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Symbolbild: Ian Schneider / Unsplash

Neues Jahr, neues Glück: So erreichen Sie Ihre Ziele

Viele gute Vorsätze scheitern an Zeitmangel. Coach Michael Stief erklärt, warum Sie aber weniger in Zeit und mehr in Beziehungen denken sollten.

„Zeit ist eine Illusion, die Mittagszeit erst recht“ heißt es in der Science-Fiction-Satire „Per Anhalter durch die Galaxis“. Eine ebenso skurrile wie zutreffende Beobachtung. Es liegt nie an der Zeit selbst, wenn wir keine Zeit haben: Zeit ist immer verfügbar. An jedem Tag 24 Stunden, 168 Stunden pro Woche, in jedem Monat 720 Stunden, 8.760 in einem Jahr, 613.200 in 70 oder 700.000 in 80 Jahren.

Es sind unsere vielfältigen Beziehungen und Verpflichtungen, die unsere Zeit knapp werden lassen. Aufgaben, die wir übernehmen und Terminzusagen, die wir machen. Unser persönliches „soziales Netzwerk“ ist riesig und mit jeder Beziehung gehen wir auch eine „Verpflichtung“ ein, in Kontakt zu bleiben. Jede Stunde, die wir mit diesen Menschen verbringen, füllt unseren Terminkalender. Es ist wichtig, aktiv zu entscheiden, in welche Beziehungen wir investieren. Damit diese Entscheidung leichter fällt, hilft es in „Beziehungsdimensionen“ zu denken, statt in Zeit und Work-Life-Balance.

Gerade Menschen mit Zeitnöten haben ein eher dickes Adressbuch und so kann es helfen, die unterschiedlichen Beziehungen etwas zu bündeln. Durch eine lange Beschäftigung mit Steuerungs- und Selbstmanagement-Modellen habe ich folgende sechs „Beziehungswelten“ gefunden:

  • die Menschen für die wir arbeiten -> unsere Kunden
  • die Menschen mit denen wir arbeiten -> unsere Teamkollegen
  • die Menschen, die wir mögen und lieben -> unsere besten Freunde & Familie
  • uns selbst mit unseren körperlichen und psychologischen Bedürfnissen
  • unseren Geist, also unsere Lebenseinstellung, Spiritualität oder Gottesbeziehung
  • unsere praktische und mentale „Beziehung“ zu Ressourcen wie Geld, Besitz, Bildung und Finanzen

Wenn Sie zu diesen „Beziehungswelten“ eine Mindmap anfertigen, bekommen Sie schnell einen Überblick, in welche Menschen Sie Zeit investieren wollen. Dadurch vermeiden Sie „Zeitdiebe“. Wenn Sie täglich jeder dieser „Beziehungswelten“ drei Stunden widmen, bringen Sie mühelos acht Stunden Schlaf und acht Stunden Arbeit unter (drei für die Kunden, drei fürs Team und zwei Stunden fürs Selbstmanagement). Auf diese Weise planen Sie von Grund auf ganzheitlich und kein wesentlicher Bereich des Lebens „fällt hinten runter“.

Entwickeln Sie ein Zielbild für Ihr Leben

In der Arbeitswelt sind wir oft mit Zielen konfrontiert, die wir mal weniger, mal mehr auch persönlich bejahen oder als „Karriere“ aktiv verfolgen. Aber auch im Privatleben schwanken wir zwischen unseren Wünschen und den Erwartungen anderer an uns. Es ist dieser Spagat zwischen vorgegebenen, erwarteten und erwünschten Zielvorstellungen, der unser Leben ins „Ungleichgewicht“ bringt, sodass wir nach neuer „Lebensbalance“ hecheln. Nehmen Sie sich deshalb nacheinander jede ihrer sechs „Beziehungswelten“ vor und fragen Sie sich:

  • Was wünsche ich mir für diese Beziehung?
  • Was ist meine Aufgabe und welche persönlichen Werte möchte ich darin verwirklichen?
  • Wie würde es – konkret – aussehen, wenn diese Beziehung blüht und gedeiht?

Dabei ist es gleichgültig, ob dies nun große oder kleine Ziele sind, schöne Einzelaktionen oder regelrechte Lebensziele. Sammeln Sie ungeniert und unzensiert Ideen, Wünsche, Vorhaben, Ziele und Träume.

Vor allem: Halten Sie diese schriftlich fest! Auf losen Blättern, in einem Zielbild-Tagebuch oder in einer Datei auf dem Rechner. So fangen Sie an Ihr Leben zu gestalten, bevor es andere für Sie tun. Sie ersetzen dadurch Vorsätze, die nicht selten durch Unzufriedenheiten getrieben sind, durch positive Ziele und Planung.

Auf diese Weise setzen Sie Ihr Zielbild für Ihr Leben aus den verschiedenen Puzzleteilen von Wünschen, Verpflichtungen und Zielen zusammen. Dadurch entsteht mit der Zeit aus einzelnen unverbundenen und im Moment geborenen Ziele eine viel grundlegendere Lebensvision, die Ihnen und anderen Orientierung, Hoffnung und Kraft geben wird.

Setzen Sie Prioritäten

Je nach Persönlichkeitstyp, Lebensalter oder Ideenreichtum kann dieses Zielbild und seine Bestandteile schnell komplex und umfangreich werden. Mit den folgenden drei Tools lässt sich aber auch in dieses Lebenschaos Ordnung bringen.

