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Gott ist kein Unsinn

Wie man als Naturwissenschaftler an Gott glauben kann

„Einfach unglaublich, dass selbst an unserer Schule noch Lehrer und Schüler herumlaufen, die an Gott glauben. Dabei haben doch Naturwissenschaftler wie Stephen Hawking längst gezeigt, dass der Glaube an Gott Unsinn ist.“ Mein Physiklehrer hat in mir die Begeisterung für Physik geweckt und mir ein intuitives Verständnis physikalischer Konzepte vermittelt. Aber seine wiederholt geäußerte Feststellung, dass man als naturwissenschaftlich denkender Mensch nicht an Gott glauben könne, hat mich irritiert. Als Schüler sah ich mich freilich nicht in der Position, meinem Physiklehrer Kontra zu geben. Während meines Studiums habe ich eine ganze Reihe frommer Professoren kennengelernt – die wissenschaftlich anerkannt waren und sich ganz bodenständig, auch öffentlich, zu ihrem christlichen Glauben bekannten. Auch unter weltweit führenden Forschern finden sich sowohl bekennende Atheisten als auch Theisten. Kann manals Naturwissenschaftler an Gott glauben? Offenbar schon.

DER URKNALL EIN SCHÖPFUNGSAKT
Bis Mitte des letzten Jahrhunderts waren die Kosmologen sich einig, dass das Universum schon immer existiere. Doch dann mehrten sich die Hinweise, dass das Universum einen Anfang haben muss. Wenn wir das Licht von weit entfernten Galaxien untersuchen, stellen wir fest, dass sie sich von uns wegbewegen. Das Universum dehnt sich aus. Vieles spricht dafür, dass es vor ca. 13,8 Milliarden Jahren einen „Urknall“ gab, bei dem Zeit und Raum und unser ganzes Universum entstanden. Weitere Daten, wie der Mikrowellenhintergrund, der in allen Richtungen zu messen ist, oder die Häufigkeit der verschiedenen Elemente (Wasserstoff, Helium, …) im Universum sprechen für diese Urknalltheorie. Inzwischen ist diese Theorie allgemein anerkannt, aber anfangs war sie heftig umstritten. Klingt doch der „Urknall“ nach einem „Schöpfungsakt“. Gibt es einen Schöpfer, der „den Startschuss gezündet“ beziehungsweise „den Stein ins Rollen gebracht“ hat?

Seit dem Urknall dehnt sich das Universum aus – und zwar genau mit der richtigen Geschwindigkeit. Würde es sich langsamer ausdehnen, würde die Anziehung der Massen (die Kraft, die uns auf der Erde hält) dafür sorgen, dass das Universum ziemlich schnell wieder in sich zusammenfällt – noch bevor Leben entstehen und sich entwickeln kann. Würde es sich zu schnell ausdehnen, könnten sich keine Sterne und Galaxien bilden. Auch die vier Grundkräfte sind in ihrer Stärke genau aufeinander abgestimmt. Wäre das Kräfteverhältnis nur ein kleines bisschen anders, gäbe es keine stabilen Atome, und damit auch nichts, was aus Atomen zusammengesetzt ist. Diese sogenannte Feinabstimmung ist enorm: Man kann sie vergleichen mit der Wahrscheinlichkeit, beim Zielschießen eine Münze am anderen Ende des sichtbaren Universums zu treffen. Ist das ein Hinweis auf einen „Feinabstimmer“, der den physikalischen Konstanten genau die richtigen Werte gegeben hat?

DIE EVOLUTION EIN MODELL
Biologen haben ca. 2 Millionen Arten von Lebewesen beschrieben – die Gesamtanzahl der Arten auf der Erde dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Dabei sind unterschiedliche Grade von Ähnlichkeiten im Aufbau der Lebewesen offensichtlich. Auch als Laie fallen ähnliche Merkmale zum Beispiel beim Vergleich von Wirbeltierskeletten ins Auge. Alle Lebewesen werden durch ihr Erbgut bestimmt, das sich immer aus den gleichen Bausteinen zusammensetzt. Der Grad der Ähnlichkeit zwischen Gruppen von Lebewesen lässt sich beim Erbgut quantitativ erfassen und statistisch auswerten. Diese Forschung beschränkt sich nicht nur auf heutige Lebewesen, auch die in Fossilien überlieferten Überreste von Lebewesen lassen sich untersuchen und vergleichen. Dabei fällt auf, dass die Fossilien in der Regel nicht zufällig in den Erdschichten abgelagert werden. Weltweit gibt es eine typische Reihenfolge von unten nach oben für das Auftreten von Fossilien. Das ruft nach einem naturwissenschaftlichen Modell, mit dem die Grade von Ähnlichkeiten in Merkmalen und Erbgut sowie geologische Daten und Untersuchungsergebnisse von Fossilien beschrieben und gedeutet werden können. Insgesamt bietet das Modell einer Entwicklung des Lebens von einer „Urzelle“ hin zur heutigen Vielfalt einen sehr erfolgreichen Rahmen, um die naturwissenschaftlichen Daten zu interpretieren und einzuordnen. Offene Detail- wie Grundsatzfragen motivieren weitere Forschung und gehören zum Wesen von wissenschaftlichem Arbeiten.

