhandel wird erschwert. Solche 40 bis 60 Jahre langen Strukturzyklen sind nach dem russischen Ökonomen Nikolai Kondratieff benannt. In den langen Aufschwüngen wird alles liberaler, man kann es sich leisten, Neues auszuprobieren, die Handelsgrenzen werden geöffnet. Wenn die Produktivität aber stagniert, dann geht das alles rückwärts.

Aber stehen wir nicht vor einem großen Aufschwung durch Künstliche Intelligenz?

Wo KI selbstfahrende Logistikroboter in der Produktion unterstützt, wo sie Kundenverhalten analysiert und die Bestellung vorbereitet, wo sie schneller Daten analysiert – überall da steigert sie die Produktivität. Aber wer stellt der KI die Fragen? Wer füttert sie mit welchen Daten? Wer bestimmt, welchen Output wir davon verwerten? Die wichtigste Folge der KI ist doch eine andere als bisher: Die Maschinen übernehmen den Großteil der materiellen Produktion und KI verrichtet die Arbeit mit strukturiertem Wissen – was bleibt für uns an Arbeit übrig? Dass wir uns streiten: über die Ziele, über die Verwendung der Ressourcen, über die Wege zu Lösungen. Neulich meinte ein KI-Redner, seine Kinder müssten doch in der Schule kein Fachwissen mehr lernen, weil die KI in Zukunft alles wisse. Der soll mal einen Wissenschafts-Kongress besuchen: Fachleute streiten über Theorien und die Interpretation von Wirklichkeit. Das kann uns keine KI abnehmen.

Wie kommen wir aus der Krise heraus?

Bisher haben wir mit technischen Innovationen die materiellen und energetischen Arbeitsprozesse produktiver gemacht. Doch was jetzt an Arbeit wächst, ist Arbeit am Menschen und das Anwenden von Wissen: beraten, Probleme lösen, unterschiedliche Interessen und Kompetenzen zusammenbringen. Was uns Technik noch an Fortschritt bringt, wird im Arbeitsalltag längst aufgefressen von schlechter Kommunikation, egoistischem Verhalten und einer unproduktiven Art zu streiten. Der entscheidende Unterschied wird die Fähigkeit der Menschen vor Ort sein, mit Wissen umzugehen. Und das meint den Umgang mit anderen Menschen, die ich unterschiedlich gerne mag und kenne, und mit denen ich berechtigte Interessenskonflikte habe. Wer das am produktivsten hinbekommt, der überlebt am Markt und schafft mit der wirtschaftlichen auch eine neue politische Stabilität.

Was bedeutet die Krise für den Wohlstand in Deutschland?

Dass die Amerikaner uns mit ihrem teuren Militärapparat absichern, die Russen billige Energie liefern und die Chinesen unsere Autos in Masse abkaufen – das ist vorbei. Weil unsere Vorteile wegfallen, trifft uns die Krise zunächst stärker. Auf der anderen Seite sind wir nicht so gruppenethisch wie die meisten anderen Regionen dieser Welt, und nicht so individualistisch wie die Amerikaner. Die Balance zu finden zwischen Individualismus und Gemeinwohl: Das könnten wir von unserer Geistesgeschichte her mit am besten hinbekommen.

Wie würden Sie Wohlstand definieren?

Da gibt es aufeinander aufbauende Schichten. Zuerst die Grundbedürfnisse, wie Nahrung und Unterkunft. Dann Mobilität: Ein Land ist nicht dann reich, wenn auch die Unterschicht sich noch einen Gebrauchtwagen leisten kann, sondern dann, wenn auch die Reichen Bus und Bahn fahren, weil das Netz so gut ausgebaut ist. Danach kommt Bildung, und die bringt irgendwann auch individuelle Freiheit. Man braucht sich nicht mehr seiner Dorfgemeinschaft, seiner Religion oder Großfamilie zu fügen, sondern man trifft Leute, die dieselben Interessen und Ideen haben. Wir hatten die vergangenen 50 Jahre auch deswegen so ein starkes Wohlstandswachstum, weil wir mehr individuelle Freiheit hatten. Doch jetzt kommen wir in eine Zeit, in der noch mehr Individualismus nicht noch mehr Wohlstand bringt. Zwar brauchen wir den Menschen, der seine Gaben frei entfalten kann. Aber eben nicht mehr für seine Kostenstelle und seine Karriere, sondern für das Gelingen des Gesamtprojektes. Statt ein dickes Auto und eine Villa mit Pool ist Wohlstand jetzt: Gesundheit, Kontakte und Beziehungen, eine intensiv erlebte, erfüllte Zeit, Zeit für Reflexion. Wir haben es zunehmend mit immateriellen Gütern zu tun.

