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Kinder stehen vor einer der Tafel der Happy Child Schule, die von Cargo Human Care unterstützt wird. (Foto: Patrick Kuschfeld)

Kenia: „Wenn ein Kind keine Bildung bekommt, dann ist es verloren“

Fokko Doyen hat die Hilfsorganisation „Cargo Human Care“ mitgegründet. Das Projekt wuchs immer weiter, motiviert durch einen kleinen Jungen mit Herzklappenfehler.

Fokko, was hat es mit dem Namen „Cargo Human Care (CHC)“ auf sich?

Fokko Doyen: Ich habe das Hilfsprojekt 2002 mit Kollegen von Lufthansa Cargo initiiert, wo ich die letzten 20 Jahre als Kapitän gearbeitet habe. Der Vorstand von Cargo hat dann beschlossen, uns zu unterstützen – in Form von kostenlosen Flügen für unsere Ärzte und aktiven Mitarbeiter. Das sind 100.000 Euro, die wir jedes Jahr sparen.

Was motiviert dich bei deiner Arbeit für CHC?

Doyen: Ein Kind, das mir besonders am Herzen lag, war John Kaheni. Ich habe ihn 2004 kennengelernt. Er war damals zehn Jahre alt und lebte im Mothers’ Mercy Home, einem Waisenheim in Kenia. John hatte einen Herzklappenfehler und musste operiert werden. Die Kirche als Trägerin des Heims konnte sich das nicht leisten. Deshalb habe ich mit Freunden Geld auf dem Weihnachtsmarkt gesammelt und die Operation bezahlt.

John hat sich dann schnell erholt und die Schule abgeschlossen. Anschließend hat er eine Ausbildung angefangen, er wollte in die Filmindustrie. John war wie ein eigenes Kind für mich. Leider ist er 2014 gestorben, weil nicht erkannt wurde, dass er eine neue Herzklappe brauchte. Zu diesem Zeitpunkt haben wir ein Heim für Schulabgänger geplant und gebaut und dann nach ihm benannt. Das hat mich nach seinem Tod wieder neu motiviert.

„Wenn du in Afrika krank bist und kein Geld hast, musst du sterben“

Medizin und Bildung – warum diese Schwerpunkte?

Doyen: Diese beiden Bereiche werden von der Regierung in Kenia völlig vernachlässigt. Wenn ein Kind keine Bildung bekommt, dann ist es verloren und endet als Tagelöhner. Nur mit Bildung kommt man raus aus dieser Misere. Bezüglich Medizin: Sven Sievers, der Arzt, mit dem ich das Medical Center aufgebaut habe, hat gesagt: „Wenn du in Afrika krank bist und kein Geld hast, musst du sterben.“ Dem wollen wir entgegenwirken.

Wie hilft CHC konkret in Kenia?

Doyen: Mittlerweile haben wir ein Medical Center mit zwölf lokalen Angestellten und 46 deutschen Ärzten, die ehrenamtlich in kurzen Einsätzen vor Ort sind. Wir führen jedes Jahr über 30.000 Behandlungen bei 10.000 Patienten durch – für viele umsonst. Außerdem unterstützen wir das Mothers’ Mercy Home. Das haben wir Stück für Stück ausgebaut. Inzwischen haben wir auch zwei Schulen finanziert. Ein zweites Heim haben wir für Schulabgänger errichtet, die wir in der Berufsausbildung oder im Studium fördern.

Warum sollte jemand an euch spenden?

Doyen: Wir können sicherlich nicht die Welt retten und auch nicht ganz Kenia, aber wir können einer kleinen Anzahl von Menschen helfen, durch Bildung aus der Armut rauszukommen. Und diese können dann wieder Vorbilder für die nächste Generation sein. Meine Mitstreiter und ich sorgen auch durch häufige Präsenz vor Ort dafür, dass die Spenden wirklich bei den Menschen ankommen. Letztes Jahr hatten wir 0,3 Prozent Verwaltungskosten – wir arbeiten alle ehrenamtlich.

Die Fragen stellte MOVO-Volontär Pascal Alius.

Cargo Human Care arbeitet zusammen mit lokalen Partnern (vor allem Kirchen) in Kenia. CHC konzentriert sich gleichermaßen auf die medizinische Versorgung von Armut Betroffener sowie die Versorgung und Zukunftssicherung der Kinder im Mothers’ Mercy Home. cargohumancare.de

Hunger

Ein lauer Sommerabend unter Freunden in Berlin

Es war ein langer Tag. Markt der Möglichkeiten beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin. Rüdiger Jope hat einen Stand betreut, ich bin durch die Hallen geschlendert. Abends treffen wir uns in einer feinen Pizzeria in der Nähe des Brandenburger Tors. Ein Abend unter Freunden. Lecker essen, dazu bleifreies Weizen und viel zu erzählen. Plötzlich summt das Handy. Mein Freund und ehemaliger Chef schickt eine SMS: Frank Heinrich, Mitglied des Deutschen Bundestags. Er ist gerade in Berlin angekommen und hat etwas Zeit. Wir laden ihn ein, bald sitzen wir zu dritt in der Runde.

HIER PIZZA, DA LEERE TELLER
Frank ist vor wenigen Stunden aus dem Südsudan zurückgekehrt. Die frischen Eindrücke sprudeln aus ihm heraus. Als Obmann seiner Fraktion im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe war er auf Einladung des World Food Programme vor Ort, um sich ein Bild von der Lage der Menschen zu machen. In Ostafrika herrscht aktuell die schwerste humanitäre Krise, die das – nun wahrlich genug gebeutelte – Afrika seit vielen Jahren erleben muss.