Erstens: Priorisieren Sie rigoros Ihre Lebenswelten. Entscheiden Sie sich, was Ihnen am wichtigsten ist: Familie & Freunde, Kunden oder Teamkollegen oder man selbst, Geist oder Ressourcen. Entscheiden Sie sich klar und konsequent für eine Top-Priorität und ordnen Sie die anderen dieser unter.

Zweitens: Schreiben Sie sich ein „Backlog“ nach „Beziehungswelten“ getrennt. In der agilen Führung bezeichnet ein Backlog eine Liste der Aufgaben, um ein komplexes Projekt zum Erfolg zu führen. Dort werden alle Aufgaben an einer Stelle gesammelt und anschließend in Etappen abgearbeitet. Drittens: Priorisieren Sie die sechs Backlogs nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. (Eisenhower-Schema)

Setzen Sie sich smarte Ziele

Möglicherweise habe Sie jetzt sechs schöne Listen mit attraktiven Zielen, von denen manche noch einen „Konstruktionsfehler“ haben. Die Ziele sind noch diffus, zeitlich unbestimmt und unrealistisch. Das macht es schwer, sie wirklich zu erreichen.

Ein Beispiel wäre der Wunsch „Einmal nach Japan zu reisen“. Da ist nicht klar, wann, wie lange und wohin es konkret gehen soll.  So lässt sich auch nicht sagen, ob man je genug Geld für den Trip in der Urlaubskasse haben wird. Eine solche Reise kann alles von 2.000 bis 12.000 Euro kosten.

Abhilfe schafft hier die SMART-Formel. Damit lassen sich Ziele leichter und zuverlässiger erreichen. Es geht dabei um folgende Qualitätskriterien:

  • Spezifisch – Es ist klar, mit wem, wo und wann wir ein Ziel erreichen wollen; in welchem Kontext wir ein Ziel anstreben und in welchem vielleicht nicht.
  • Messbar – Das Ergebnis ist klar und positiv umschrieben, entweder zählbar oder konkret wahrnehmbar.
  • Attraktiv – Ist das Ziel für uns wirklich wichtig und wertvoll, sind wir motiviert es zu erreichen? Auch für die Menschen in unserem Umfeld ist es wenigsten akzeptabel oder gar wünschenswert.
  • Realistisch – Das Ziel liegt im Rahmen unserer Möglichkeiten und wir haben die dazu nötigen Fähigkeiten, Mittel oder Macht. Das Ziel ist in machbaren Etappen erreichbar.
  • Terminiert – Es gibt einen konkreten Termin, zu dem das Ziel erreicht sein soll.

Planen Sie also Ihr Leben mit der gleichen „Präzision“ wie eine Urlaubsreise. Aber nicht nur die Klarheit der Zielbestimmung ist wichtig, um die Ziele auch zu erreichen. Auch die Regelmäßigkeit ist entscheidend. Nicht nur einmal den großen Wurf skizzieren, sondern konstant weiter planen. Idealerweise jeden Abend für den folgenden Tag; sonntags für die kommende Woche, einmal im Monat sowie jährlich.

Und immer mal wieder hilft eine generelle Orientierung. Gönnen Sie sich Auszeiten, bei denen Sie Ihre Pläne auf den Prüfstand stellen. Ein Aufenthalt auf einer Berghütte zum anstehenden Jahreswechsel kann ein passender Rahmen sein. Oder auch eine Inselüberquerung wie ich Sie Anfang 2022 an vier Tagen auf Gran Canaria gemacht haben. Da bleibt viel Zeit zum Reflektieren.

Für Ziele einstehen statt „Nein“ sagen

Vielen Menschen fällt es schwer, „Nein“ zu sagen. Teils aus Angst, dass sich das Gegenüber persönlich abgelehnt fühlen könnte. Teils, weil man vielleicht keine schlüssige Begründung parat hat. Wenn wir aber aus Nettigkeit und mangels klarer Ziele fremden Wünschen nachkommen, dann kann das leicht zu Chaos im Leben führen.

Das wusste schon der biblische König Salomo und stellte fest, „Ohne eine Vision kommen die Menschen um“ (Buch der Sprüche 29:18, frei übersetzt nach King James Bible) Damit meinte er sicher auch die sinnstiftende Qualität von ganzheitlichen Lebenszielen. Vor allem aber geben uns Ziele die Möglichkeit zu sagen, wofür wir unsere Zeit einsetzen möchten. Dann brauchen wir nicht länger andere Offerten peinlich berührt abzulehnen, sondern können selbstbewusst sagen, was wir stattdessen vorhaben.

Auf die Frage „Kannst Du mir am Wochenende beim Umziehen helfen?“ könnten wir dann statt einem platten „Nein, ich habe keine Zeit“ antworten mit einem ehrlichen „Grundsätzlich gerne. Doch an diesem Wochenende werde ich ein Paper fertigschreiben, dass am Montag Termin hat“. Wenn wir unsere Ziele bereits im Vorfeld klar kommunizieren, dann kann sich unser Umfeld auch rechtzeitig darauf einstellen oder Einwände anmelden. Dadurch können wir agieren, bevor es in die „heiße Phase“ geht.

Warnung: Rechnen Sie mit Gegenwind

„Planung ersetzt Zufall durch Irrtum.“ Natürlich wird auch bei generalstabsmäßiger Planung und guter Kommunikation nicht jeder Plan gelingen. Schließlich ist das Leben komplex, sind unser Verstand und unsere Willenskraft begrenzt. 