Welche Verbindung gibt es zwischen Wirtschaft und Religion?

Was wir in unseren Köpfen an Vorstellungen haben, was in unserem Leben wichtig und wünschenswert ist, das hängt von den vorherrschenden Religionen, säkular von den Weltanschauungen ab. Nur eine Haltung, die anderen Menschen dieselbe Würde zumisst, führt zu einem Verhalten, in dem ich Informationen ehrlich und transparent weitergebe, das Gesamtprojekt und nicht meine Eigennutzen verfolge, fair um bessere Lösungen ringe. Das Christentum ist der realen Welt zugewandt, deswegen hat sie die Krankenpflege gebracht, das Mitleiden mit anderen, die Suche nach den Gesetzen Gottes in der Schöpfung, Bildung. Das Himmelreich kann sich zwar keiner verdienen, aber es ist wichtig, wie man in diesen vielschichtigen Beziehungen lebt, wie fair man streitet, wie sehr man egoistische Ziele verfolgt oder aber das Recht des anderen achtet.

Was ist für den Arbeitsmarkt wichtig? Wer wird in Zukunft erfolgreich sein?

Es geht um den produktiven Umgang mit Wissen: Erfolgreich werden die Leute sein, die in ihrer Kommunikation produktiv sind, die sich vernetzen können, die schnell Chancen entdecken und verstehen, wie es dem anderen geht, die fair streiten und auf unterschiedliche Persönlichkeitstypen eingehen können – egal, in welcher Branche sie sind. Der Computer-Chip ist beispielsweise eine Querschnitttechnologie, die in allen Branchen bis heute auftaucht, ob in der Küchenwaage, dem Schweißroboter oder dem Textverarbeitungs-Notebook. So ist die Fähigkeit, zu kooperieren und produktiv mit Wissen umzugehen, auch eine Querschnitttechnologie, um zukünftig auf dem Arbeitsmarkt weiterzukommen. Das ist eine neue Anforderung, die ganz große Fragen an den Einzelnen stellt, an welche Werte er glaubt. Und wir antworten darauf mit unserem Leben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Tim Bergen führte das Interview. Er ist Volontär des Männermagazins MOVO und des Nachrichtenportals jesus.de.

 

Erik Händeler, *1969, ist als Buchautor und Zukunftsforscher vor allem Spezialist für die Kondratieff-Theorie der langen Strukturzyklen. Nach einem Tageszeitungsvolontariat und der Tätigkeit als Stadtredakteur in Ingolstadt studierte er in München Volkswirtschaft und Wirtschaftspolitik. 1997 wurde er freier Wirtschaftsjournalist und Speaker. Er schrieb mehrere Bücher, darunter: »Die Geschichte der Zukunft – Sozialverhalten heute und der Wohlstand von morgen.«

Alles Schoggi oder was?

Warum einem die Rätsel des Lebens nicht immer auf der Zunge zergehen.

Nach meinem Referat über Dankbarkeit stand er vor mir. Ein eleganter Herr, ehemaliger Bankkaufmann. Nun klagt er mir sein Leid. In farbigen Bildern malt er mir seine attraktive Frau vor mein inneres Auge. Gestorben sei sie. Vor zwei Jahren, mitten aus dem Leben genommen. Untröstlich ist er seither. Es war so schön mit ihr. „Was sagen Sie dazu?“, wollte er von mir wissen und wollte doch mehr, als eine Antwort zu hören, seine Erfahrungen mit gutmeinenden Christen teilen: „Ich soll Hiob lesen, haben sie mir geraten.“ Oder davon, dass „alles zuerst bei Gott durch muss“, haben sie ihm erzählt. Und dass sein Schicksal eine göttliche Prüfung sei.