2011 hat sich der Südsudan unabhängig gemacht. Seit 2013 herrscht Bürgerkrieg im Land. Die Hungersnot, die durch den Krieg und eine verheerende Dürre am Horn von Afrika entstanden ist, betrifft nach Schätzungen der UNO 5,5 Millionen Menschen – das ist in etwa die Hälfte der Bevölkerung. Die Welthungerhilfe beschreibt auf ihrer Webseite die katastrophalen Auswirkungen dieser anhaltenden Krise im Südsudan: „Über 3 Millionen Menschen haben ihr Zuhause verlassen, 1,9 Millionen sind Vertriebene im eigenen Land, 1,74 Millionen sind in Nachbarländer geflohen. Sie suchen Schutz in sichereren Gebieten oder in Flüchtlingscamps. Doch die Bedingungen dort sind schlecht, es fehlt an Zelten, Wasser und Hygiene. Die meisten der Flüchtlinge sind von Nahrungsmittellieferungen abhängig. Mehr als 5.000 Fälle von Cholera-Erkrankungen wurden seit Mitte 2016 erfasst, größtenteils in der Nilregion. 1,64 Milliarden US-Dollar sind laut UNHCR nötig, um 5,8 Millionen Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen.“

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein wichtiges Geberland für Ostafrika. Entwicklungsminister Gerd Müller besuchte die Region im April, Außenminister Sigmar Gabriel nahm ebenfalls im April an einer Geberkonferenz mit Vertretern der UN und der EU in Brüssel teil. Weitere Konferenzen zur Verknüpfung der Geber und zur Koordinierung der Hilfsmaßnahmen sind geplant. Das Entwicklungsministerium stellt in diesem Jahr insgesamt 300 Millionen Euro zur Verfügung. Hinzu kommen 120 Millionen Euro für Humanitäre Hilfe aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes. Für den Südsudan hat das Außenministerium 40 Millionen Euro und für das Horn von Afrika zusätzlich noch einmal 15 Millionen Euro Hilfsgelder eingeplant. Frank zeigt uns Fotos aus dem Land. Auch ein kleines Video hat er auf dem Smartphone: Er hat ein Transportflugzeug gefilmt, das Lebensmittelkisten per Fallschirm abwirft. Danach werden die Vorräte eingesammelt, sortiert und geordnet an Flüchtlinge verteilt. Eine logistische Meisterleistung für das World Food Programme und seine Partner, die die Helfer und die Hungernden erstaunlich diszipliniert meistern.

DANKBAR GENIESSEN, AKTIV TEILEN
All das hören wir, während wir unsere Pizza entspannt im Biergartenflair der Bundeshauptstadt genießen. Dabei weht mich ein schlechtes Gewissen an. Aber nur kurz. Stattdessen meldet sich Dankbarkeit. Unbeschreibliche Dankbarkeit, in einem friedlichen, sicheren Land zu leben. Einer bewährten Demokratie, einem Rechtsstaat, einem Sozialstaat. Keine Frage: Es gibt Unwuchten auch in unserem Land. Es gibt benachteiligte Gruppen. Es gibt Ungerechtigkeiten, nicht jeder hat die gleichen Chancen. Es gibt Fragen an die Zukunft: Wie soll es mit der Rente weitergehen? Wie können die Sozialsysteme dauerhaft finanziert werden? Wie wird sich die EU entwickeln? Wie die weltweite Wirtschaft? Wie integrieren wir die Menschen, die in unser Land gekommen sind? Wichtige Fragen. Es sind Reformen notwendig, die mit viel Energie angepackt werden müssen.

Energie allerdings, die sich kaum aus Meckern speisen wird, sondern aus tiefer Dankbarkeit. Wer zu satt ist, wird faul und nörgelig. Wer dankbar ist, wird aktiv. Aktiv für Deutschland. Aktiv für Europa. Und aktiv für die Menschen in Not. Staatliche Unterstützung reicht nicht aus. Die Menschen in Ostafrika sind auf Spenden angewiesen. Wir können etwas tun. Indem wir uns informieren und indem wir spenden. Etwa hier, auf der Webseite der „Aktion Deutschland Hilft“ (www. aktion-deutschland-hilft. de). Bereits mit fünf Euro im Monat kann man Förderer werden. 25 Euro sichern das Trinkwasser für fünf Familien. Unser Pizza-Abend ist teurer. Den haben wir uns verdient. Und den gönnen wir uns auch. Aber gilt nicht auch hier, wozu Jesus die „Gesetzestreuen“ auffordert, die den Blick für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit verloren haben: Sie sollen „das eine tun und das andere nicht lassen“ (Matthäus 23,23)? Männer, lasst uns was tun. Aus tiefer Dankbarkeit.


Uwe Heimowski (53) ist ehrenamtlicher Stadtrat in Gera. Er ist verheiratet mit Christine und Vater von fünf Kindern. Er vertritt die Deutsche Evangelische Allianz als deren Beauftragter beim Deutschen Bundestag in Berlin.

Mehr von Frank Heinrich finden Sie in dem inspirierenden Buch: FRANK UND FREI – Warum ich für die Freiheit kämpfe, das im SCM Hänssler-Verlag erschienen ist.