Gerade zum Jahreswechsel nehmen wir uns oft eingefleischte Gewohnheiten vor, die wir nun plötzlich von einem Tag auf den anderen ändern wollen. Auch hartnäckige Gewohnheiten lassen sich ändern, zum Beispiel mit der WOOP-Methode. Besser ist es jedoch, SMARTe Ziele anzuvisieren. Diese sollten eingebettet sein, in eine zunehmend klare Lebensvision, wie wir mit uns wichtigen Menschen zusammenleben wollen.

Selbst dann werden wir noch erleben, dass uns die Zeit ausgeht. Dafür kann es verschiedene Ursachen geben: Unterschätzte Komplexität.  Unerwarteter und nicht nachvollziehbarer Widerstand. Oder im Extrem: die sprichwörtliche Dummheit der anderen, die ein Projekt scheitern lässt. Doch je konsequenter wir die genannten fünf Strategien umsetzen, umso öfter können wir wie Hannibal Smith aus der TV-Serie „A-Team“ sagen: „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.“

Michael Stief (58) ist Experte für Positive Kommunikation, Teamwork und Führung und Gründer des Beratungsnetzwerks POSITIVE HR. MANAGEMENT (positive-hr.de).

Sven Hannawald springt Ski vor der Kulisse der Zugspitze. (Foto: Christof Stache)

Sven Hannawald: Skisprungheld stürzt vom Siegerpodest in die Depression

Nach seinem Triumph bei der Vierschanzentournee 2002 holt ein Burnout samt Depression den Skispringer Sven Hannawald ein. Wenn er nicht rechtzeitig in eine Klinik gegangen wäre, würde er heute nicht mehr leben, ist Hannawald überzeugt.

Hallo Sven, nach dem Absprung fliegt ein Skispringer etwa drei Sekunden durch die Luft. Beim Skifliegen sind es sogar acht Sekunden. Wie fühlt sich das an?

Beim Fliegen ist das Schwerelose so besonders. Als Skispringer lebt man den Traum des Menschen, fliegen zu können – ohne Motor. Wir spielen mit den Lüften, das ist unheimlich toll und speziell. Ich wollte immer so weit fliegen wie möglich.

Warst du glücklich, nachdem dein Kindheitstraum in Erfüllung ging und du alle vier Springen der Vierschanzentournee 2002 gewonnen hattest? Vor dir war das noch keinem anderen Skispringer gelungen.

Ich habe jahrelang auf das Ziel, die Tournee zu gewinnen, hingearbeitet. Es war erlösend und befreiend, es geschafft zu haben. Als Erster einen Vierfachsieg zu holen, war unglaublich. Schon als kleiner Junge hatte ich den Traum, die Tournee zu gewinnen. Im Nachhinein habe ich aber auch gemerkt, was ich dafür meinem Körper antun musste. Nachträglich würde ich trotzdem nichts ändern. Der Gewinn war mir wichtiger als eventuelle körperliche Probleme.

„Nach dem großen Erfolg war mir alles zu viel“

Zwei Jahre nach dem Gewinn der Vierschanzentournee und einer Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City 2002 hast du die Diagnose Burnout mit mittelschwerer Depression bekommen. Nach einer Behandlung in einer Spezialklinik hast du 2005 deine Karriere als Skispringer beendet. Wie kam es zu deinem Burnout und der Depression?

Ich bin sehr perfektionistisch und ehrgeizig. Nach einem Springen oder dem Krafttraining habe ich meinem Körper zwar physische Pausen gegeben, aber keine psychischen. Ich habe immer ans nächste Springen gedacht. Das war wichtig, um zu gewinnen, aber es gab keine Balance in meinem Leben. Nach dem großen Erfolg war mir alles zu viel und ich habe mich unheimlich schwergetan, weiter dranzubleiben. Mein Körper hatte dem Erfolg zu viel Tribut gezollt.

Mit welchen Symptomen haben sich der Burnout und die Depression geäußert?

Es hat mit Müdigkeit angefangen. Normalerweise schläft man und geht in den Urlaub, um sich zu erholen. Ich habe mich nach zwei Wochen Urlaub aber immer noch so gefühlt, wie zu dem Zeitpunkt, als ich in den Flieger gestiegen und hingeflogen bin.

Früher hatte ich schon zwei Tage nach Saisonende wieder ein inneres Feuer, mit dem Training anzufangen – um mir einen Vorsprung zu erarbeiten. Von Saison zu Saison wurde der Zeitraum immer größer, bis ich wieder das innere grüne Licht bekommen habe. Da war ich dann in einer mir selbst auferlegten Bringschuld: Eigentlich müsste ich mit dem Training anfangen, aber ich hatte noch gar keine Lust.

Mein „Ich muss jetzt trotzdem trainieren“-Anspruch hat eine Unruhe in mich reingebracht. Ich war komplett überfordert, weil die Unruhe und Abgeschlagenheit sich nicht zurückzogen. Wenn ich nach oder vor einem Wettbewerb in meinem gewünschten Einzelzimmer war und eigentlich meine Ruhe hatte, kam ich mit der inneren Unruhe nicht klar.

„Ich habe anderthalb Jahre lang alle möglichen Ärzte aufgesucht“

Wie bist du mit dieser Unruhe umgegangen?

Ich wurde kirre im Kopf, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte, damit es mir endlich besser ging. Egal, was ich gemacht habe, es wurde nicht besser. Ich hatte gar nicht die Ruhe, mich auszuruhen. Stattdessen bin ich der Unruhe gefolgt und habe eher wieder mehr gemacht, um das Gefühl der Unruhe zu übergehen.