Das Urknall- und das Evolutionsmodell beschreiben erfolgreich funktionale Zusammenhänge, wie sich die unbelebte und die belebte Natur entwickelt haben. Manche verleitet dieser Erfolg dazu, zu triumphieren: „Wir kennen den Mechanismus, also gibt es keinen Mechaniker.“

Die Naturwissenschaft beschreibt regelmäßige Abläufe in der Natur, stellt Ketten von Ursache und Wirkung auf. Aber ist damit alles Wesentliche über die Welt und über den Menschen gesagt? Sind wir am Ende nur eine komplizierte Anordnung von Elementarteilchen, die miteinander wechselwirken? Ist unser Verstand nichts anderes als das Ergebnis von neurophysikalischen Prozessen im Gehirn? Die Aussage „Es gibt nur Dinge, die sich grundsätzlich naturwissenschaftlich untersuchen lassen“ ist selber keine naturwissenschaftliche Aussage. Es ist eine weltanschauliche Aussage – die Kernüberzeugung des Naturalismus. Aber ist diese Weltanschauung die einzige, die für sich beanspruchen kann, mit der Naturwissenschaft vereinbar zu sein?

GLAUBE ALS AUSGANGSPUNKT FÜR DIE WISSENSCHAFT
Die Vorstellung, dass der Wettstreit verschiedener Gottheiten wie Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars und Jupiter sowie der Sterne den Lauf der Welt schicksalhaft bestimmen, ist mit moderner Naturwissenschaft freilich schwer zusammenzubringen. Der jüdisch-christliche Glaube an einen Schöpfergott, der selber nicht Teil der Welt ist, bildet dagegen eine gute Grundlage, um Naturwissenschaft zu treiben. Mit der Überschrift „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ wird bereits ausgedrückt, dass Gott alles geschaffen hat, die sichtbare (naturwissenschaftlich untersuchbare) und die unsichtbare Welt. Die erste Schöpfungserzählung der Bibel ist vermutlich der erste Text der Weltliteratur, in dem Sonne und Mond nicht als Gottheiten, sondern als „Leuchten“ und „Zeitgeber“ durch ihre Funktion für den Menschen beschrieben werden. Dadurch werden sie erstmalig einer naturwissenschaftlichen Beschreibung zugänglich. Es ist schon erstaunlich, dass das Universum „rational“, das heißt verstehbar ist. Warum eignet sich Mathematik so gut, um Phänomene in der Natur, wie etwa die Bewegung von Himmelskörpern, zu beschreiben? Ist das ein Hinweis auf einen rationalen Urheber des Universums?

Kann man als Naturwissenschaftler nicht an Gott glauben? Das ist selbstverständlich möglich. Und führt immer wieder zu interessanten Formulierungen. „Da es ein Gesetz der Gravitation gibt, kann und wird sich das Universum […] aus dem Nichts erzeugen“, schreiben Stephen Hawking und Leonard Mlodinow in „Der große Entwurf“. Andere staunen darüber, wie „die Natur es eingerichtet“ hat, dass Tiere und Pflanzen mit den unterschiedlichsten Lebensbedingungen zurechtkommen. Manch einer schreibt „der Natur“ oder „den Naturgesetzen“ Eigenschaften zu, die Theisten eher auf Gott beziehen würden. Vielleicht ist das ein Ausdruck davon, was Prediger 3,11 über Gott schreibt: „Alles hat er so eingerichtet, dass es schön ist zu seiner Zeit. Auch die Ewigkeit hat er den Menschen ins Herz gelegt. Aber das Werk Gottes vom Anfang bis zum Ende kann kein Mensch begreifen.“

Dr. Tobias Lapp lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern im Pfarrhaus Dankelshausen in Südniedersachsen. Der promovierte Physiker ist deutschlandweit als Referent mit Vorträgen über Naturwissenschaft und Glaube an Hochschulen, Gemeinden, Schulen und Verbänden unterwegs. Er engagiert sich in der Kirchengemeinde unter anderem in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Fundraising und Gemeindemanagement.