Da kam mir die Serviette mit dem Aufdruck “Chocolate is the answer – who cares what the question is” wieder in den Sinn. „Schokolade ist die Antwort – wen interessiert, was die Frage ist?” Ist es wirklich so einfach? Das Leben ist aber etwas komplizierter und die Schoggi-Antwort greift einfach zu kurz. Die schnellen Antworten „schützen“ uns davor, uns den komplexen Fragen und komplizierten Problemen im Alltag stellen zu müssen. Wer eine schnelle (Schoggi-)Antwort bereithält, braucht nicht nachzudenken, kommt nicht ins Grübeln, hat keine Zweifel … Hauptsache, er oder sie hat Schoggi. Aber was, wenn die Schoggi eines Tages doch zu einfach ist und wir feststellen: Nicht jede Frage kann mit einer Schoggi-Antwort befriedigend geklärt werden?

Leider treffe ich das Schoggi-Phänomen immer mal wieder auch in christlichen Kreisen an. „Jesus ist die Antwort – wen interessiert da noch die Frage!?” Ich bin zutiefst überzeugt, dass Jesus tatsächlich an jeder unserer Fragen interessiert ist, unsere Probleme ernst nimmt und uns helfen will, in unserem komplexen Leben Frieden und Zufriedenheit zu erfahren. Doch die zu einfache Schoggi-Lösung „Jesus ist die Sofortlösung für alle Probleme” greift entschieden zu kurz. Davon kann der elegante Witwer ein Liedchen singen. Ich habe einen Verdacht: Wer sich allzu schnell mit einem „Jesus ist die Antwort” zufriedengibt, hat sich nicht wirklich den Problemen gestellt, bleibt an der Oberfläche kleben. Und möglicherweise bleibt der „Schoggi-Jesus“ eine schöne Theorie, die sich jedoch noch nicht in einem von Krisen erschütterten Leben bewährt hat. Wer aber durch all die Irrungen und Wirrungen des Lebens gegangen ist und dabei das Leben mit Jesus „durchgekaut“ hat, kommt hoffentlich tatsächlich zum Schluss: Jesus hat mir nicht all meine Probleme weggenommen, aber er hat mich durchgetragen, hat mir Freunde an die Seite gestellt, führte mich zu professionellen Stellen …

Ich habe begonnen, mich damit abzufinden, dass ich so manches Rätsel des Lebens nie lösen werde. Das heißt jetzt nicht, dass ich mich den Rätseln des Lebens als machtloser Spielball hingeben will. Keinesfalls! Ich werde das Leben entdecken, entfalten und gestalten. Und wo möglich, werde ich auch das ein oder andere Rätsel knacken und dem Leben auf die Schliche kommen. Doch ich gebe den Versuch auf, alles verstehen zu müssen. Die Warum-Frage macht mich nicht glücklich. Ich will nicht rückwärtsgewandt den ungelösten Fragen meines Lebens nachhängen, sondern vorwärtsgewandt den Weg gestalten, auf dem ich jetzt Schritt für Schritt unterwegs bin. Eines ist auch da gewiss: Das Leben bleibt ein Rätsel.

Stefan Gerber, Theologe im SCM Bundes-Verlag (Schweiz) sowie Autor von „Glück finden – hier und jetzt“. Verheiratet mit Brigitte Gerber-Urfer und Vater von Joy Nina (13) und Janosch Noah (10).

Unter allen Einsendungen unter dem Stichwort „Alles Schoggi“ an  info@MOVO.net verlosen wir eine von fünf leckeren Schweizer  Schoggi-Tafeln. Einsendeschluss ist der 15.08.2016.