Dann habe ich mich einen Moment gut gefühlt, weil ich was gemacht habe. Der Frust war für kurze Zeit weg, aber ich war dann noch müder. Das war ein Kreislauf, der stetig nach unten ging. Ich habe dann anderthalb Jahre lang alle möglichen Ärzte aufgesucht und keiner hat was gefunden.

Nach dem Ärztemarathon bist du in einer Klinik gelandet. Den Komiker Torsten Sträter hat es viel Überwindung gekostet, sich in Therapie zu begeben. Bei dir scheint das nicht der Fall gewesen zu sein. Warum?

Das lag daran, dass ich aus dem Einzelsport komme. Ich wusste dementsprechend, dass ich zu 140 Prozent fit sein muss oder keine Chance auf einen Sieg habe. Meine damalige Verfassung hat nicht mal für den Continental Cup, also die zweite Liga, gereicht. Ich war 30 und mir war klar, dass ich noch maximal bis 33 Skispringen kann und mir somit die Zeit davonläuft. Deshalb wollte ich keine Zeit verschwenden und das Problem direkt lösen.

„Es war tränenreich“

Wie war es in der Klinik?

Viele sagen: „Oh, bloß keine Klinik! Ich hab ja keinen an der Klatsche!“ Aber ich habe das gleich so gesehen, dass die Klinik wirklich eine neutrale Oase ist, wo ich wieder den Boden unter die Füße bekommen kann. Ich hatte dort viele gute Gespräche, wo auch meine Gefühlsebene zur Sprache kam, die ich in meiner Skisprungkarriere lange wegdrücken musste.

In der Klinik konnte ich meinem Körper und meiner Seele das geben, was sie gebraucht haben – ohne Leistungsdenken. Es war tränenreich, aber hat sich unglaublich gut angefühlt. Nach fünf Wochen war ich wieder bereit für die große weite Welt. Ich habe mich wieder gespürt und Lust gehabt, etwas zu unternehmen. Es war neues, frisches Leben in mir.

Welchen Wert misst du Freundschaften im Kampf gegen Depressionen bei?

Es ist unheimlich wichtig, Vertrauenspersonen wie Freunde und Familie zu haben, denen man sich öffnen kann. Man hat oft das Gefühl, ein Verlierer des Lebens zu sein, was aber überhaupt nicht so ist. Dementsprechend sind enge Vertraute wichtig, die einem Rückhalt geben. Meistens ist das Umfeld aber überfordert damit, alles aufzufangen und in die richtige Richtung zu arbeiten. Da gilt es dann, professionelle Hilfe zu suchen.

„Das kann nur jemand nachvollziehen, der eine Depression erlebt hat“

Der Fußball-Torwart Robert Enke nahm sich 2009 das Leben. Er hatte seit 2002 immer wieder Depressionen – hervorgerufen durch Versagensängste und Selbstzweifel. Hätte es bei dir ebenfalls so enden können?

Ja. Definitiv. Wenn ich 2004 noch mal sechs Jahre mit Skispringen weitergemacht hätte, dann wäre ich mit Sicherheit an diesen Punkt gekommen. Das kann nur jemand nachvollziehen, der eine Depression erlebt hat. Man will das ganze Psychische, was in einem rumfliegt, einfach nur loswerden. Bei mir war es nur eine kurze Zeit, wo ich das so extrem gemerkt habe. Ich bin dann zum Glück dem Rat meiner Ärzte gefolgt und in eine Klinik gegangen.

Nachdem du aus der Klinik raus warst, bist du noch einige Jahre in Therapie gegangen. Wann hast du dich wieder gesund gefühlt?

Mir hat es geholfen, mit dem Rennsport wieder eine Aufgabe zu finden. Skispringen konnte ich nicht mehr, weil mein Körper jedes Mal in der Nähe einer Schanze Stresssignale ausgesandt hat. Der Rennsport war das letzte Puzzleteil, um mich wieder glücklich zu fühlen.

Ich habe eine Aufgabe gebraucht. Davor hatte ich nichts, wo ich gemerkt habe, dass ich für etwas geschaffen bin. Ich bin morgens aufgestanden, habe den Tag genossen, gegessen und bin wieder ins Bett. Ohne Aufgabe ist es für einen Menschen einfach schwierig zu leben.

„Zeit mit meiner Familie hat Priorität“

In deinem Buch „Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben“ schreibst du, dass du jetzt auf einem soliden Fundament stehst. Was ist dein Fundament?

Meine Familie. Meine Frau und meine beiden Kinder, die ich als meine Oase ansehe. Darauf baue ich jetzt alles auf. Zeit mit meiner Familie hat Priorität. Wenn Termine mit Familienzeit oder Urlaub kollidieren, sage ich sie ab oder verschiebe sie.

In einem Welt-Interview hast du gesagt, dass du gläubig bist. Welche Rolle hat der Glaube in deinem Heilungsprozess gespielt?

Und wie wichtig ist er für dich heute? Ich bin in Ostdeutschland aufgewachsen, da war Kirche kein großes Thema. Trotzdem glaube ich, dass jemand auf mich aufpasst, mir so ein bisschen auf der Schulter sitzt und gewisse Dinge zulässt oder auch nicht. Das gibt mir das Gefühl, nicht allein zu sein, sondern meinen Weg gemeinsam mit jemand anderem zu gehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte MOVO-Volontär Pascal Alius.

