Der Tritt in den Hintern
Warum wir Männer manchmal Nathan-Kritik nötig haben
Beim Arzt: „Wenn Sie weiterrauchen, dann gute Nacht.“ In der Männerumkleide: „Alter, du hast ganz schön zugelegt. Hab dich kaum wiedererkannt!“ Jahresgespräch in der Firma: „Sie haben die Zielzahlen nicht erreicht, wie erklären Sie sich das?“ Kritik tut weh. Manche ist haltlos, manche trifft genau ins Schwarze. So ging es König David in der Bibel, der einer schönen Frau beim Baden zusah. Ein erster Blick und es ist um ihn geschehen. David kann sich an Batseba nicht sattsehen. Ein zweiter Blick und er lässt sie zu sich holen. Neun Monate später wird Batseba ein Kind auf dem Arm halten, das David verblüffend ähnlich sieht. Ihre Kleidung wird schwarz sein, denn ihr Mann ist gestorben. Er wurde umgebracht – von David.
KRITIK: VON GOTT GESCHENKT
Nathans Kritik lässt in 2. Samuel 12 nicht auf sich warten. Als Nathan den König konfrontiert, hält er ihm einen Spiegel vor: „Ein Mann mit vielen Schafen hat einem Armen sein einziges Schaf weggenommen!“ David ist empört. Was für ein Unrecht in seinem Land! Doch als David nachfragt, von wem er denn rede, trifft ihn die Antwort wie ein Schlag: „Du bist der Mann!“ Nathans Kritik tut weh, aber es macht „Klick“. Er bereut zutiefst und Gott vergibt.
Wie fast alle Namen in der Bibel, hat auch der Name Nathan seine Bedeutung: „Nathan“ heißt „von Gott gegeben“ oder auch „von Gott geschenkt“. Nathans Kritik war für David ein Geschenk. Kein Geschenk, das man begeistert auspackt, aber eine Kritik, die einem Einsichten beschert, für die man in einem Coaching sehr viel Geld zahlen müsste. Ein VIP-Coaching Gottes, und das auch noch gratis.
Könnte es sein, dass auch uns immer wieder Nathan-Kritik erreicht? Kritik, die Gott uns schenkt? Da sagt ein Freund: „Wie du dich neulich verhalten hast, fand ich echt unter aller Sau.“ Ob das Nathan-Kritik sein könnte? „Da bist du auf dem Holzweg“, warnt die Stimme. Ob diese Stimme von Gott kommt?
Wenn der Hautarzt sagt: „Das Muttermal an ihrem Hals sieht verdächtig aus, das sollten wir näher untersuchen“, sagt er nicht: „Haha, was haben Sie denn da am Hals?“. Er ist um unsere Gesundheit besorgt. Nathan-Kritik will uns nicht schikanieren. Sie gleicht einem Hustensaft. Hustensaft schmeckt bitter, aber er hilft. Kritik tut weh, aber sie heilt.
KRITIK: VON FREUNDEN GELIEFERT
Hand aufs Herz: Wie offen sind wir für Kritik? Nathan-Kritik fällt nicht vom Himmel. Sie begegnet uns auf Augenhöhe – durch Menschen wie Nathan oder eben Timo, Stefan oder Max. Menschen aus unserer WhatsApp-Liste, unserem Freundeskreis, unserer Familie, von der Arbeit. Klar: Kritik muss geprüft werden. Manche trifft den Nagel auf den Kopf. Andere enthält nur ein Fünkchen Wahrheit. Doch manche Kritik erreicht uns, damit wir uns verändern; wir wären blöd, sie zu ignorieren! Kritik kann fertigmachen und niederdrücken. Aber manche Kritik ist eben Nathan-Kritik – Kritik, die Gott uns schenkt.
Oliver Helmers (37) lebt mit seiner Familie in Denkingen am Fuße der Schwäbischen Alb. Er ist Pfarrer der württembergischen Landeskirche.