 

Anlaufstellen bei Depressionen:

Grundsätzlich ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner für die Diagnostik und Behandlung von Depressionen. Bei Bedarf überweist er an einen Facharzt bzw. psychologischen Psychotherapeuten. In Notfällen, z. B. bei drängenden und konkreten Suizidgedanken, bitte an die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter der Telefonnummer 112 wenden. Der Sozialpsychiatrische Dienst bietet Beratung und Hilfe für Menschen mit psychischen Erkrankungen und deren Angehörige an.

www.deutsche-depressionshilfe.de
www.143.ch
www.depression.at

Symbolbild: Getty Images / E+ / VioletaStoimenova

Arzt ist überzeugt: Ein Ruhetag die Woche verbessert die Intimität in Beziehungen

In der heutigen Leistungsgesellschaft ist kein Platz mehr für Ruhe. Der Arzt Jonathan Häußer bedauert das, denn: Ein Tag ohne Arbeit verbessert Gesundheit wie Partnerschaft.

Du sollst aus dem Ruhetag keine Wissenschaft machen. So oder so ähnlich heißt es doch im dritten der Zehn Gebote. Okay, vielleicht war es auch „Gedenke an den Ruhetag und heilige ihn!“. Aber warum eigentlich? Manche behaupten ja, es sei das Gebot, das am meisten missachtet wird. Wir scheinen dem also als Gesellschaft keinen so großen Stellenwert beizumessen. Zwar sind am Sonntag viele Geschäfte geschlossen, aber so richtig Ruhe? Wer braucht das schon?

Aber seien wir mal ehrlich. Irgendwann müssen wir uns erholen. Und zumindest ich bin davon überzeugt, dass Gottes Gebote nicht dazu da sind, um uns zu drangsalieren. Am Ende geht es uns besser, wenn wir uns daran halten. Trifft das auch auf den Ruhetag zu? Ist es sogar gut für unsere Gesundheit? Vielleicht müssen wir doch aus dem Ruhetag eine Wissenschaft machen. Wir schauen uns zumindest mal an, was die Forschung dazu zu sagen hat.

Es gibt einige interessante Untersuchungen. Ein Ruhetag scheint dabei viele Bereiche zu berühren. Er wirkt sich sowohl physisch als auch psychologisch, sozial, kulturell und auf unsere Umwelt aus.

Ruhetag verbessert unser Wohlbefinden

Ein Ruhetag hilft uns, uns auf das zu fokussieren, was wirklich wichtig ist im Leben. Wer sagt schon am Ende seines Lebens: „Hätte ich mal mehr gearbeitet“? Also können wir uns die Arbeit an einem Tag guten Gewissens sparen. Meistens sind es andere Dinge, die zu kurz kommen.

Wer einen Ruhetag einhält, hat tendenziell eine bessere psychische Gesundheit. Aber Sie sollten das aus eigenem Antrieb tun und nicht, weil man es von Ihnen erwartet. Wenn man andere damit zufriedenstellen möchte, hat es eher negative Auswirkungen auf die Psyche.

Beziehungen leben auf

Ein Ruhetag bietet uns eine Gelegenheit, Beziehungen zu priorisieren und wieder mit unseren Familien und Freunden Kontakt aufzunehmen. Interessanterweise berichten auch Verheiratete, die einen Tag ruhen, von einer größeren Intimität in ihrer Beziehung. Zudem bietet so ein freier Tag Zeit, um anderen zu helfen.

Eine positive Einstellung gegenüber dem Ruhen ist mit einer besseren körperlichen Gesundheit und besserem Schlaf verbunden. Allerdings hat man z. B. bei orthodoxen Juden festgestellt, dass die Kalorienaufnahme insbesondere bei Übergewichtigen am Sabbat höher war.

Bei Adventisten, wo ein gesunder Lebensstil eine hohe Priorität hat, kann es hingegen dazu führen, dass man selbst diesen gesunden Lebensstil mehr und mehr annimmt. Bei der körperlichen Gesundheit kann ein Ruhetag also sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben.

Rest der Woche positiv beeinflussen

Halten wir fest: Ein Ruhetag kann das psychische Wohlbefinden verbessern und Beziehungen bereichern. Zudem berichten viele davon, dass ein Ruhetag einen positiven Einfluss auf den Rest der Woche hat. Da die meiste Forschung aber an religiösen Menschen durchgeführt wurde, bleibt unklar, wie die Auswirkungen bei säkularen Menschen sind.

Ich habe erst vor Kurzem angefangen, bewusst einen Tag zu ruhen. Vorher hatte ich neben der Arbeit noch einige zusätzliche Projekte am Laufen und das Ganze hat sehr viel Zeit eingenommen. Auch Beziehungen sind in dieser Zeit zu kurz gekommen. Also habe ich aufgehört, sonntags zu arbeiten.

Gemeinschaft viel mehr genießen

Es fiel mir anfangs zwar schwer und ich hatte erst befürchtet, ich würde mich langweilen. Aber mittlerweile – eigentlich schon von Anfang an – gefällt es mir sehr gut. Einfach mal entspannt nach dem Gottesdienst zusammensitzen, ohne im Hinterkopf zu haben, dass man noch irgendwas erledigen muss. Ich konnte die Gemeinschaft viel mehr genießen. Und was erledigt werden muss, das muss ich dann entweder am Tag davor tun oder eben erst am Montag.

Wie Sie Ihren Ruhetag gestalten, hängt ganz von Ihnen ab. Für mich ist es zum Beispiel in Ordnung, auch am Ruhetag Dienste in der Kirche zu übernehmen. Ob ich das auch langfristig so handhaben werde, weiß ich noch nicht. Mir war es wichtig, erst mal anzufangen und ein bisschen Erfahrung zu sammeln.

Mit der zusätzlichen Zeit kann man in sich gehen und sich Gedanken machen, wie man den Ruhetag dann in Zukunft gestalten will. Ich kann Sie nur ermutigen, dem Ruhen auch in Ihrem Leben Platz zu geben. Am Ende wird es nicht nur Ihnen, sondern auch den Menschen um Sie herum guttun.

Jonathan Häußer ist Arzt und Sportwissenschaftler und fühlt sich vor allem in der Sport- und Ernährungsmedizin zu Hause. In seiner Freizeit ist er auch selbst sehr aktiv. Wenn er nicht gerade bei der Arbeit ist oder durch den Wald läuft, ist er häufig in der Gemeinde ICF Hamburg zu finden.

Foto: Markus Bitsch & Pierre Dispensieri

Nordafrikanische Küche: Dieser Couscous vertreibt den Winter

Schon einmal Hühnerherzen gegessen? Zusammen mit würzigem Couscous und goldbraunem Grillgemüse hält der Frühling Einzug auf dem Teller.

Für vier Personen.

Zutaten für den Couscous:

400 g Couscous
400 ml Geflügelbrühe
1/4 Zucchini
1 rote Frühlingszwiebel
2 Knoblauchzehen
2 EL Granatapfelkerne
1 TL Tomatenmark
1 TL Harissa (Feurige Gewürzmischung aus dem Norden Afrikas)
10 ml Olivenöl
Salz, Pfeffer, Zimt (gemahlen)

Couscous zubereiten:

Den Knoblauch schälen und fein würfeln. Die Zucchini waschen und würfeln. Das Öl in einem Topf erhitzen, Knoblauch und Zucchini hineingeben und kurz anbraten. Das Tomatenmark sowie Harissa hinzugeben und mit der Brühe ablöschen. Einmal aufkochen, den Couscous unterrühren und mit Salz, Pfeffer und Zimt abschmecken. Ungefähr fünf Minuten quellen lassen, dabei immer wieder mit dem Kochlöffel auflockern. Geschnittene Lauchzwiebel sowie Granatapfelkerne unterheben.

Zutaten für die Hühnerherzen:

500 g Hühnerherzen
2 Zwiebeln
3 Knoblauchzehen
1 TL Ras el Hanout (marokkanische Gewürzmischung)
40 ml Granatapfelmelasse (Sirup gibt’s zum Beispiel im türkischen Supermarkt)
10 ml Sojasoße
Salz, Pfeffer, etwas Öl

Hühnerherzen zubereiten:

Die Herzen säubern und trocken tupfen. Zwiebeln und Knoblauchzehen schälen und nach Belieben schneiden. Öl in der Pfanne erhitzen, darin die Herzen anbraten und mit Salz und Pfeffer würzen. Zwiebel, Ras el Hanout und Knoblauch zufügen, anschwenken und mit Granatapfelmelasse sowie Sojasoße ablöschen. Die Soße durch ein Sieb in eine Pfanne geben und auf ein Drittel reduzieren. Die Herzen auf Spießchen geben und in der Soße glacieren. Das Ganze mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Zutaten für das Grillgemüse:

400 g Aubergine
400 g Zucchini
2 Knoblauchzehen
2 Rosmarinzweige
Salz, Pfeffer, Olivenöl

Grillgemüse zubereiten:

Das Gemüse waschen und in ungefähr fünf Millimeter dicke Scheiben schneiden. Den Knoblauch schälen und grob hacken. Das Gemüse in einer Pfanne mit Olivenöl von beiden Seiten goldbraun anbraten, Rosmarin zugeben und mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Gedankenanstoß für das Tischgespräch zum Thema „Herz über Kopf“:

Kennst du das? Dein Herz sagt Ja, dein Kopf sagt Nein?

Rezept von Markus Bitsch & Pierre Dispensieri (markusundpierre.de). Alle Rechte bleiben bei den Autoren.

Willkommen in deinem Leben!

Wie ein Bergwerk Männerherzen in Bewegung bringt

Es hatte etwas von Henkersmahlzeit und Abschied, als die 180 Männer ihre letzten Instruktionen und Ausrüstungsgegenstände erhielten. Sie standen Anfang November spätabends auf einer Wiese, von Fackeln beleuchtet, geografisch irgendwo zwischen dem Vogtland und dem Erzgebirge, nicht wissend, was sie die nächsten drei Tage erwartet. Schnell wurden die Essenspakete, Kocher und GPS-Geräte den zehn Mann starken Teams zugeteilt. Dann hieß es „Rucksack auf und los“! Alles musste schnell passieren, denn nun sollte das Abenteuer endlich losgehen – das „Charakterwochenende Sachsen 2017 ‚Der 4te Musketier‘“.

ANKOMMEN BEI SICH SELBST
Der Tross setzt sich in Bewegung, Teilnehmer wie Mitarbeiter. Ich sehe die Männer auf dem Marsch in die Dunkelheit des Waldes und lausche ihren Stimmen. Ihre Aufregung entlädt sich in dem Versuch, die zentralen Fragen dieses ersten Abends zu klären: Wie lange werden wir jetzt wohl wandern? Hoffentlich hält die nächsten drei Tage die Funktionsunterhose ihr Versprechen! Und immer wieder: Wer hat den Größten? – Rucksack natürlich. Männer eben! Nach der Hälfte der Strecke dann ein Gebot: „Ab jetzt Ruhe, Männer!“ Einkehr in die Stille. Ankommen bei sich selbst. Kilometerlang kein Wort. Nur noch Atmen, Nachdenken, Schritte und das kratzende Stöckeln einiger Trekkingstöcke. Die Begegnung mit Gott hat begonnen. Ziel des Abends: ein stillgelegtes Bergwerk. Alle gehen rein – in dunkle, teils niedrige und feuchtkalte Gänge. Die Enge wirkt bedrückend. „Willkommen in deinem Leben“, erschallt die Stimme eines Sprechers. Ich fühle mich ertappt. Denn mein Leben verbirgt sich manchmal auch unter der Oberfläche, ist dunkel, muffig, eng und gleicht einem Versteck. Will ich so weitermachen? Mich beschäftigt auf dem Weg nach draußen der Gedanke, Gott Klartext reden zu lassen, und ich meine, ihn auch in den Gesichtern vieler anderer Männer erkennen zu können. Der Ausstieg ähnelt jetzt einem Aufbruch, raus aus der stickigen Enge in die offene Frische des Waldes. Ein Chor von Männerstimmen erklingt. Der Gesang durchbricht die Stille und führt Herzen in die Weite.

GOTTES GNADE ERFAHREN
Am nächsten Morgen sind es Dudelsackklänge, die die Männer aus ihren Zelten locken. Anschließend geht’s auf die viele Kilometer lange Route. Die Gesprächsinhalte verändern sich. Auch weil während der langen Wanderung durch traumhaft herbstliche Wälder und entlang stiller Seen weitere kurze Inputs über Gott, Jesus und das Mannsein dies intensivieren. In mir wird ein Prozess angestoßen, doch am meisten bewegt mich, wie in den nächsten Stunden Männer, Kerle „wie Baumstämme“, von der Liebe Gottes wahrhaft geschüttelt und überwältigt werden und echte Männertränen vergießen. Mir wird klar: Gottes Gnade kennt kein Maß!
Zeitsprung: Es ist Sonntagvormittag. Wieder eine Wiese. Auf ihr sehe ich 180 Männer, erschöpft, aber glücklich, von denen manche unterwegs am liebsten abgebrochen hätten, nicht nur, weil die Blasen an den Füßen nervten. Doch etwas Grandioses ist passiert: Sie haben den Wert eines aufrichtigen Lebens erkannt. Und jetzt feiern sie gemeinsam Gottesdienst. Laut und ehrlich. Und ich sehe Männer, für die das eigentliche Abenteuer erst jetzt richtig losgeht, weil sie ihren Frauen wieder liebevoll begegnen, für ihre Kinder verantwortungsvoll da sein oder den eigenen Vater in den Arm nehmen wollen.

 

Jörg Helmrich (52) ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und den vier gemeinsamen Kindern in Duisburg. Er arbeitet bei der Berufsfeuerwehr Duisburg seit 1994 als Feuerwehrmann und leitet dort die IT-Abteilung. Seit 2015 ist er ehrenamtlicher Mitarbeiter der Bewegung „Der 4te Musketier“.

 

Das nächste Charakterwochenende für Männer veranstaltet die Bewegung „Der 4te Musketier“ vom 26. bis 29. April 2018 in den schottischen Highlands. Mehr Infos: www.der4temusketier.de

Immer nach oben

Für 72 Stunden verlässt Tom Mayer sein Büro. Er kämpft sich mit anderen Männern durch die die nächtliche Kälte und auf die Berge. Dabei begegnet er sich und Gott.

Smartphone, Uhr und Geld sind in eine wasserdichte Tüte gepackt und für die nächsten drei Tage versiegelt. Wir sind soeben aus dem Postbus gestiegen. Es ist dunkel geworden über den Bergen des Schweizer Kantons Tessin. Ein kalter, herbstlicher Wind bläst uns entgegen. Der Alltag ist weit weg, geografisch wie in Gedanken. Drei Tage „Charakterwochenende“ stehen vor mir, gemeinsam mit 90 anderen Männern aus der Schweiz und Deutschland.

Nun stehe ich in meiner kleinen Gruppe von zehn Männern also irgendwo über Lugano und warte auf den Abmarsch. Null Ahnung über Zeitplan, Wegstrecke,Programmpunkte. Der ausgeliehene Trekkingrucksack ist nach vorgegebener Liste gepackt. Diverse Kleider, ein warmer Schlafsack, Kocher, Zelt. Die Verantwortlichen verteilen das Essen. Der Inhalt des Supermarkt-Papiersackes soll drei Tage für zehn Männer langen? Bin mir nicht so sicher … Wir verteilen die Müsli-Packungen, Landjägerwürste und das Outdoor-Trockenfood. Kaum sind die Getränkevorräte aufgefüllt, wandern wir los in die Nacht. Stundenlang. Irgendwohin. Immer nach oben. Dabei geht das Zeitgefühl verloren. Irritierend, aber gut!

Drei Tage kämpfen wir uns nach Norden. Wir übernachten unter freiem Himmel. Das Frischwasser kommt direkt aus einer Quelle. Die Fleckchen Erde, die wir auf der Tour entdecken, sind atemberaubend. Wir schlafen wenig, die Nacht gehört zum Programm.

Mitten in der Nacht raus aus den Zelten

Am Ende des zweiten Tages sinke ich erschöpft in den Schlafsack. Es war ein schöner Tag, aber ich bin kaputt. Wenige Momente später bin ich eingeschlafen. Stinksauer reagiere ich, als wir – ich habe vielleicht eine Stunde geschlafen? – mitten in der Nacht alle aus den Zelten geholt werden. Im Zusammenhang mit einer Nacht-Kletterei gibt‘s eine Aufgabe zu erledigen: Über Steine kraxeln wir einer Bergspitze entgegen. Eiskalter Wind. Fackeln zeigen den Weg. Die Männer, die sie halten, zitieren Bibelverse. Oben stehen wir eng zusammen und feiern einen unvergesslichen Männer-Gottesdienst. Gott sei Dank hab ich mich aufgerafft. Gott hat den Gruppendruck gebraucht. Er begegnet mir außerhalb der Komfortzone oben am Gipfelkreuz.

Die körperliche und mentale Überwindung bringt mich Bürositzer zum Wesentlichen. Da kommen Sachen hoch, die sonst vergraben bleiben. Warum falle ich immer wieder in alte Muster zurück? Warum stehe ich nicht meinen Mann in Job und Familie? Warum schiebe ich in der Familie das Unangenehme auf oder unter den Teppich? Warum bleibe ich an der nackten Haut auf dem Bildschirm hängen? In den drei Tagen erlebe ich heilige und heilende Momente zwischen mir und Gott.

Während der 72 Stunden gibt es jeweils nach ein paar Stunden des Wanderns einen „Speakers Point“. Einer vom Team fordert uns zu einem bestimmten Thema heraus. Kurz, auf den Punkt, ohne Füllmaterial. Zum Beispiel beim Thema Familie. Ben hat seine Familienfotos immer bei sich, er zeigt uns seine laminierte Prints. Wie wertvoll! Ich werde es ihm nachmachen. Bei anderen „Speakers Points“ müssen wir eine Aufgabe erledigen. Etwas machen, was enorme Überwindung benötigt. Ich habe an diesem Spätnachmittag Veränderung erlebt. Nicht nur zuhörend oder in einem Workshop, sondern eben draußen. Direkt, pur, unmittelbar. Auch der Abschluss der drei Tage – das Fest am Abend und der Gottesdienst am Sonntagmorgen – hat es in sich. Er geht durch Mark und Bein, Herz und Magen.

Ein Meilenstein im Unterwegssein mit Gott

Jetzt hat mich der Büroalltag wieder. Ein Stück abgebrannte Fackel liegt auf meinem Bürotisch. Sie erinnert mich an einen großen Meilenstein in meinem Unterwegssein mit Gott. Sie erinnert mich, wenn nackte Haut auf meinem Mac im Büro auftaucht, dass ich im Dienst für den König stehe, den inneren bösen Wolf verhungern lassen und den guten Wolf füttern will. Das gelingt mir als 4ter Musketier mal besser und mal schlechter.

Tom Mayer (44) lebt in CH-Belp. Er ist verheirate mit Barbara und Vater von Julia und Lea. Er ist selbständiger Medienmacher (www.citrusmedia.ch), fährt gerne Rennrad, macht Langlauf und liebt das Meer.

Wolfgang Wittig: Drohnenfieber

Viele Männer träumen vom Fliegen. Ein faszinierendes Spielzeug verleiht diesem Traum Flügel.

Als ich auf der weiterführenden Schule war, kam ich auf dem Weg nach Hause oft an einem Modellbauladen vorbei. Fasziniert stand ich dort vor den verschiedenen ferngesteuerten Hubschraubern und träumte davon, irgendwann mal so ein Gerät fliegen zu dürfen. Diesem Wunsch entgegen standen zwei Dinge: Erstens der Preis und zweitens die Aussage des Mannes im Laden, dass das Fliegen eines Modellhubschraubers nur etwas für geübte Piloten sei und ein Absturz schnell teure Reparaturen oder den Totalschaden nach sich ziehen würde.
Zwar schaffte ich es im Alter von vierzehn Jahren durch die geschickte Kombination von Geldgeschenken zu Weihnachten, Konfirmation und Geburtstag einen erstaunlichen Betrag zusammenzusparen, statt eines Flugobjektes investierte ich das Geld jedoch sinnvoll, wie viele meiner Klassenkameraden, in einen Atari 1040 STFM – und gab mich dem Traum vom Fliegen in nächster Zeit nur noch in der sicheren Abgeschiedenheit meines Kinderzimmers mit dem Microsoft Flight Simulator hin.

DIE DROHNE IN MEINEM HAUS

Seit dem hat sich in der Welt der unbemannten Flugobjekte viel getan. Drohnen sind in aller Munde und plötzlich einigermaßen erschwinglich geworden. Einstiegsmodelle gibt es schon ab EUR 70,00 und sie sind ohne große Übung zu fliegen. Dass liegt daran, dass die meisten Drohnen in der Lage sind, ihren Flug selbstständig zu stabilisieren. Gibt man ihnen also keinen weiteren Steuerimpuls, während sie sich in der Luft befinden, bleiben sie stehen, verweilen dort, wo sie gerade sind. Teurere Modelle verfügen über ein GPS-Modul, das ihnen ermöglicht, vordefinierte Punkte abzufliegen oder zum Ausgangspunkt zurückzukehren.
In meinem Umfeld gibt es einige Männer, die eine Drohne ihr Eigen nennen. Daher dachte ich, dass es gut wäre, sie zu interviewen, ein wenig zu recherchieren und dann einen Artikel zu schreiben. Je mehr ich mich mit dem Thema auseinander setzte, desto klarer wurde mir, dass das so nicht funktionieren würde. Mit jedem Artikel, den ich las, wuchs die Unruhe in meinem Herzen und es gab nur einen Weg, sie zu stillen: Ich brauchte eine Drohne. Ich war kurzzeitig darüber erstaunt, wie sehr mir etwas fehlte, von dem ich kurz zuvor noch nicht wusste, dass es existiert.

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